In Glinde sehen sich eine Woche vor der Bundestagswahl die Kandidaten nicht als Konkurrenten, sondern als Partner

Glinde. Sie liefen nicht Hand in Hand, dafür aber Seite an Seite: Zur Demonstration gegen rechts trafen einander am Sonnabend der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, sein Kollege von den Grünen, Konstantin von Notz, die SPD-Bundestagkandidatin Nina Scheer und Ralf Iden, Ortsvorsitzender der Linken. Unter dem Motto „Zwei Jahre sind genug“ hatte das Glinder Parteienbündnis gegen rechts zu dem Protest gegen den am Glinder Berg ansässigen Modeladen Tønsberg aufgerufen, in dem mit der in Neonazi-Kreisen beliebten Marke Thor Steinar gehandelt wird. Im September 2011 hatte das Geschäft eröffnet – seitdem halten Mitglieder der Bürgerinitiative Glinde gegen rechts fast täglich Mahnwachen ab, veranstalten regelmäßig Demos und Aktionen, machen aufmerksam, setzen Zeichen. „Wir sind alle hier, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen“, so Grünen-Politiker Konstantin von Notz im Vorfeld der Veranstaltung. Daher seien die Kollegen der anderen Parteien an diesem Tag keine Konkurrenten, sondern Partner.

„Glinde, Glinde, das sind wir. Wir wollen keine Nazis hier!“ Mit dieser Parole setzte sich der Demonstrationszug aus rund 150 Menschen um 12.30 Uhr in Bewegung. Angeführt wurde der Zug von Bürgervorsteher Rolf Budde (CDU). „Wir wollen die Leute hier nicht haben“, begründet er das unermüdliche Engagement der Glinder gegen Rechtsextremismus. „Aber die sind stur wie Oskar. Deswegen müssen wir am Ball bleiben.“ Rolf Metschulat von der Bürgerinitiative Glinde gegen rechts zeigte sich ein wenig enttäuscht über die geringe Teilnehmerzahl. „Ich hatte mit dem Doppelten gerechnet. Schade, dass die Parteien nicht mehr Menschen mobilisieren konnten.“ Für Nele Rausch und ihren Freund Mirco Schulz stand dagegen sofort fest, dass sie sich an der Demonstration beteiligen. Die 26-jährige Glinderin: „Es ist wichtig, mitzumachen. So ein Laden darf sich hier nicht einnisten. Und auch, wenn viele Menschen denken, dass solche Kleinigkeiten wie Mahnwachen nichts bringen – das stimmt nicht. Alles, was Aufmerksamkeit erregt und Leute zum Nachdenken bringt, ist gut.“

Nach dem etwa 20-minütigen Fußmarsch vom Marktplatz den Glinder Berg hinauf begannen am Mahnwachenzelt gegenüber dem Tønsberg-Laden die Kundgebungen der Politiker – in alphabetischer Reihenfolge. Also nutzte der CDU-Politiker Brackmann als Erster die Gelegenheit, vor den Demonstrationsteilnehmern zu sprechen. „Unsere Gesellschaft hat aus ihrer Vergangenheit gelernt: Nie wieder dürfen Nazis auf deutschem Boden etwas zu sagen haben!“ Brackmann erhielt dafür nicht nur aus den Reihen der CDU-Anhänger viel Applaus.

Auch Grünen-Politiker Konstantin von Notz nutzte seine Redezeit, um den Standpunkt seiner Politik deutlich zu machen: „Rechtsextremismus ist eine tödliche, menschenverachtende Ideologie. Wir dürfen ihr keinen Platz einräumen.“ Weiterhin mahnte der innen- und netzpolitische Sprecher der Grünen, das Thema nicht nur jetzt, kurz vor der Wahl, ernst zu nehmen, sondern auch darüber hinaus. Linken-Mitglied Ralf Iden hatte eine sehr lange Rede vorbereitet – zu lang für diesen Anlass. Der Unmut mancher Zuhörer wurde durch Zwischenrufe deutlich. Mit „Bleibt kritisch und seid aufmerksam“ schloss Iden seine vorzeitig beendete Rede und machte Platz für Nina Scheer. Die SPD-Bundestagkandidatin lobte vor allem den Einsatz der Glinder Bürger: „Ich finde es toll, dass ihr euch wehrt und ganz offen zeigt, dass ihr rechtsextremes Gedankengut in eurer Stadt nicht duldet. Es hat in einer Demokratie nichts zu suchen.“ Nachdrücklich sprach sich die Politikerin am Ende ihrer Redezeit für ein NPD-Verbot aus.

Die Veranstaltung, die sich gegen 14 Uhr unter anhaltendem Nieselregen langsam auflöste, war Auftakt einer bunten Protestwoche, die die Bürgerinitiative Glinde gegen rechts auf die Beine stellt: Am heutigen Montag eröffnet die „Erste bundesweite Entsorgungsstation für Nazikleidung“. Alle Bekleidungsstücke aus den Kollektionen des neonazistischen Spektrums können ab 17 Uhr direkt gegenüber dem Tønsberg-Laden entsorgt werden. Im Austausch gibt es ein T-Shirt von „Laut gegen Nazis“ oder „Storch Heinar“. Am Mittwoch lautet das Motto „Schachmatt den Nazis“. Wer Lust auf ein ungewöhnliches Turnier hat, kommt um 17 Uhr mit einem Schachbrett zum Glinder Berg. Ganz besonders freuen sich die Initiatoren um Sprecher Niels Brock auf die Frau, die am Sonnabend im Glinder Bürgerhaus auftritt: Esther Bejarano, Jahrgang 1924, eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters Auschwitz. Sie erzählt aus ihrem bewegenden und bewegten Leben und steht gemeinsam mit den Kölner Rappern der Microphone Mafia auf der Bühne. Der Eintritt ist frei, Einlass ist ab 18:30 Uhr.