Am Bahnübergang bei Rümpel ist die Schaltelektronik ausgefallen. Bis November wird er per Hand gesichert. Seit Mai müssen die Autofahrer die Verzögerung in Kauf nehmen.

Rümpel. Rrrrrriiiinng. Der schrille Klingelton ruft Rolf Bogatzki an das alte Telefon. Der 56-Jährige geht ein paar Schritte zu einem grauen Kasten, in dem sich das Gerät befindet, nimmt den Hörer ab und meldet sich mit "Achtundzwanzigeins." Denn Rolf Bogatzki ist Bahnübergangsposten an Kilometer 28,153 der Trasse zwischen Hamburg und Lübeck. Der Anruf kommt vom Fahrdienstleiter im vier Kilometer entfernten Stellwerk von Bad Oldesloe. Der hat ihm gemeldet, dass um 8.49 Uhr ein Zug aus der Kreisstadt den Bahnübergang erreicht.

Bogatzki notiert die Daten auf einem Formular. Dann heißt es höchste Eisenbahn für ihn. Sobald die bucklige Asphaltpiste der Kreisstraße 61 zwischen Rümpel und Rolfshagen frei ist, schreitet er zu einem der Andreaskreuze am Bahnübergang, schnappt sich das rot-weiße Flatterband, das dort schlaff auf dem Boden liegt. Er spannt es in Hüfthöhe an den Masten des gegenüberliegenden Warnkreuzes. Auf die gleiche Weise riegelt er den Übergang auf der südlichen Seite ab. "Das muss mindestens zwei Minuten vor Eintreffen des Zuges erledigt sein", sagt Bogatzki. "Und wenn ein Zug aus Bad Oldesloe kommt, muss ich gleich nach dem Anruf loslegen." Denn der Bahnhof der Kreisstadt ist nur rund vier Kilometer entfernt. Die Züge aus Richtung Hamburg werden ihm vom Fahrdienstleiter in Bargteheide gemeldet, dessen Bahnhof ein bisschen weiter weg liegt.

Aus Richtung Rolfshagen rast plötzlich ein gelber BMW heran. Glücklicherweise bemerkt der Fahrer den Bahnübergang noch und stoppt abrupt. Bogatzki schüttelt den Kopf. "Die meisten Unfälle an Bahnübergängen passieren, weil die Fahrer unvorsichtig sind." Bald haben sich Autoschlangen vor den Flatterbändern gebildet. Schon ist das Singen des Zuges zu hören - ein lauter werdendes Summen in den Schienensträngen. Sobald die Lok in Sichtweite ist, hebt Bogatzki, der nun zwischen Flatterband und Gleisen steht, die rechte Hand zum Zeichen, dass der Bahnübergang gesichert ist. Mit 120 Kilometern pro Stunde donnert der Regionalzug vorbei. Bogatzki hängt die Flatterbänder ab und streicht die Notiz im Vordruck durch, der Vorgang wurde erledigt. Gleich darauf klingelt das alte graue Telefon abermals.

"Natürlich dauert die Absperrung per Hand länger als bei elektronischen Schranken", sagt Bogatzki. Schon weil mit den zwei Minuten Vorlaufzeit, die eine Art Sicherheitspuffer sind, der menschliche Faktor berücksichtigt wird - sprich eine Zeit, in der mögliche Fehler erkannt und noch behoben werden können.

Seit Mai müssen die Autofahrer die Verzögerung in Kauf nehmen. Grund: Ein Batteriedefekt zerstörte die Anlage im Schalthaus. Im November steht laut Sabine Brunkhorst, Sprecherin der Deutschen Bahn, die neue Elektronik parat, die die Schranken automatisch öffnet und schließt. "So etwas bekommt man nicht von der Stange, das ist eine Maßanfertigung", sagt Brunkhorst. Zudem sollen bis dahin auch die Signallichter sowie die Antriebe der Schranken erneuert werden.

Neben Bogatzki werden derzeit noch zwei Wärter rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb eingesetzt. Der 56-Jährige beginnt seinen Dienst um 5.30 Uhr. Da hat er schon eine Stunde Fahrt hinter sich, denn er kommt mit dem Auto aus Wasbek bei Neumünster. Nach einer Übergabe schließt und öffnet er den Übergang von 6 Uhr an. Acht Stunden später kommt die Ablösung. In der Zeit passieren rund 60 Züge den Posten. Pro Tag sind es bis zu 200. "Man muss sehr konzentriert bleiben, und zwar durchgängig", sagt Bogatzki. Bei seinem liebsten Arbeitswetter - etwas mehr als 20 Grad Außentemperatur, leicht bedeckter Himmel - kein großes Problem. Wohl aber, wenn es, wie in den vergangenen Wochen, heiß wird und er die dicke, leuchtfarbene Sicherheitskleidung nicht ablegen darf. Zudem: Eine Mittagspause gibt es nicht. "Dafür fahren hier die Züge zu oft." So isst er mitgebrachte belegte Brote oft im Stehen. Nicht einmal für die Notdurft, die er auf einem extra seinetwegen aufgestellten Dixi-Klo verrichtet, bleibt viel Zeit. Bogatzki: "Und wenn dann das Telefon klingelt, muss ich abbrechen."

Zum Schutz gegen Regenwetter liegt ein Cape bereit. Aber was, wenn es gewittert? "Die Oberleitung fungiert dann als Blitzableiter", weiß Bogatzki aus Erfahrung. Und wenn er einen Kollaps erleidet? "Wenn die Fahrdienstleiter mich nach drei Versuchen nicht erreicht haben, wird der Zugführer verständigt." Der müsse dann langsam an den Übergang heranfahren, dort anhalten und sehen, dass kein Auto quere. "Wenn den Autofahrern deutlich ist, dass ein vorfahrtsberechtigter Zug dort passiert, fährt er langsam weiter", sagt Rolf Bogatzki.

Wieder klingelt schrill das Telefon. Diesmal dauert es länger. Gleich für vier Züge wird der Übergang gesperrt. Gut zehn Minuten müssen die Autofahrer jetzt warten. "Das ist unmöglich", empört sich Peter Deike. Der 64-Jährige aus dem nahen Rolfshagen berichtet, er quere jeden Tag drei bis viermal die Bahntrasse. "Das ist schon sehr lästig." Auch Peter Behnke, der als Fahrer für ein Pflegeheim in Rümpel arbeitet, empfindet die Verzögerungen am Übergang als "furchtbar". Anke Hagen, die es eilig hat, zu ihrer Arbeitsstelle im nahen Sattenfelde zu kommen, "nervt" der lange Stopp. Hermann Kleinegesse hingegen regt sich darüber nicht auf: "Mir tun nur die Jungs leid, die das machen müssen, vor allem wenn es heiß ist." Den Tremsbütteler stört aber sehr wohl, dass es viele solcher Behinderungen und Verzögerungen in diesem Gebiet gibt. "Jetzt haben die beispielsweise auch den Abzweig nach Lasbek hier gesperrt." Und was stört Rolf Bogatzki? "Solche unachtsamen Autofahrer wie der vorhin im BMW." Dann ertönt schon wieder ein Rrrrrriiiinng.