Bei der Meisterschaft der Hundefriseure auf Gut Basthorst muss jeder Schnitt millimetergenau sitzen. Sonst gibt’s Punktabzug

Basthorst. Des Pudels Kern entblößt sich nach zweieinhalb Stunden. Nach genau zweieinhalb Stunden, nicht nach zweieinhalb und fünf Minuten. Denn, das macht Anja Reiteritsch deutlich, wer die vorgegebene Zeit überschreitet, ist raus. Disqualifiziert von der Meisterschaft der Hundefriseure, die am Wochenende auf Gut Basthorst ausgetragen worden ist.

Rund 150 sogenannte Groomer, zu deutsch Hundefriseure, sind nach Angaben der Veranstalter auf das Gut gereist. „Sie kommen aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden und wollen Erfahrungen für ihre eigenen Salons sammeln“, sagt Petra Berndt, die die Meisterschaft – sie ist Teil des 4.Fachseminars für Hundefriseure – gemeinsam mit Anja Reiteritsch aus Trittau organisiert hat.

In der Kategorie Pudel starten am Sonntagmittag sieben Teilnehmer. Bevor die Groomer zweieinhalb Stunden lang Zeit haben, ihre Hunde aufzuhübschen, gibt es 30 Minuten zum „Vorrichten“. Dafür stehen Hunde und Friseure in einer Art Arena, die Pudel auf Metalltischen. Da wird der Hund auf dem Metalltisch verrückt, könnte man denken. Nein, beruhigt Petra Berndt. „Die Tiere müssen aber natürlich an das Frisieren gewöhnt sein.“

Bevor sich die Friseure daran machen, das lockige Pudelhaar „rassetypisch“ auf Frisuren mit klangvollen Namen wie Continental Clip und T-Clip zu trimmen, nutzen sie die Zeit des Vorrichtens, Touareg und Xavie durchzukämmen und Pfoten und Ohren freizuschneiden. „Ein einzigartiges Bild, diese wunderschönen Pudel“, gibt Anja Reiteritsch zur Information der Zuschauer über ein Headset bekannt.

Auf einem Tisch sind die Pokale und Preise aufgebaut, die ersten drei Sieger bekommen eine Schermaschine, außerdem gibt es Urkunden, „die können im Salon aufgehängt werden“, wie Petra Berndt sagt. Und Pflegeprodukte gibt’s auch noch dazu.

Links davon sitzen an einer Tafel die drei Richter, die die Arbeit der Groomer in verschiedenen Kategorien bewerten sollen. Neben der Frage, ob die Frisur rassetypisch ist und wie der Umgang zwischen Hund und Haartrimmer war, beurteilen die Richter auch die Symmetrie des Schnitts. Dafür gibt es exakte Vorgaben: Der Schwanz etwa soll kreisrund geschnitten werden, wenn er kupiert ist, unkupiert bedeutet einen ovalen Schnitt. Die Haare am Rutenansatz haben zwei Millimeter lang zu sein.

Auf dem Kopf trägt Pudel Krone. Dieser Trend lässt sich in der Wettkampfarena leicht erkennen. Nur nicht am Tisch von Nicole Baltes. Der runde Kopf ihres Pudels sei eigentlich „ganz falsch“, kommentiert Helgrid Sassner, Immobilienmaklerin aus Trittau, die ihre Freundin Anja Reiteritsch bei der Veranstaltung unterstützt. Pudel würden normalerweise kantig geschnitten. „Quadratisch, praktisch, gut.“ Aber Nicole Baltes bevorzuge den runden Schnitt.

Am Rande der Arena haben sich unterdessen einige Besucher versammelt. „Die Öffentlichkeit ist einfach daran interessiert, zu sehen, wie es beim Hundefriseur abläuft. Denn auch in den Salons wollen die Friseure oft nicht, dass die Hundebesitzer ihnen bei der Arbeit zusehen“, sagt Petra Berndt. „Die Tiere werden dann unruhig.“ Sie selbst hat einen Labrador.

Kommentare wie ihre sind jetzt nur noch in einigem Abstand zu den Wettkämpfenden möglich. Innerhalb der Arena ist „Silentium“ angesagt, angeordnet von den Richtern. Die Friseure müssten nun hoch konzentriert sein, Fotos seien nur bedingt möglich, schon gar nicht dürften die Wettkampfteilnehmer angesprochen werden.

Tatsächlich scheinen diese nur wenig aufnahmefähig zu sein. Zu groß ist offenbar die Anspannung dabei, aus einem ehemals dick anmutenden Hund einen Pudel mit schlanker Taille herauszurasieren. Hundefriseur Thomas Greven bedenkt Interessierte mit einem kurzen, strengen Blick, dann widmet er sich wieder dem Haupt seines vermeintlich weißen, tatsächlich aber apricotfarbenen Pudels.

Esragon Noah of Golden Summertime ist Profi. Als Herrchen Thomas Greven – selbst mit getrimmtem Oberlippenbart – des Pudels Ohren mit Haargummis aus dem Weg hält und seine Beine auf dem Metalltisch zurechtrückt, verzieht Esragon Noah keine Miene. Sein Herrchen ist auf Pudelfrisuren spezialisiert, im nordrhein-westfälischen Meckenheim führt Greven die „Pudelwerkstatt“.

„Viele der Teilnehmer reisen extra für Wettkämpfe dieser Art aus ganz Deutschland und den Nachbarländern an“, sagt Petra Berndt. Neben den Friseuren tun das auch Aussteller, die sich am Rand der Arena ihre Stände aufgebaut haben und dort Futterprodukte, Leinen oder Informationen über hundefreundlichen Kreuzfahrten anbieten.

Angela Unger ist aus Berlin gekommen. Den Wettkampf in der Kategorie Freestyle hat die Friseurin bereits hinter sich. Willi, siebeneinhalb Jahre alt, Großpudel und mit vollem Namen Abraxas White Anthony, und seine Haarpracht haben Andrea Unger den Ehrenpreis eingebracht. „Ich wurde für die Idee, den Aufwand und die gute Zusammenarbeit mit Willi ausgezeichnet“, sagt Unger. Pudelwohlsein auf beiden Seiten also, auch wenn die Frisur laut Frauchen bereits – da liegt der Hund begraben – einen Tag später wieder im Eimer sein wird.

„Willi hat das aber ganz traumhaft gemacht, ich musste nur noch schneiden“, sagt Andrea Unger. Das weiße Haar des Pudels rankt sich um seine Beine, von der rassetypischen Frisur ist nicht viel zu erkennen. Warum sie Willi eine solche Frisur verpasst hat, statt auf die vorgegebenen Millimeterangaben genau zu scheren? „Weil ich verrückt bin.“ Grau ist also tatsächlich, wie Mephisto wusste, alle Theorie.