Bei der Schüleraustausch-Messe in Bargteheide informierten sich am Wochenende 1300 Besucher über die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen

Bargteheide. Wer glaubt, die Einschulung sei der letzte Termin gewesen, bei dem es Schultüten gibt, ist nicht auf der Schüleraustausch-Messe im Kopernikus Gymnasium in Bargteheide gewesen. An fast 50 Ständen werden hier Tüten verteilt, es gibt Plastikbeutel, Leinentaschen und Papptüten. Die Papptüten sind mit Aufklebern bedruckt, wie sie früher auf weit gereisten Koffern klebten.

Eine dieser Tüten steht neben Janne Prühs. Sie sitzt auf einer Mauer außerhalb des Schulgebäudes und blättert in einer Broschüre zum Thema Work and Travel. „Eigentlich sind meine Mutter und ich wegen meiner Schwester hier, sie ist 14 und will nächstes Jahr ins Ausland“, sagt Janne. „Ich habe keinen Schüleraustausch gemacht, möchte aber 2014 nach dem Abi weg, nach Ecuador am allerliebsten, weil ich dort geboren bin, oder nach Costa Rica. Oder nach Neuseeland.“ Wahrscheinlich werden sowohl Janne als auch ihre Schwester sich um ein Stipendium bewerben. „So ein Austausch kostet sonst 10.000 bis 15.000 Euro“, sagt ihre Mutter Astrid Prühs, „das können wir uns nicht leisten“. Weil es den meisten Eltern so gehen dürfte, werden anlässlich der Messe Stipendien im Wert von insgesamt 260.000 Euro ausgeschrieben, für die sich Schüler aus Schleswig-Holstein bewerben können.

Die Schüleraustausch-Messe wird seit 2001 jährlich organisiert, sie ist eine Initiative der Bürgerstiftung Region Ahrensburg in Kooperation mit der Deutschen Stiftung Völkerverständigung. „Am Anfang war dies eine in jeder Hinsicht beschauliche Veranstaltung“, sagt Michael Eckstein, der Vorsitzende der Bürgerstiftung. „Aber inzwischen kommen durchschnittlich etwa 2000 Eltern und Schüler, um sich zu informieren. Besonders die Vorträge sind voll besucht.“ Bei einem der Vorträge spricht auch Ecksteins Tochter. Sie erzählt von ihrer Schulzeit in Kanada. „Das Interesse für Auslandsaufenthalte ist gerade in Norddeutschland sehr groß. Die Zahl der Schüler, die in Relation zur Gesamtschülerzahl eine Zeit ins Ausland gehen, ist in Norddeutschland doppelt so hoch wie in Süddeutschland“, sagt Eckstein. Es gebe zwar keine Statistiken, aber Umfragen bei Austauschorganisationen. Generell gewinne das Thema an Bedeutung. „Wenn man als Jugendlicher etwas machen will, was über das Normale hinaus geht, geht man ins Ausland. Und alle, mit denen ich hinterher gesprochen habe, sagen, dass es sich in jeder Hinsicht gelohnt hat.“

So auch Nora Kemken. Wer sie erzählen hört, muss ganz stark sein, um nicht sofort die Koffer zu packen und einen Flug nach Kanada zu buchen. An einem der Stände berichtet Nora interessierten Eltern und Schülern von ihrer Zeit in Kingston, Ontario. „Das war cool, ich war in der Stadt die einzige Deutsche, und sie hat 200.000 Einwohner“, sagt sie. „Die Menschen sind total offen, dort wohnen viele junge Leute, weil es zwei Unis gibt. Eigentlich wollte ich nur sechs Monate bleiben, aber ich bin dann elf Monate da gewesen.“ Zwischendrin hat Nora die Gastfamilie gewechselt. „Die erste Familie war auch nett, aber ich bin dann zu meiner dortigen besten Freundin gezogen, da waren wir dann vier Mädels, es war immer was los.“ Das Schuljahr wiederholen musste Nora nicht. „Ich habe die Realschulprüfung geschrieben, nachdem ich fünf Tage zuhause war. Eine Prüfung musste ich nachschreiben, weil ich zum Termin gerade im Flugzeug saß. Aber das ging alles“, sagt sie.

Auch wenn „alles geht“: Pia Künckeler soll das Schuljahr, das sie in Deutschland verpasst, wiederholen. „Die Schüler sind durch G8 sowieso stark unter Druck, da kann sie ruhig mal ein Jahr raus. Aber da denken viele Eltern sicher anders“, sagt ihre Mutter, Julia Timm. Pia wird vermutlich für zehn Monate in die USA gehen. „Das reizt mich am meisten, es ist ganz anders als Deutschland, auch der Team Spirit an den Schulen. Da gehört man zur Gemeinschaft. Erst wollte ich nach Kanada, aber dann habe ich mich umentschieden, da fahren viele Ski und ich bin nicht so der Ski-Typ“, sagt sie. „Was, das war der Grund?“, sagt ihre Mutter, „das wusste ich gar nicht. Wir sind alle Skifahrer in der Familie.“

Leon Peters möchte aus einem anderen Grund nach Amerika. „Ich habe Familie dort. Meine Uroma kommt aus Armenien und ihre ganze Familie ist dorthin geflüchtet. Nun habe ich mit ihnen Kontakt aufgenommen.“ Die Familie lebt in Los Angeles und hat für Leon auch schon eine Gastfamilie organisiert. „Das sind Freunde von ihnen. Wir haben schon E-Mail-Kontakt und wollen uns jetzt zum Skypen verabreden. Aber es ist gar nicht so leicht, einen Termin zu finden – wegen der Zeitverschiebung.“ Der Unterschied beträgt neun Stunden. Üblicherweise suchen Austauschorganisationen eine Gastfamilie für die Schüler. Leon will sich trotzdem an eine Organisation wenden. „Die findet eine Highschool und kümmert sich um das Visum.“ Außerdem gibt es dann vor Ort Ansprechpartner, falls es Probleme geben sollte.

Wo es für Kira Horn hingehen soll, ist noch nicht sicher. „Ich möchte gern eine neue Kultur kennenlernen und würde deshalb auch gern nach Südkorea“, sagt sie. „Aber da gibt es nicht so viele Plätze. Ich bewerbe mich einfach bei verschiedenen Organisationen und entscheide mich dann, wo ich hingehe.“ Auch nach Amerika würde sie gern. „Sie soll das selber entscheiden“, sagt Hans-Walter Horn, Kiras Vater. „Ich würde ihr zu einem englischsprachigen Land raten, aber wir lassen sie einfach mal machen. Die Tochter gehen zu lassen, ist natürlich schwierig. Aber gut: So ist das eben.“