Ingo Faerber kann seinen Stromzähler nicht ablesen, Rechnungen sind falsch. Das Gerät sollte längst ausgetauscht sein

Ahrensburg. Was lange währt, wird endlich gut - es gilt für so manche Beziehung. Auch soll der eine oder andere mit einem Partner glücklich geworden sein, den er zuerst gar nicht so richtig wollte. Sätze wie diese mögen manchen Trost spenden - nicht aber dem Ahrensburger Ingo Faerber. Denn der Unternehmer lebt schon seit 16 Jahren in einer Zwangs-Verbindung mit einem Stromzähler. Die Kommunikation war und ist schlecht - denn das digitale Display des Gerätes kann Ingo Faerber einfach nicht ablesen. Es zeigt Zahlenkolonnen verschiedenster Art - nur eben nicht eine einzige, eindeutige Zahl, wie analoge Geräte.

Das Resultat waren falsche Rechnungen, Streit und lange Briefwechsel mit den Unternehmen Yello Strom und Schleswig Holstein Netz AG (wir berichteten). Zum März 2012 kündigte Ingo Faerber entnervt seinen Vertrag mit Yello Strom. Ein Jahr später durfte er dann auch auf ein Ende der unheiligen Verbindung mit dem Stromzähler hoffen. Denn nach Anfragen des Abendblattes stellte die Schleswig Holstein Netz AG in Aussicht, das Gerät auszutauschen. Auf die lang erwartete Scheidung wartet Ingo Faerber jedoch noch heute: "Ich habe seitdem nichts mehr von dem Unternehmen gehört. Und der Zähler ist immer noch da."

Schicksalsergeben führt er den Reporter in den Kelleraufgang des Hauses, in dem Ingo Faerbers Galerie liegt. Dort hängt er immer noch und treibt sein schwer durchschaubares Eigenleben: der Stromzähler.

Einst brachte ihn die Schleswag dort an, Ingo Faerbers damaliges Versorgungsunternehmen. Die lieferte die Energie und war für das Netz zuständig, außerdem schickte sie regelmäßig einen Mann vorbei, der das Gerät ablas. Die Liberalisierung des Strommarktes ab 1998 machte die Dinge komplizierter. Aus der Schleswag wurde die E.on Hanse, die gründete wiederum die Schleswig Holstein Netz AG, die jetzt der Netzbetreiber ist und die auch für den Zähler und die Ablesung zuständig ist. Die Stromlieferanten jedoch bauen darauf, dass die Kunden selbst die Zähler ablesen. Zu Zeitpunkten, die die Lieferanten vorgeben. Eine einfache Sache für Menschen, die einen analogen Zähler haben. Eine knifflige Sache für Kunden wie Ingo Faerber.

"Mittlerweile habe ich immerhin eine Gebrauchsanweisung bekommen. Aber viel hilft es nicht", sagt Ingo Faerber. Die Anleitung, die ihm die Schleswig Holstein Netz AG zur Verfügung gestellt hat, ist ein einseitig bedrucktes Blatt Papier, der genaue Titel: "Ableseblatt für 4/6-Tarifzähler mit 1 Energierichtung". Es gibt eine 16-zeilige Tabelle, in der Fachausdrücke wie "Kumulativ Maximum 1" und Wirkarbeit Tarif 2" stehen, auch von "Blindarbeit" ist da die Rede, es gibt dazugehörige Nummerncodes, und die sollen sich auch in Ingo Faerbers Stromzähler wiederfinden.

Faerber findet das durchaus kompliziert - der Reporter kann ihm nur beipflichten. Immerhin, Faerber hat es versucht: "Ich stand schon mehrmals eine ganze Stunde vor dem Zähler", sagt er. Doch vergebens: "Das Gerät zeigt ganz andere Zahlencodes an als die, die in der Tabelle stehen." Auch der Reporter kann sich davon überzeugen.

Resultat: Faerber bekam wieder falsche Rechnungen. Diesmal von den Ahrensburger Stadtwerken, die seit März 2012 den Strom liefern. Eine erste Turnusabrechnung gab es im Januar 2013: demnach sollte Ingo Faerber 1419,77 Euro nachzahlen. Ein Betrag, der ihm viel zu hoch vorkam - er legte Widerspruch ein. Mit Erfolg: im Februar kam eine korrigierte Rechnung. Diesmal hatte Faerber sogar ein Guthaben, in Höhe von 86,21 Euro. Zu Faerbers Überraschung gab es Ende Februar eine weitere Korrektur. Jetzt sollte das Guthaben sogar 641, 15 Euro betragen. Wie kann all das sein?

Marek Wilken, Vertriebsleiter der Stadtwerke, kann es erklären. Demnach beruhte die erste falsche Abrechung auf einem Zählerstand vom 31. Dezember 2012, den die Schleswig Holstein Netz AG an die Stadtwerke übermittelt habe. Der Stand sei "wahrscheinlich geschätzt" gewesen. Für die zweite Abrechnung habe man sich auf Ablesedaten berufen, die Ingo Faerber selbst ermittelt hatte. Bei den Stadtwerken sei aber später aufgefallen, dass der Zählerstand gar nicht vom 31. Dezember 2012, sondern aus dem Februar 2013 stammte. Das Resultat: Rechnung Nummer drei. "Wir haben vom Februar zurückgerechnet, auf Basis der Daten, die uns Herr Faerber eingereicht hat", so Wilken. Die dritte Rechung sei deshalb "relativ genau". Klarheit gebe es aber erst bei der Jahresabrechnung im Dezember.

Immerhin - "relativ genau" müsste demnach auch die Angabe über das Guthaben sein. Ein Grund zur Freude für Ingo Faerber? Mitnichten. "Der errechnete Verbrauch ist diesmal viel zu niedrig", sagt er - dieser weiche extrem von früheren Werten ab. Der ungeliebte Zähler, glaubt Faerber, hat ihm wieder einen Streich gespielt. Er stellt sich deshalb auf eine Korrektur der Korrektur der Korrektur ein.

Laut Julia Buchweitz, Referentin für Energierecht bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, ist diese Vorsicht berechtigt: "Herr Faerber sollte sich auf dem Guthaben nicht ausruhen. Denn das Unternehmen hat drei Jahre lang Recht auf Nachbesserung."

Ein guter Ausweg, so sieht es auch Julia Buchweitz, wäre der Austausch des Zählers. Der Einbau eines analogen Gerätes sei "sicherlich eine gute Möglichkeit, damit der Kunde seine Rechnungen besser nachvollziehen kann."

Dieser wohl einfachste aller Auswege scheint sich nun doch noch aufzutun. Nach erneuter Nachfrage des Abendblattes sichert die Schleswig Holstein Netz AG zu, dass ihr leidgeprüfter Kunde endlich erlöst wird. "Wir haben nicht recherchieren können, wer damals mit Herrn Faerber den Zählerwechsel besprochen hat. Aber wir haben einen Zählerwechsel-Auftrag erteilt", sagt Sprecher Volker Mielisch. Er versichert, dass es diesmal ein "einfach ablesbares Gerät" sein werde.