Sogar Albert Darboven kam zur Feier von Artur Otten. Reisen ist die Leidenschaft des Jubilars

Ahrensburg. Sorgsam gestapelte Pappschachteln mit Tellern, Tassen und Besteck sowie leere Saft- und Bierflaschen in ihren Kisten stehen noch vor der Haustür von Artur Otten. Sie zeugen von seiner Geburtstagsfeier: 100 Jahre alt wurde er am vergangenen Sonntag. "Ja, das war eine große Sache", sagt Otten und nickt leicht mit dem Kopf. Der Haarkranz hat den gleichen Silberschimmer wie die Brauen, unter denen hellblaue Augen wach hervorblitzen. "Ein Shanty-Chor hat gesungen, 15 Mann. Dann kam noch einer von der Stadt und hat mir gratuliert, und natürlich Freunde, die Familie." Auch sein ehemaliger Chef war da. 50 Jahre war Otten als Betriebsleiter bei der Kaffeerösterei J.J.Darboven angestellt. Albert Darboven kam persönlich nach Ahrensburg. "Der war ja nie nur Chef, sondern auch sein Freund", sagt Angela Wächter, 73. Ottens Tochter sitzt im Sessel neben ihrem Vater. Sie sieht ihn oft von der Seite an und hilft manchmal bei Antworten aus. Aber die Erinnerungen ihres Vaters sind noch sehr lebendig, der Geist wach.

Mit 16 Jahren begann er seine Lehre bei Darboven, mit 21 wurde er angestellt. Dann kam der Krieg dazwischen. "Vor Moskau hat mich eine Granate getroffen", sagt Otten. Da war er schon zweieinhalb Jahre Soldat. "Die wollten mir den Fuß und den Unterschenkel abnehmen, aber ich habe mich geweigert." Angela Wächter blickt ihren Vater an. "Ja, da hast du dich auch durchgesetzt", sagt sie. Artur Otten hat zwei Kinder, Aribert und Angela. Seine Frau Melitta arbeitete ebenfalls bei der Kaffeerösterei, als erste Sekretärin. "Milli war die einzige, die Darboven in der Firma je geduzt hat", erinnert sich Artur Otten. 37 Jahre waren die beiden verheiratet.

Hobbys? "Nee, ich habe gearbeitet", sagt Otten. "Gab ja als Betriebsleiter immer was zu tun." Ein Arbeitsmensch sei er gewesen, sagt seine Tochter. 50 Jahre lang blieb er bei Darboven, erst mit 72 ging Otten in Rente.

Er scheint es auf die runden Zahlen abgesehen zu haben: 100 Lebensjahre, 50 Jahre im Betrieb - und 30 Kreuzfahrten, die in dicken, ledernen Fotoalben festgehalten sind. Die erste Fahrt ging mit der Firma nach Japan. "Ein Jahr nach dem anderen lief das dann immer so weiter", sagt Otten. Nicht nur mit der Firma, auch mit der Familie stach er in See. "Manchmal auch zweimal im Jahr. Und immer an verschiedene Orte." Er kenne die ganze Welt, sagt Angela Wächter. "Nur die Antarktis noch nicht", sagt ihr Vater. Die würde er auch gerne noch sehen, so zum Jubiläum. Aber Rügen sei auch schön, da fahre er in zwei Wochen mit seiner Tochter hin.

Auf dem Holztischchen vor Ottens Sessel liegen Glückwunschkarten und Briefe, einer von der Stadt und einer vom Bundespräsidenten. "Den hat Joachim Gauck sogar unterschrieben", sagt Otten, deutet auf die tintenblaue Linie und lacht. "Aber mein Enkel Michael hat mal nachgeguckt, wie viele 100-Jährige es zurzeit in Deutschland gibt. 17.000 sind es. Die ganzen Briefe unterzeichnet der Herr gewiss nicht alle selber."