Auto mit vier Menschen überschlägt sich bei Barsbüttel. 22-Jähriger stirbt. Fahrer beteuert, geblendet worden zu sein. Der Fall ist kompliziert, findet nach dreieinhalb Stunden jedoch ein schnelles Ende.

Reinbek. Er wollte seinen beiden Kumpel und der Bekannten einen Freundschaftsdienst erweisen. Wie man es halt so macht. Auch wenn man mitten in der Nacht angerufen wird. Also machte sich Olaf H. (alle Namen geändert) in seinem BMW auf den Weg nach Hamburg-Jenfeld, um Bernd W., Jan U. und Alexandra S. abzuholen. Das Trio hatte auf einer Gartenparty Alkohol getrunken und wollte sicher nach Hause kommen. Das Ziel war Glinde. Doch dort kamen die jungen Leute in den Morgenstunden des 15. Juli 2012 nicht an.

Jetzt, mehr als 13 Monate nach dem Schicksalstag, sitzen sie wieder zusammen - im Reinbeker Amtsgericht. Nur Jan U. fehlt. Er ist tot. Gestorben mit nur 22 Jahren an den Folgen eines Autounfalls. Der Schädel wies schwerste Verletzungen auf, zudem habe der junge Mann eine Einblutung im Hirngewebe erlitten, gibt später ein Arzt zu Protokoll, der die Obduktion leitete. Den Wagen steuerte Olaf H., der nun an der Seite seines Verteidigers Knut Kuntze Platz genommen hat. Von draußen erleuchtet die Sonne den Saal. Die Miene des 24 Jahre alten Schlossers H., der seit drei Monaten ohne Job ist und 700 Euro Arbeitslosengeld I bezieht, ist finster. Die Hände zusammengefaltet, der Blick immer wieder ins Leere schweifend. Der dunkelhaarige Mann ist angeklagt - wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Olaf H. soll zu schnell gefahren sein, behauptet die Staatsanwältin. Alkohol war nicht mit im Spiel. Ein Test ergab 0,0 Promille.

Was an jenem Morgen gegen 2.30 Uhr auf der Kreisstraße 29, der Ortsumgehung von Barsbüttel, kurz hinter der Straße Am Akku genau geschah, darüber spricht der Angeklagte nicht direkt. Angaben zu seiner Person macht Olaf H. zwar, dann schweigt er. Stattdessen liest Verteidiger Kuntze eine Erklärung des Angeklagten vor: Er bedaure den Vorfall und die Folgen, und es sei bis heute eine starke Belastung für ihn. Den Vorwurf, zu schnell gewesen zu sein, weise er zurück. Ein entgegenkommendes Fahrzeug habe ihn geblendet. Das bestätigt auch Alexandra S., 22, die genauso wie Bernd W., 25, als Zeuge geladen ist.

Unstrittig ist, dass Olaf H. in einer Linkskurve die Kontrolle über den Wagen verlor, der BMW von der Fahrbahn geriet, einen Meter tiefer frontal mit einem Sieleinlass kollidierte und sich mehrmals überschlug. Vom Verlassen der Fahrbahn bis zur Endlage des Pkw waren es laut Kfz-Sachverständigen 68 Meter. "Es gibt jedoch keine Spur auf der Fahrbahn, die zeigt, wo das Lenkmanöver begonnen hat und aus welchen Grund", sagt der Experte. Daher könne er auch nicht exakt rekonstruieren, wie schnell Olaf H. gewesen sei. Nur so viel: Es müssten zwischen 100 und 120 km/h gewesen sein.

Unklarheit im Saal herrscht auch wegen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Amtsrichterin Friederike Kaehler spricht von 70 Stundenkilometern. Verteidiger Kuntze schüttelt den Kopf. Er sagt, dass an dem Punkt, wo der Wagen ausscherte, Tempo 100 gilt. Zu klären ist das heute nicht - und für den Unfall offenbar auch nicht entscheidend. Auch bei 70 km/h wäre der Unfall laut Kfz-Gutachter nicht abwendbar gewesen. Alexandra S. und Bernd W. hätten vom Aufprall nichts mitbekommen, betonen beide unisono. Sie erlitten schwere Verletzungen. Die junge Frau brach sich das Sprunggelenk, demnächst wird ihr eine Schraube entfernt. Bernd W., derzeit arbeitslos, trug eine Rippen- sowie Jochbeinfraktur davon, zudem war sein Becken angebrochen. Einen Strafantrag wollen sie aber nicht stellen. Immer wieder suchen die beiden den Blickkontakt zum Angeklagten.

Der Fall ist kompliziert, findet nach dreieinhalb Stunden jedoch ein schnelles Ende, als Kuntze der Staatsanwältin einen Vorschlag macht. Die überlegt kurz, willigt dann aber ein. Richterin Kaehler stellt das Verfahren gegen Auflagen ein: Olaf H. muss in den kommenden sechs Monaten 900 Euro in sechs Raten zahlen und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. "Ich bin mit dem Urteil zufrieden. Der Verschuldungsgrad ist zu gering, um meinen Mandanten härter zu bestrafen", sagt der Verteidiger. Draußen, vor der Tür, ist Olaf H. die Erleichterung anzumerken. Dankbar ergreift er den Arm seines Verteidigers. Die Last, in einen Unfall mit Todesfolge verwickelt gewesen zu sein, kann ihn jedoch keiner nehmen.