Der Lette Vestard Shimkus begeistert sein Publikum beim einzigen Reinbeker Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals mit gekonnten Interpretationen großer Komponisten

Reinbek. Die Musik von Peteris Vasks war wie eine Erlösung. Nach dem drängenden Beethoven fielen die Noten wie verträumte Regentropfen. Der Druck war raus, die harte Dynamik abgelöst von meditativen Klängen. Vestard Shimkus saß am Flügel. Und im Festsaal des Reinbeker Schlosses tat sich eine "Weiße Landschaft" auf, wie an einem verhangenen Tag, an dem das Licht nur fahl ins Zimmer scheint.

Die Zuhörer lauschten einem musikalischen Stimmungsbild, das mit stetigen Wiederholungen einen Hauch von Stillstand oder Ewigkeit vermittelte - und das Gefühl, aufgehoben zu sein und zugleich total verloren. Man könnte es Melancholie nennen. Kein besserer Interpret ließ sich denken als Vestard Shimkus, der beim ersten und einzigen Reinbeker Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals in dieser Saison seinen lettischen Landsmann sprechen ließ. Technisch perfekt, mit den richtigen Nuancen und ganz hingegeben. Das Publikum ging mit und war angerührt. Das Festival-Motto "bewegend baltisch" war aufs Schönste umgesetzt.

Schön allein wäre ein bisschen dürftig. Aber dieser Abend war vor allem überraschend. Und das ist ein Gütesiegel. So unbekannt für die meisten das Stück des Letten Peteris Vasks war, so neu klang gleich zu Beginn der sonst vertraute Wagner. Das für Streicher komponierte, schwelgende Siegfried-Idyll, das "Spinnerlied" aus der Oper "Der Fliegenden Holländer und das vielleicht romantischste Werk des Tonmeisters "Isoldes Liebestod" - alles kaum wiederzuerkennen. Das sollte Wagner sein? Nein. Das waren Bearbeitungen für Klavier. Die erste leicht nach Cool Jazz klingende Version stammte von Glenn Gould. Die opulente zweite Fassung mit rollenden Akkorden von Liszt. Und die dritte vom Pianisten selbst, die der von Liszt ähnelte. Auch äußerlich gab es Parallelen: Groß und schlank, mit längeren Haaren, die beim Spiel vor die Augen flogen, markante Gesichtszüge und große Hände - so griff der lettische Pianist wie einst vermutlich Liszt in die Tasten. Mit einem Unterschied: Während der ungarische Komponist und Virtuose die Damen damals mit seinem fast rasenden Spiel zu Ohnmachtsanfällen veranlasste, begann Vestard Shimkus immer erst dann, wenn er die Tasten mit einem Lappen geputzt oder trocken gerieben hatte und entlockte beim ersten Mal aber einer Zuschauerin den Einwurf: "Ist denn keine Hausfrau da?" So ändern sich die Szenen im Konzertsaal.

Wer Wagner im alten Gewand erwarte hatte, wurde enttäuscht. Und für die absoluten Mozart-Fans war die Zugabe ein bisschen zu schnell und vordergründig. Aber die "Weiße Landschaft" von Peteris Vasks war eine Entdeckung. Sie und ein junger Künstler, der obendrein einen selbst komponierten "Black Charleston" hinlegte, machten den Abend zu einem Gewinn.