Stefanie Krickhahn ist eineiiger Zwilling und hat selbst eineiige Zwillinge. Ein statistisch äußerst seltener Fall

Ahrensburg . Stefanie Krickhahn ist eineiiger Zwilling. Mit ihrer Schwester Kerstin verbindet sie sehr viel: Die beiden haben das gleiche Aussehen und das gleiche Erbgut, seit 37 Jahren. Von Geburt an sind sie unzertrennlich, teilen sich ein Zimmer, gehen in dieselbe Klasse, ziehen später in dasselbe Mehrfamilienhaus, kriegen fast zur selben Zeit das erste Kind. Stefanie bringt Tochter Charlotte, Kerstin Sohn Sebastian zur Welt. Beide Kinder sind heute fünf Jahre alt. Vor 17 Monaten wird Stefanie Krickhahn zum zweiten und gleichzeitig auch zum dritten Mal Mutter. Sie bekommt die eineiigen Zwillinge Jonas und Alexander und sorgt damit für ein kleines familiäres, aber auch statistisches Wunder.

Die Wahrscheinlichkeit einer Zwillingsgeburt liegt bei eins zu 80

Es ist ein äußerst seltener Fall, dass ein eineiiger Zwilling wieder Zwillinge als Nachwuchs hat. Dass die Kinder dann auch noch eineiig sind, kommt so gut wie nie vor, sagt Dr. Johannes Matthaei. Der Arzt, der am Universitätsklinikum Göttingen eine Zwillingsstudie betreut, erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Zwillingsgeburt in Deutschland bei eins zu 80 liegt. Das heißt, dass gerade einmal jede 80. Geburt eine Zwillingsgeburt ist. Dabei hält es sich ungefähr die Waage, ob es sich bei den Kindern um eineiige oder zweieiige Zwillinge handelt.

Viele Menschen glauben, dass Zwillings-Schwangerschaften immer eine Generation überspringen. Laut Johannes Matthaei ist das aber weder belegt noch widerlegt und kann demnach nicht als Fakt gewertet werden. Eine höhere Chance auf eine Zwillingsgeburt bestehe allerdings schon, wenn in der Familie bereits mehrfach Zwillinge geboren wurden.

Bei Stefanie Krickhahn und ihrer Schwester Kerstin trifft nichts von alledem zu. Sie waren die ersten Zwillinge in der Familie. Obwohl die Wahrscheinlichkeit nur bei eins zu 80 lag, wie bei jeder anderen Mutter, hat Stefanie wieder Zwillinge bekommen. „Manche Leute gucken mich immer ganz ungläubig an, wenn ich mit meiner Schwester und meinen Kindern unterwegs bin. Eigentlich finde ich das lustig, aber manche sind dann immer so belehrend und versuchen, einem sämtliche Zwillingsweisheiten aufzuschwatzen“, sagt Stefanie Krickhahn. Das sei dann schon „etwas anstrengend“. „Einmal war es sogar fast ein bisschen respektlos, als eine Frau auf mich zukam und mich gefragt hat, ob meine beiden Jungs das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung seien“, berichtet die 37-Jährige.

Zwillinge lernen von frühester Kindheit an, Dinge zu teilen

Für die gelernte Apothekerin und ihren Mann Lutz, 43, sind ihre Söhne Jonas und Alexander etwas ganz Besonderes. Gewünscht hatte sich das Paar eigentlich immer zwei Kinder. Mit einer Zwillingsgeburt hatten sie nach der Geburt von Tochter Charlotte nicht gerechnet. „Meine erste Reaktion war: Oh je, wo sollen die Kleinen bloß wohnen?“, erinnert sich Stefanie Krickhahn. „Auch meine Mutter war ganz zu Anfang ein wenig geschockt, weil sie aus eigener Erfahrung wusste, was künftig an Stress, Arbeit und Belastung auf mich zukommt. Doch nach einer ersten Verdauungsphase haben alle direkt gesagt, dass sie mit anfassen. Das hat uns ein sicheres Gefühl gegeben“, so die dreifache Mutter. Beschwert hat sie sich über das doppelte Familienglück nie. „So anstrengend es auch sein kann, man kann sich auch immer doppelt freuen bei so viel Glück im Zweierpack.“

Genau wie Stefanie Krickhahn und ihre Schwester haben auch Jonas und Alexander schon jetzt ein sehr inniges Verhältnis zueinander. „Natürlich ist das noch nicht ganz so ausgeprägt mit 17 Monaten. Aber sie vermissen einander schon, wenn sie wegen eines Arztbesuches oder eines Ausfluges kurz voneinander getrennt sind“, sagt die 37-Jährige. Das Sozialverhalten sei bei Zwillingen viel ausgeprägter als bei anderen Kindern.

„Die Jungs müssen die Mama halt immer teilen. Es gibt Situationen, in denen ich beispielsweise nur einen auf dem Arm halten kann. Das andere Kind zerrt dann am Bein und weint. Auf der anderen Seite helfen sich Jonas und Alexander schon gegenseitig, geben sich Schnullis ab und sind füreinander da. Das lernen andere erst in der Kita“, erzählt Stefanie Krickhahn.

Für sie ist ihr Zwilling auch heute noch immer die erste Ansprechpartnerin und beste Freundin, wenn es beispielsweise um Ängste, Nöte oder Ärger geht. Selbst die Ehepartner oder die eigene Mutter seien durch die starke Verbundenheit der Schwestern manchmal ein wenig außen vor.

Aus eigener Erfahrung weiß die passionierte Handballerin aber auch, dass diese Nähe gerade beim Heranwachsen manchmal viel Toleranz und Geduld erfordern kann. Obwohl zwischen ihr und ihrer Schwester Eifersucht nie eine wirklich große Rolle gespielt habe, sei es dennoch hin und wieder schwer für die Frauen, sich sowohl in der Familie als auch im Freundeskreis als einzelne Person zu positionieren. „Wir waren halt immer die Mädchen. Insbesondere während der Pubertät hat das schon genervt, dass wir nur im Doppelpack wahrgenommen wurden“, gibt die Dreifachmutter zu.

Bei ihren Kindern will Stefanie Krickhahn versuchen, den Individualismus mehr zu fördern. Und sie will darauf achten, dass ihre Tochter Charlotte bei der ganzen Aufmerksamkeit für die Zwillinge nicht zu kurz kommt. Ihr Mann Lutz jedenfalls kann sich über das Zwillingsthema bestens mit seinen Arbeitskollegen austauschen. In seiner Abteilung arbeiten vier Kollegen, die auch Väter von Zwillingen sind.