Seit die Integrierte Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe auch für Ostholstein zuständig ist, klagen die Mitarbeiter über gestiegene Arbeitsbelastung

Bad Oldesloe. Aller Anfang ist schwer - auch für Lebensretter. Seit der Zusammenlegung der Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst im Februar laufen nicht nur die Notrufe aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg, sondern neuerdings auch die aus Ostholstein gesammelt in Bad Oldesloe auf. Eine Herausforderung mit Startschwierigkeiten für das Team der Integrierten Regionalleitstelle Süd (IRLS).

Fünf Bildschirme flackern vor Heinz-Peter Harms. Jeder ist mit lebenswichtigen Informationen gespickt: die verfügbaren Rettungsfahrzeuge an den unterschiedlichen Standorten, laufende Einsätze, Positionen der Einsatzkräfte auf zwei Landkarten sowie die Maske, in die der 53-Jährige neue Einsätze schreibt. Harms' Augen huschen von links nach rechts über die Monitore, dann rückt er das Kopftelefon zurecht. Auf einem Bildschirm blinkt gerade das rote "Notruf"-Feld.

Der Disponent und seine 24 Kollegen in der IRLS nehmen Notrufe im Minutentakt entgegen, schicken Rettungskräfte zu Einsätzen und koordinieren Krankentransporte. Fast wie früher. Wäre da nicht die Zusammenlegung. "Aus notwendigen, wirtschaftlichen Gründen", sagt Anja Kühl, Leitende Verwaltungsdirektorin beim Kreis Stormarn und zuständig für den Fachbereich. Seitdem umfasst das Einsatzgebiet 3421 Quadratkilometer. Dort leben etwa 620.000 Menschen. Es gibt circa 750 Einsätze am Tag.

Während tagsüber sieben Disponenten das höhere Arbeitspensum bewältigen, macht sich die Mehrarbeit in den Spät- und Nachtschichten bemerkbar. Nachts sind zwei Disponenten für das gesamte Gebiet zuständig.. Wie Harms klagen auch seine Kollegen über die gestiegene Arbeitsbelastung.

Der Notruf, den Heinz-Peter Harms angenommen hat, kommt aus seinem Revier - Tangstedt im Kreis Stormarn. Er lässt die Anruferin erzählen. Kurz darauf hat er Adresse, Symptome und mögliche Ursache der Patienten-Beschwerden (Taubheitsgefühle nach einer Spritze gegen Rückenschmerzen) gefiltert. Als der Anruf beendet ist, ist der Rettungswagen bereits auf dem Weg. Ein überschaubarer Einsatz. Nicht selten erfordert ein Notruf allerdings zehn Folgetelefonate - von der Alarmierung eines der 80 Rettungsfahrzeuge und der verfügbaren Feuerwehren (rund 400) über das Gespräch mit der Polizei bis zum Anfordern der Notfallseelsorger. Das kostet ohnehin knappe Zeit.

Anja Kühl: "Vor der Zusammenlegung gab es ein Gutachten, anhand dessen wir geplant haben, wie viel Personal pro Schicht benötigt wird." Doch es gab einen Haken. Während Stormarn und Herzogtum Lauenburg, die schon seit einigen Jahren kooperieren, auf gesicherte Daten zurückgreifen konnten, musste das Einsatzaufkommen in Ostholstein geschätzt werden.

Es wurde schließlich zu niedrig angesetzt. Ein Fehler, der zu dem Personalmangel führte. Denkbar, dass er auch die Panne bei einer Alarmierung in der Spätschicht am 12. August begünstigt hat. Bei dem Unfall 200 Meter vor der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein starb in Mecklenburg-Vorpommern der Fahrer, 26, eines Opel, nachdem er sein Auto gegen einen Baum gefahren hatte. Sein 24 Jahre alter Beifahrer wurde schwer verletzt.

Mehrere Anrufer meldeten den Unfall bei der IRLS. Offenbar im Stress, hielten die Disponenten keine Rücksprache untereinander und kümmerten sich zu zweit, aber nichts ahnend von den Maßnahmen des Kollegen, um den Fall. Dadurch wurden ihnen im System die beiden nächstgelegenen Rettungskräfte vorgeschlagen und somit für weitere Einsätze blockiert. Bevor die Alarmierung allerdings an die zuständigen Wachen ging, bemerkte ein Kollege das Chaos, der zuvor kurz den Raum verlassen hatte. Im Endeffekt erreichte die Einsatzalarmierung eine dritte Wache - mit einer noch längeren Anfahrtsstrecke zu dem Unfall kurz vor Mustin (Kreis Herzogtum Lauenburg)

"Ein tragischer Fall", sagt Anja Kühl. Trotz des Fehlers bei der Alarmierung seien die Rettungskräfte aber innerhalb von acht Minuten am Unfallort gewesen. Das sind vier Minuten unter der Hilfsfrist; der Zeit, die zwischen Notruf und Eintreffen der Retter vergehen darf. Die alarmierten Rettungskräfte waren aufgrund einer Übung zufällig in der Nähe.

Ein solcher Fehler dürfe sich dennoch nicht wiederholen, sagt Kühl. Der Kreis Stormarn arbeitet an einer Lösung des Problems. Auf seiner Internetseite sucht der Kreis nach zwei zusätzlichen Disponenten für die Leitstelle. Ziel sei es, die Länge bestimmter Schichten zu verkürzen und die dünner besetzten Schichten aufzustocken, sagt Anja Kühl. Die richtige Antwort auf den Notruf der Notruf-Experten.