Afrikaner leben seit 14 Wochen in der Glinder Moscheegemeinde. Landtagsabgeordneter leistet juristischen Beistand

Glinde. Im Fernsehen auf Eurosport läuft Tennis, ein Drittrundenspiel der Damen bei den US Open. Zobier Abobaker, 40, aus Niger sitzt gelangweilt auf der Tischkante und blickt nur ab und zu auf den großen Flachbildschirm im Keller der Glinder Moschee. Mitunter wirkt er abwesend. Welche Gedanken ihn in diesem Moment wohl umtreiben? Vielleicht ist es die Sehnsucht nach seinen Liebsten in der Heimat, der Frau und den vier Kindern. Der jüngste Sohn ist elf, der älteste 21 Jahre. Kontakt haben sie nur übers Telefon. Um ihn herum stapeln sich Dutzende Koffer und Kleidungsstücke: Jacketts, Hosen, Pullover und Schuhe, allesamt Spenden von Bürgern aus der Umgebung. Zwei Meter weiter sitzen fünf Afrikaner und spielen Karten.

Die Männer lachen viel, doch der Schein trügt. „Es ist nicht leicht hier, denn wir haben nichts zu tun“, sagt Abobaker auf Englisch. Draußen regnet es an diesem Abend, deshalb bleibt er lieber drinnen. In einem 18 Quadratmeter großen Raum, der zwölf Menschen beherbergt. Menschen, die im Ghaddafi-Regime Wanderarbeiter waren und während des Bürgerkrieges in Libyen die Flucht ergriffen. Etwa 300 fanden den Weg über Italien nach Hamburg, lebten dort auf der Straße. Auch die zwölf Afrikaner, die nach Stormarn kamen und in der Glinder Moscheegemeinde Asyl gefunden haben.

Seit 14 Wochen leben die Männer aus Ghana, Nigeria, Niger, Mali und der Elfenbeinküste auf engstem Raum zusammen. Aber sie sind dankbar, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. „Der vergangene Winter war hart, wir haben auch draußen gelebt. Hier müssen wir jedenfalls nicht frieren und können regelmäßig Mahlzeiten zu uns nehmen“, sagt Abobaker. Wie zehn seiner Mitbewohner hat er einen humanitären Aufenthaltsstatus für die EU, befristet auf drei Monate und ausgestellt in Italien. Dort wollte man die Menschen nicht. Einer der Flüchtlinge ist mit einer Rumänin verheiratet. Er darf hier bleiben und sucht einen Job. Demnächst wird der Mann die Unterkunft verlassen. Was aus seinen Kollegen wird, ist ungewiss. Für die Afrikaner steht fest: Sie möchten in Deutschland sesshaft werden, hier arbeiten und sich integrieren. Jetzt hat sich Burkhard Peters, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen aus Hornbek, der Sache angenommen. Der 60 Jahre alte Jurist hat bei der Ausländerbehörde des Kreises in Bad Oldesloe einen Antrag auf befristete Aufenthaltserlaubnis hilfsweise einer Duldung gestellt.

„Ein Zurück nach Italien kann es für die Menschen nicht geben. Dort werden sie in ein völliges Elend gestoßen“, sagt Peters. Seine Mandanten hätten bereits in Italien ein Asylverfahren durchlaufen, deshalb sei die Bundesrepublik nicht zu einem weiteren verpflichtet. Über die Arbeit der Behörden in Italien sagt der Anwalt: „Dort wurde alles im Schnellverfahren erledigt, und genau nachzuvollziehen sind die Beschlüsse auch nicht. Herausgekommen ist jedenfalls der humanitäre Aufenthaltsstatus.“ Peters’ langfristiges Ziel ist es nun, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu erreichen. Die bekämen die Afrikaner aber frühestens nach sechs Jahren. Der Jurist sagt: „Vorerst verlängert die Ausländerbehörde eine befristete Aufenthaltserlaubnis immer um ein Jahr.“

In erster Linie sei es jetzt wichtig, dass sich die Flüchtlinge stabilisierten. Peters: „Mit einer Erteilung des Bleiberechts wäre den Menschen erst einmal geholfen.“ Dann könnten sie sich auch einen Job suchen. Und das wollen sie alle. Abobaker hat in Libyen Kühlschränke repariert. „Ich würde gern wieder in diesem Bereich tätig sein. So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Ich muss das Gefühl haben, gebraucht zu werden“, sagt er. Mustafa Tepe, Finanzvorstand der Moscheegemeinde, teilt diese Meinung. Er hat große Sorge: „Wenn die Menschen keine Perspektive sehen, habe ich Angst, dass sie durchdrehen.“ Tepe bescheinigt seinen Gästen absoluten Integrationswillen. „Sie haben zuletzt im Garten und beim Malern geholfen, das hat ihnen richtig Spaß gemacht.“ Wie sehr, zeigt Zobier Abobakers Gesichtsausdruck, wenn er begeistert davon erzählt, wie er die Wand mit weißer Farbe versehen hat. „Das war lustig“, sagt er – und seine Augen strahlen dabei, als hätte er für einen Moment alle Probleme vergessen.

Doch vergessen können die Flüchtlinge nicht, dafür haben sie in der Vergangenheit zu viel mitgemacht. Fodf Diakite, 23, aus Mali gelingt es noch am besten, seinen Gemütszustand zu verbergen. „Hallo, wie geht es?“, sagt er in perfektem Deutsch. Sein Händedruck ist fest und warm, die Stimme freundlich. Diakite, der vor seiner Flucht nach Deutschland in der Landwirtschaft gearbeitet hat, versteht einiges, nein, sehr viel sogar. Nur mit dem Reden hapere es noch, gesteht er. Für einen, der erst seit zwei Wochen eine fremde Sprache lernt, ist er jedoch schon ziemlich weit vorangekommen.

Möglich gemacht hat das eine Lehrerin aus Schwarzenbek, die zweimal pro Woche Deutsch unterrichtet. Sie verlangt nur eine Erstattung der Fahrtkosten. Die 20 Euro zahlt die Glinder Moscheegemeinde. An Helfern mangelt es laut Tepe nicht: „Das Glinder Bündnis gegen Rechts und auch die Glinder Tafel sind sehr engagiert.“ Das gilt auch für Verena Tunn, 47, aus Reinbek. Die Erzieherin besucht die Afrikaner jeden Tag, wird von ihnen liebevoll „Mama Afrika“ genannt. Zuletzt hat sie den Flüchtlingen Paten zugeteilt. Sie sagt: „Diese laden die Afrikaner nach Hause ein und backen zum Beispiel.“

Die Entscheidung über das Schicksal der Flüchtlinge liegt jetzt in den Händen der Ausländerbehörde in Bad Oldesloe. Auch wenn der humanitäre Aufenthaltsstatus seit Kurzem abgelaufen ist, verspricht Anja Kühl, Fachbereichsleiterin beim Kreis Stormarn: „Erst einmal passiert den Menschen nichts.“ Sie seien aufgefordert worden, beim Einwohnermeldeamt in Glinde vorstellig zu werden. Liegen der Behörde die kompletten Unterlagen vor, dauert es laut Kühl eine Woche, bis eine Entscheidung gefällt ist.