Die Barsbütteler Firma Krüger Kunststoffe feiert 75. Geburtstag – der Enkel des Unternehmensgründers auch

Barsbüttel. Kunststoff gibt es auf dieser Welt, seit es Jürgen Krüger gibt. „Als ich geboren wurde, 1938, da sind gerade die ersten Krümelchen von dem neuen Material auf den Markt gekommen. Als ich aus dem Gröbsten raus war, war auch der Kunststoff einsatzbereit.“ Krüger habe Kunststoff im Blut. „Das stand schon in meinem Poesiealbum“, sagt der 75-Jährige. Der Weg war klar gezeichnet. 1938 gründet der Großvater Artur Krüger die Kunststofffirma, damals ist der Sitz noch Hamburg. „Mein Großvater hat vor allem den Namen und die Kinderschar gestiftet“, sagt Jürgen Krüger und lacht. Er deutet auf ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem Werner Krüger im Familienkreis zu sehen ist. „Und das Grinsen, das habe ich von meinem Vater Werner“, sagt er. Und zeigt gleich noch einmal, dass er das mit 75 noch nicht verlernt hat.

„Als 1943 die englische Luftwaffe kam, wurde auch unser Betrieb, wie ganz Hamburg, ausgebombt“, erinnert sich Jürgen Krüger. Die Familie zieht nach Erfurt, schon zwei Jahre später kommt sie aber zurück nach Hamburg. Jürgen Krüger mietet in der Spaldingstraße Büro- und Wohnräume an. „Wir haben in den Büros geschlafen und gewohnt“, sagt Krüger. „Fließend Wasser gab es nicht, später haben wir auch direkt neben der Bohrerei und Stanzerei gewohnt. Das hat ordentlich geschüttelt da.“ Mit Nichts in der Hand habe sein Vater dann wieder von vorne angefangen, „mit Bombensplittern und verkohlten Werkzeugen“.

Aber 1953 kann Werner Krüger in Wandsbek ein neues Grundstück kaufen. Jürgen Krüger ist mit der Schule fertig, nach zehn Jahre Bankdrücken macht er sich auf in die große weite Welt. „Ich war in England und in Amerika und habe bei unseren Lieferanten da Praktika gemacht“, sagt er. Von dort brachte er Erfahrung und neue Materialien mit. „Dann machte ich meine Lehre zum Feinmechaniker an der Ingenieursschule.“ Während er in Amerika war, wurde Präsident Kennedy gewählt. „Das war sagenhaft“, sagt Krüger. „Das war damals einer wie Obama jetzt, der war neu und imposant.“

Zwei Jahre, nachdem Jürgen Krüger als Mitarbeiter in die Firma eintritt, heiratet er Bärbele – geborene Krüger. Jürgen Krüger grinst, als er sich an den Hochzeitstag erinnert. „Das war lustig“, sagt er. „Da sagte der Standesbeamte: So, Bärbele, geborene Krüger, wollen sie den hier anwesenden Krüger, Jürgen zum Mann nehmen? Tja, auch da war bei Krüger eine klare Linie zu erkennen.“ Bärbele Krüger verstarb mit nur 66 Jahren an Brustkrebs. „Eine scheußliche Krankheit“, sagt Krüger, und kurz legt sich ein Schatten über seine Augen. Die zwei Kinder, Nils Krüger und Carola Keller, sind heute beide ebenfalls im Unternehmen eingespannt, seit 2012 sind sie Geschäftsführer. Dass Krüger für Kunststoff steht, so lautet der Firmenslogan, muss man bei Jürgen Krüger nicht lange suchen.

Mit einem Kunststoffwerk eröffnet Jürgen Krüger 1969 eine eigene Sparte des Familienbetriebs. Diese Produktionsstätte bildet nun ein Gegenstück zum väterlichen Betrieb, der mehr auf den Handel ausgerichtet ist. Beide ziehen nach Barsbüttel um. „Juristisch hatte ich meine eigene Firma“, sagt Krüger. „Aber natürlich gab es schon die Kunden meines Vaters, und mit ihm hatte ich einen guten Leumund.“ Beide profitieren von dieser Trennung: Der Sohn produziert, was der Vater weiter in den Handel bringen kann.

Jürgen Krüger setzt im Kunststoffwerk auf die Herstellung von Vakuum-Tiefziehteilen. Er beschreibt den Vorgang: „Es gibt ein Modell, das gibt der Kunststoffplatte später ihre Form. Man erwärmt die Kunststoffplatte und darein wird das Modell mit ganz viel Druck gepresst. Die entweichende Luft, die zwischen dem Modell und der Kunststoffplatte war, wird durch ein Vakuum abgesaugt. So erreicht man eine exakte Passform.“ Während er erklärt, ballt er die Hände zu Fäusten, um zu zeigen, wie „der Kunststoff an den Rändern eingespannt“, wird, und er zieht imaginäre Oberflächen der Platten nach.

1983 übernimmt Krüger einen Betrieb, der Lufthansa beliefert. Krüger: „Im Laufe der Zeit baute sich die Luftfahrtsschiene zu 50 Prozent unserer Arbeit aus.“ Carola Keller, Tochter des Seniorchefs, sagt: „Wir stellen zum Beispiel die Klapptische her, die in jedem Flugzeug am Sitz des Vordermanns hängen.“ Nach einer Zeit schicken die Fluggesellschaften die Tische wieder zurück nach Barsbüttel. „Ist es nicht spannend, wo auf der Welt die schon waren?“, sagt Keller. „Vielleicht waren die in Indien, in Amerika oder Japan.“ Wieder zurück in Deutschland werden die Tische zunächst tiefgekühlt. „So kann man sie leichter auseinander bauen“, sagt Keller.

Die Metallteile im Inneren lassen sich wiederverwerten, „wir machen dann nur die Ummantelung neu.“ In einem Regal liegen Muster diverser Fluggesellschaften, dazu Ordner, in denen die jeweiligen Anforderungen genau beschrieben sind.

Beim Gang durch die Produktionshallen sieht man aber nicht nur Klapptische – sondern auch eine Vielzahl von Kunststoff-Rohformen in allen erdenklichen Farben. Die Verkleidung von Leergutautomaten lässt sich da etwa erkennen. Oder auch eine Platte mit Mulden, darin ruhen Ananas und Bananen, wenn sie im Supermarkt glänzen sollen. „Ich habe mich auch mal an Fensterrahmen probiert oder an Badewannen“, sagt Jürgen Krüger. „Aber das waren zu große Geschichten, die sind über mich hinweggerauscht.“ Eine ganz spezielle Anfertigung war eine Duschtür für einen Privatflieger von Helmut Kohl. „Er war der erste, der eine Dusche im Flugzeug hatte – die Tür dazu haben wir hergestellt“, sagt Betriebsleiter Manfred Waltz und klingt ein bisschen stolz. Waltz ist einer von den „alten Eisen“, wie Krüger sich und seinen Betriebsleiter nennt. „Wir beide sind in Ehren ergraut“, sagt er und lacht Waltz an.

Jürgen Krüger und Krüger Kunststoffe blicken gemeinsam zurück auf 75 Jahre. Schon jetzt ist die Familientradition fortgesetzt in den Kindern Nils Krüger und Carola Keller. In der Firmen-Broschüre zum Jubiläum heißt es: „Wir freuen uns auf weitere 75 erfolgreiche Jahre.“