Digitaler Projektor in Bargteheide angekommen. Zur Premiere kommt Claudia Roth.

Bargteheide. Sie kamen mit einem Tag Verspätung, zwei dicke Pakete für das Bargteheider Cinema Paradiso. Ein Lastwagen aus München von der Firma Kinoton hat die Kartons geliefert - jeder rund 130 Kilogramm schwer und sehnsüchtig erwartet. Per Radlader wurde die Spezialfracht auf das Dach des Kleinen Theaters gehievt, um sie von dort in den Vorführraum bugsieren zu können. Kinochef Hans-Peter Jansen stand oben und nahm die Lieferung in Empfang: den Digitalprojektor mit dem unspektakulären Namen DCP 30 SX 2, der im Bargteheider Kino eine neue Ära einläutet.

Für die Neuanschaffung war sogar eine Art roter Teppich ausgelegt worden. In diesem Fall war das eine extra gebaute Rampe, um das 73.000 Euro teure Gerät ohne Erschütterung und unbeschadet an seine Wirkungsstätte zu befördern. Während die Männer vom Bauhof, Kräfte der Bargteheider Haus- und Montageservice-Firma E. Schumacher und der Bauleiter Bernd Wohlfahrt von der städtischen Gebäudewirtschaft anpackten und um die kostbaren Kartons herumliefen, stand der Kinochef am Rand und sah sich das Schauspiel in Seelenruhe an. Ganz so gelassen, wie es schien, war er aber nicht. Bevor der ausrangierte Projektor herausgekarrt worden war, hatte Jansen ihn in einer spontanen Geste umarmt. Vor Freude? "Aus Abschiedsschmerz natürlich. Ich habe geweint", sagte Jansen übermütig und lachte. "Nein. Blödsinn. Ich habe mich von dem Alten längst verabschiedet. Die Zeit ist nicht rückholbar."

Eine schwere Last scheint von ihm abgefallen zu sein. Ohne die Digitaltechnik habe Kino keine Zukunft, hatte Jansen immer wiederholt und dabei hoch gepokert. Übernähme die Stadt nicht seinen Anteil der Kosten, schmisse er hin. Es gab Querelen, eine monatelange Hängpartie begann. Es war fast symptomatisch, dass die Anlieferung des neuen Projektors auch nicht glatt über die Bühne ging und der Lkw einen Tag später als angekündigt anrollte. Auch das Finanz-Poker hatte Geduld erfordert. Schließlich lenkte die Stadt ein und gab die Zusage für einen Zuschuss von maximal 50.000 Euro. Da die Filmförderung die andere Hälfte übernimmt, ging die Rechnung für Jansen auf.

Jetzt startet er mit neuem Elan - und mit gar nicht so leichter Kino-Kost. Am 8. August ist die Sommerpause vorbei. Dann ist ab 19 Uhr der Film "Fünf Jahre Leben" zu sehen. Er erzählt die Geschichte von Murat Kurnaz, der fünf Jahre unschuldig im US-Gefängnis Guantánamo saß. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth wird zur Premiere nach Bargteheide kommen, sich den ersten digital vorgeführten Film im Cinema Paradiso anschauen und danach mit den Zuschauern diskutieren. Jansen: "Die Grünen treffen sich hier. Auch der Regisseur kommt. Und die Vorstellung ist öffentlich."

Danach wird der DCP 30 SX 2 den Öko-Thriller "The East" auf die Leinwand projizieren. Dann folgt "La grande belleza", ein Film über Rom und rauschende Feste. Und "Feuchtgebiete" und "Schoßgebete" aus dem Hause von Charlotte Roche hat Jansen auch noch für den Start ins digitale Zeitalter in petto. Jansen: "Die neue Technik bringt eine viel bessere Qualität. Das Bild hat nicht mehr links und rechts dunkle Ränder. Es ist 100-prozentig ausgeleuchtet. Und auch der Ton ist extrem gut." Der Vorteil des digitalen Geräts der mittlerweile zweiten Generation: Er kann umgerüstet werden. Jansen: "Das ist wichtig, weil die Technik sich so schnell entwickelt."

48 Bilder in einer Sekunde, wie sie für den "Hobbit" gebraucht werden, sind für den DCP 30 SX 2 kein Problem. Aber das Vorführen mit dem neuen Gerät will geübt sein. Die Spulen, auf denen 3600 Meter Zelluloid pro Film aufgewickelt wurden, sind passé. Jetzt bekommen die Kino-Mitarbeiter eine Schulung am neuen Gerät. Alles muss vorher zeitlich berechnet und programmiert werden.

Wie lange dauert es, bis das Licht ausgeht und der Vorhang aufgeht? Wann genau kommt die kleine Zwischenpause für das Eis? Wo werden die Werbeblocks dazwischengeschaltet? Kann beim Abspann schon das Licht wieder angehen oder ist bei diesem Film die Musik so wichtig, dass die Zuhörer noch im Dunkeln lauschen wollen? Am Schluss wird auf "Show" gedrückt. Dann läuft alles ab wie am Schnürchen.

Zwei seiner sechs Häuser hat der Bargteheider Kinopächter schon umgestellt. Bis auf eine kleine Sache sei bisher alles bestens gelaufen. Wenn nicht, sähe es allerdings tatsächlich zappenduster aus. Früher habe man mit handwerklichem Geschick sogar am "offenen Herzen" operieren und während der Vorführung etwas richten können. "Heute hilft nur noch telefonieren", sagt Jansen. Die gute alte Zeit hatte eben auch ihre Vorteile.