Eltern verbringen zu wenig Zeit mit ihren Kindern, sagt der Regisseur Robert Kowalewski. Er drehte einen Kurzfilm, der bald im Hamburger Zeise-Kino gezeigt wird, an vielen Orten in Stormarn. Und vielleicht kommt das Werk schon bald ins Fernsehen

Reinbek. Marvin sitzt mit seinen Freunden Tom, Einstein, Marie und Nick auf dem Boden im Wohnzimmer. Sie spielen Videospiele. Im Hintergrund läuft Marvins Vater hektisch hin und her, telefoniert. "Es ist eine typische Alltagsszene", sagt Petra Reinhold. "Die Kinder spielen allein, die Eltern haben mal wieder keine Zeit." Die Szene stammt aber nicht aus ihrem Wohnzimmer, sie ist der Einstieg in den Film "Das Geheimnis von Golombi".

Im Zeitraffer ziehen dann Luxusuhren, Autos, teurer Schmuck am Auge des Zuschauers vorbei. "Alles Dinge, die materiellen Wert haben und heutzutage immer wichtiger werden", sagt Reinhold. "Dabei ist die Hauptsache, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Das ist das Wertvollste im Leben und für die Kinder unersetzlich."

Regisseur und Drehbuchautor des Films ist Robert Kowalewski, er spielt auch selbst mit. Die Kinder von Petra Reinhold, Sandra Schulz, Swetlana Klassen und Yvonne Krause nahmen Schauspielunterricht bei ihm. Kowalewski: "Irgendwann waren wir an dem Punkt angelangt, an dem ich dachte: Jetzt können wir mehr machen. Ich stellte die entscheidende Frage: Wollt ihr Theater spielen oder vor die Kamera?" Die Antwort war sowohl eindeutig als auch einstimmig: Einen Film wollten die jungen Schauspieler drehen.

"Das Fundament für die Geschichte liegt nicht bei den Familien der Kinder, den Inhalt fand ich bei meiner eigenen Familie", sagt Kowalewski. Sein jüngerer Bruder habe den Großteil seiner Freizeit mit Computerspielen verbracht. "Nach drei Jahren fuhren meine Eltern mit ihm in den Urlaub. Dort stellten sie fest: Wir kennen unseren Sohn nicht mehr. Wenn sie sich mehr Zeit für ihn genommen hätten, dann wäre seine Abhängigkeit von diesen Spielen gar nicht erst entstanden." Die Geschichte weiterzuspinnen, sei für ihn dann nicht mehr schwer gewesen.

Entstanden ist eine Mischung aus realem Leben und einer Fantasiewelt: Golombi. "Ich wollte verschiedene Charaktere haben: Den Spaßvogel, den Anführer, das liebe Mädchen." Die Kinder haben im Film ihre eigenen Namen: Marvin, Tom, Nick, Marie - nur Einstein heißt eigentlich auch Tom, aber den Namen wollte Kowalewski nicht doppelt verwenden. Im Film entdecken die Freunde einen Brief von Prinzessin Noa aus Golombi, die sie um Hilfe bittet. Die Kinder reisen in deren Welt und kämpfen mit anderen um die Freilassung der Prinzessin. Zur Belohnung dürfen sie sich etwas wünschen: Alle wollen nach Hause. Nur Marvin nicht, der will in Golombi und bei Prinz Aturius bleiben. Da zeigt Aturius Marvin sein wahres Gesicht: Es ist Daniel Nowak, Marvins Vater. Auch die anderen Figuren lassen die Masken fallen: Es sind ebenfalls die Eltern der Kinder. Sie waren es, die ihre Kinder in die Fantasiewelt gesendet haben, um gemeinsam in die kindliche Welt einzutauchen und einfach Zeit mit ihnen zu verbringen.

Robert Kowaleski sagt: "Viele Bekannte haben zu mir gesagt: 'Mit den Muttis fährst du mit 180 gegen die Wand'. Aber wir haben sogar die Geschwindigkeit noch beschleunigt - und sind erfolgreich im Ziel angekommen." Gemeinsam starteten die Eltern und Kowalewski die Suche nach Sponsoren, um die Low-Budget-Produktion zu finanzieren. "Die Eltern haben den ersten Part der Sponsorensuche übernommen. Sie haben Unternehmen angeschrieben, kleine Supermärkte, Banken, es waren Hunderte von Briefen. Ich habe mich dann im zweiten Part darum gekümmert, Schauspieler, Techniker und Kameraleute mit ins Boot zu bekommen." Es sei den meisten aber nicht schwer gefallen, zuzusagen. "Viele erkannten die Situation wieder, haben entweder selbst zu wenig Zeit für ihre Kinder oder sie hatten früher am eigenen Leib erfahren, wie sich die Kinder im Film fühlen", sagt Kowalewski.

"Viele haben das Skript gelesen und uns unaufgefordert unterstützt. Das ist alles andere als normal, wenn man einen Kurzfilm drehen will." Als Kameramann stellte sich Jan Schuberts zur Verfügung, dazu kamen 180 Statisten, darunter 16 Reinbeker, und Helfer sowie ein Team von 60 Regie- und Kameraassistenten, Beleuchtern, Technikern, Masken- und Kostümbildnern, Ausstattern und Profischauspielern. Sie alle waren an den elf Drehtagen dabei - ohne einen Cent Gage zu verdienen.

"Die Muttis", wie sie am Set genannt wurden, übernahmen das Catering. Petra Reinhold: "Robert sagte zu uns: Wenn da so viele Leute kommen und kein Geld verlangen für ihren Einsatz, dann muss die Verpflegung stimmen." Es sei manchmal ganz schöner Stress, für so viele Leute zu kochen, sagt Yvonne Krause. "Aber die Unterstützung, vor allem von den lokalen Unternehmen, war toll. 45 waren es. Bei einem kleinen Supermarkt zeigten wir irgendwann nur noch unserer Einkaufslisten vor und haben bekommen, was immer wir brauchten. Diese Unterstützung von allen Seiten hat uns geholfen, weiterzumachen und nicht aufzugeben." Die Firma Cinegate stellte Kameratechnik im Wert von 300.000 Euro zur Verfügung. "Ungefähr 80 Prozent aller Kosten haben Sponsoren übernommen", sagt Kowalewski. Was sonst noch anfiel, Versicherungen, Transportkosten, zu bezahlende Schäden, habe er aus eigener Tasche gezahlt.

"Nicht nur in der Geschichte verbringen die Kinder Zeit mit ihren Eltern - das war auch beim Dreh so. Es waren lange, anstrengende Tage, aber sie haben uns einander näher gebracht und wir haben viel erreicht", sagt Petra Reinhold. "Ich glaube, wir haben ein bisschen Filmgeschichte geschrieben. Wir brauchen uns nicht zu verstecken mit dieser Familienproduktion." Das Catering sei sogar besser gewesen als beim Tatort, habe eine Schauspielerin gesagt. "Tja, Hausmannskost ist eben einfach das beste Essen", sagt Yvonne Krause. Die Produktion sei auch ein Anstoß an die Politik: Weil Väter und Mütter so viel arbeiten müssten, bleibe kaum Zeit für den Nachwuchs. "Horts und Kitas können die Eltern nicht ersetzen", sagt Swetlana Klassen. "Gerade für Väter muss sich viel ändern. Es muss normal sein, dass auch die sich richtig Zeit für ihre Kinder nehmen können."

Zurzeit ist Robert Kowalewski mit dem Schneiden des Filmmaterials beschäftigt. "Ich denke, im Dezember können wir die Premiere feiern", sagt er. Ein Ort dafür ist auch schon gefunden: das Zeise-Kino in Hamburg. "Aber das ist noch nicht das Ende der Reise. Ein Fernsehsender hat schon Interesse angemeldet, aus dem Drehbuch einen 90-Minuten-Film zu machen. Dann trommele ich alle wieder zusammen - und dann bekommt jeder auch die Bezahlung, auf die er bisher verzichtet hat für Golombi."

Petra Reinhold sagt, sie selber und vor allem die Kinder hätten riesigen Spaß gehabt bei den Drehtagen und unglaublich viel Neues gelernt. "Nach dem letzten Drehtag trafen wir uns hier im Garten. Und raten Sie mal, was die Kinder spielten: Filmdreh."