“In Stormarn lebten Ende vergangenen Jahres 1325 Menschen, die im Rentenalter waren, von der Grundsicherung“, sagt Margot Sinning (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses im Kreistag.

Ahrensburg. Fred H. lächelt nicht. Er hat offenbar auch nichts zu lachen. In seinem sturen Blick und seinem geschlossenen Mund, den er der Kamera von Cynthia Rühmekorf zeigt, mag Zorn erkannt werden. Der 70-Jährige war sein ganzes Arbeitsleben lang als Möbelpacker tätig. Das trug ihm ein chronisches Rückenleiden ein. Vor allem aber: Seine Rente ist so gering, dass er die Miete für seine Wohnung nicht mehr aufbringen konnte. Zurzeit wohnt er deshalb in einer Notunterkunft mit einfachsten Betten aus Stahlrohren.

Zu sehen ist das Foto derzeit im Ahrensburger Peter-Rantzau-Haus (Manfred-Samusch-Straße 9). Neben 22 weiteren der Bonner Grafikerin und Fotografin. Sie zeigen: Altersarmut hat viele Gesichter. Und so lautet denn auch der Titel der Schau, die mit kurzen Grußworten von Ahrensburgs stellvertretender Bürgermeisterin Susanne Philipp-Richter und vom Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Ahrensburg, Jürgen Eckert, eröffnet wurde. Sie ist Teil der Kampagne "Altersarmut bekämpfen - heute die Weichen für morgen stellen!" des Sozialen Bündnisses für Schleswig-Holstein. Es besteht aus der Arbeiterwohlfahrt, dem Bezirk Nord des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und dem Sozialverband Deutschland.

"In Stormarn lebten Ende vergangenen Jahres 1325 Menschen, die im Rentenalter waren, von der Grundsicherung", sagt Margot Sinning (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses im Kreistag. Ende 2011 seien es 1261 gewesen. Sinning: "Es gibt darüber hinaus viele alte Menschen, die nicht wissen, dass ihnen Geld vom Staat zusteht, oder die aus Scham keine Unterstützung beantragen." Altersarmut werde noch weiter zunehmen, meint die gelernte Altenpflegerin weiter, die nun selbst in Rente ist. "Grund dafür sind geringe Löhne und prekäre Beschäftigungen." Diese Menschen könnten nichts mehr in eine private Rentenversicherung zahlen. Hinzu komme die Absenkung des Rentenniveaus.

"Derzeit sind besonders viele Frauen in Altersarmut", berichtet Sinning weiter. Das liege oft daran, dass sie sich in jungen Jahren ihre Rentenanwartschaft hätten auszahlen lassen. "Und als dann ihr Mann starb, sank die Rente deutlich."

Ob auch Agnes H. dazu gehört, von der ebenfalls ein Foto in der Ausstellung zu sehen ist, wird in dem kurzen biografischen Text zur Aufnahme Rühmekorfs nicht mitgeteilt. Wohl aber, dass sich ihre Rente auf 241 Euro monatlich beläuft. Das liegt noch unter dem Hartz-IV-Satz von 374 Euro.

Bundesweit erhielten nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung vergangenes Jahr 48,21 Prozent der Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrentner weniger als die Summe, die Senioren im Schnitt als Grundsicherung im Alter zusteht. Diese Grundsicherung besteht aus dem Hartz-IV-Satz sowie der Zahlung einer "angemessenen" Miete und der Heizkosten.

"In Schleswig-Holstein können rund 16.000 Menschen im Alter von mehr als 65 Jahren nicht von ihrer Rente leben", sagt Uwe Frensel, Verbandssekretär der Awo-Südholstein.

Im kommenden Jahrzehnt werde es bundesweit jeder siebte Rentner sein. "Das ist das Ergebnis einer katastrophal verfehlten Politik, egal welcher Regierung", empört sich Walter Albrecht, Mitglied im DGB-Kreisvorstand Stormarn. Er fordert unter anderem, dass auch Ärzte und Beamte in die Rentenkasse einzahlen. Auch dürfe das Renteneintrittsalter nicht bei 67 Jahren liegen. Albrecht: "Das schafft kein Gleisarbeiter wie ich."

Klaus S. hat es nach 40-jähriger Tätigkeit als Bauarbeiter nicht geschafft, eine Rente zu bekommen, von der er würdevoll leben kann. Ein Foto Rühmekorfs zeigt den 65 Jahre alten Mann, wie er einen Mülleimer nach Flaschen durchforscht, die er in einer Plastiktüte sammelt. So bekommt er drei bis vier Euro pro Tag zusammen.

Informationsabende mit Filmvorführung sind für Montag, 19. August, und Donnerstag, 22. August, im Peter-Rantzau-Haus (Manfred Samusch-Straße 9) geplant. Beginn: jeweils um 18.Uhr