Bank-Geheimnisse: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Die neue Rektorin der Sachsenwaldschule.

Reinbek. Jammern ist ihre Sache nicht. Dafür hat Helga Scheller-Schiewek schon zu viele schwierige Wege in ihrem Leben beschritten. Wege, die mit Schmerzen behaftet sind. Und solche, die Mut erfordern. Zum Beispiel damals, als junge Referendarin. Man hatte ihr empfohlen, sich doch einen anderen Beruf zu suchen, zu schlecht waren die Jobaussichten für junge Lehrer vor knapp 30 Jahren. Zum Glück hatte die gebürtige Oldenburgerin an der Universität Hamburg neben Pädagogik und Biologie auch Chemie studiert. Denn ausgerechnet für dieses Fach suchte das Gymnasium Schwarzenbek eine Fachkraft. Ein Kollege war krank geworden, Scheller-Schiewek bekam den Job: befristet auf neun Monate mit 19 Wochenstunden im Angestelltenverhältnis, also alles andere als zukunftssicher.

Heute kann die 56 Jahre alte Pädagogin darüber schmunzeln, wenn sie auf ihrer Lieblingsbank vor dem Reinbeker Schloss mit Blick aufs Wasser sitzt, die Ruhe genießt und die Jahre Revue passieren lässt. Denn sie hat es geschafft. Bis an die Spitze der Sachsenwaldschule. Seit kurzem ist sie die Rektorin von 1300 Schülern. Ihre Augen leuchten, wenn sie vom Amtsantritt erzählt, der symbolischen Kapitänsmütze, die ihr während der Zeremonie überreicht wurde. Und von den neuen Kollegen, die ihr eine mobile Klimaanlage geschenkt haben, damit sie auch immer einen kühlen Kopf behält. Der Weg, den die ehemalige Oberstufenkoordinatorin am Emil-von-Behring Gymnasium in Großhansdorf mit dem Wechsel nach Reinbek eingeschlagen hat, sei auch die Erfüllung eines Traums. Denn diesen weiteren Schritt nach oben auf der Karriereleiter, den hätte sie gern auch früher gemacht, nur konnte sie nicht. Aus Rücksicht auf ihre Kinder.

Schmerzhafter Verlust des Partners wiegt auch noch heute schwer

Man merkt, wie schwer es Scheller-Schiewek fällt, über dieses Thema zu reden. Und eigentlich wolle sie es auch nicht. "Denn ich möchte kein Mitleid", sagt sie. In ihren Augen spiegelt sich Traurigkeit wider. Wenn sie könnte, würde sie diesen Eindruck gewiss zu verhindern wissen. Doch es gelingt ihr nicht. Elf Jahre ist es jetzt her, seit ihr Mann an Krebs verstorben ist. Mitten aus dem Leben gerissen, aus einer intakten Umgebung. Sohn Nikolai war damals elf, Tochter Lara noch ein Baby. Und trotzdem musste es irgendwie weitergehen. Denn zerbrechen wollte Helga Scheller-Schiewek an diesem schmerzhaften Verlust nicht. "Ich habe mir immer wieder gesagt, du schaffst das", sagt die Witwe. Es sei nicht immer einfach gewesen, "aber wir sind trotzdem eine glückliche Familie und reden viel über den Vater. Er ist immer noch sehr präsent", sagt die Schulleiterin, die seit 18 Jahren in Barsbüttel lebt. Inzwischen allein mit ihrer Tochter Lara. Nikolai studiert an der Universität Lübeck Molecular Life Science, vergleichbar mit Bio-Chemie.

Statt Jeans und Pullover ist jetzt Business-Look angesagt

Die Kinder seien durch den frühen Verlust des Vaters sehr selbstständig aufgewachsen. Und sie hätten gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Für Scheller-Schiewek auch ein Grund, weshalb sie sich auf die Stelle in Reinbek bewarb. Ihre Augen beginnen wieder zu funkeln, wie immer, wenn das Thema Schule im Mittelpunkt steht. Dafür lebt sie, das ist ihre Berufung. Man hört es aus jedem ihrer Sätze heraus. "Ich habe schon während meiner Schulzeit als Betreuerin in der Kirche gearbeitet und Jugendarbeit gemacht. Das hat mir so viel Freude bereitet, da wusste ich ziemlich früh: Du willst Lehrerin werden." Bereut habe sie ihren Entschluss noch nie, zu viel Spaß mache ihr der Job.

Die Arbeit in der Klasse möchte sie nach wie vor nicht missen. Sechs Wochenstunden Unterricht sind für eine Rektorin maximal vorgesehen, neun stehen derzeit auf Scheller-Schieweks Plan. Weil sie es so möchte. Der neu eingeschlagene Weg bringt für die Schulleiterin eine Menge Veränderungen mit sich, in jeglicher Hinsicht. Statt Jeans und Pullover ist jetzt Business-Look angesagt: Blazer, ein Hemd sowie die passende Hose, aber auch gerne mal ein Rock. Vor allem aber ist der Job zeitintensiver denn je. "60 Stunden sind es in der Woche", so Scheller-Schwiewek. Ihre Stimme klingt nicht klagend.

"Die Position erfordert eine hohe Präsenz und bedeutet nicht nur Verwaltungsarbeit", betont sie. Zu ihrem Aufgabengebiet zählt auch die Ausbildung von jungen Lehrkräften. So befriedigend der Karrieresprung auch ist, finanziell lohnt sich die Mehrarbeit nicht wirklich. Die Leiterin der Sachsenwaldschule verdient keine zehn Prozent mehr als in Großhansdorf. "Aber wegen des Geldes macht man es ohnehin nicht", sagt die Rektorin, die in ihrer Freizeit beim Stellauer SV Tennis spielt, Kriminalromane liest und Eulen sammelt. Miniaturmodelle wohlgemerkt und Motive, die Becher zieren. Rund 150 besitzt sie. Und der Eingangsbereich ihres Hauses wird von einer Eulenfußmatte geschmückt. Ihre größte Leidenschaft sind aber Reisen in mittelalterliche Städte. Im vergangenen Jahr habe sie sich neu verliebt - in die Unesco-Welterbe-Stadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt. Ein sanierungsbedürftiges Haus, das zum Verkauf steht, hat sie sich dort angeschaut. "Bezahlbar war das nicht", sagt sie.

Ihre Augen funkeln wieder. Es sei nur ein Traum, vielleicht einmal dort zu leben. Später, in neun Jahren, mit dem Eintritt ins Rentenalter. Dass sich Träume verwirklichen lassen, hat Helga Scheller-Schiewek bewiesen. Auch wenn der Weg steinig ist.