Schanzenbarg-Zentrum ist beim Wettbewerb “Die schönste Straße Deutschlands“ dabei. Noch ist die Straße in der Entstehung, doch auf ihr tobt bereits das Leben.

Bad Oldesloe. "Welcome Schanze" steht in bunten Lettern an der weißen Wand gleich hinter dem Eingang. Feiner Baustaub liegt auf Stühlen, Tischen und dem Fensterglas. Das Nachbarschaftszentrum am Oldesloer Schanzenbarg befindet sich mitten in der Entstehung - aber darin tobt bereits das Leben.

In der Eingangstür steht Hauke Heesch auf einer Leiter. Sein Handwerksbetrieb hat zwei neue Fenster gestiftet - inklusive kostenlosem Einbau. "Maria Herrmann hat mich angesprochen, ob ich vielleicht etwas zu dem Projekt beisteuern könnte", sagt der große, blonde Mann von der obersten Sprosse seiner Klappleiter hinab. "Da sage ich natürlich nicht Nein. Es ist eine tolle Idee."

Maria Herrmann ist die Initiatorin des Projekts "SchanZe". Der Name mit dem Großbuchstaben im Wort steht für Schanzenbarg-Zentrum. Dort sollen Kontakte geschaffen werden, um das Angebot im Quartier gemeinsam mit Menschen und Institutionen zu verbessern. Herrmann arbeitet bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, aus der die Initiative "Q8 - Quartiere bewegen" hervorging.

Auf den Schanzenbarg wurde die SPD-Kommunalpolitikerin aufmerksam, als sie als stellvertretende Bürgermeisterin einer Bewohnerin zum 90. Geburtstag gratulierte - im dritten Stock eines typischen Häuserblocks. "Die alte Dame hatte gerade eine Hüftoperation hinter sich", erinnert sich Herrmann. "Weil in ihrem Haus kein Fahrstuhl war, konnte sie wochenlang nicht aus ihrer Wohnung heraus."

Das Projekt Q8 hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, dass Menschen in ihrer Wohngegend bleiben können - auch im Alter, auch wenn sie ihr Leben nicht mehr allein organisieren können. So wie die 90-Jährige. Maria Herrmann fragte sich: "Wer kauft für sie ein? Wer bringt ihr am Wochenende mal Brötchen vorbei? Wer holt eine Zeitung?" Solche Fragen will sie über das soziale Netzwerk der Nachbarschaft lösen.

Die Idee findet im Quartier viel Zustimmung: Die Anwohner steuern Anregungen bei, bringen aber auch mal Kaffee und Kuchen mit. "Ich habe schon dreimal Frühstück organisiert", sagt Karen Frobel, die mit ihrem grauen Pudel Quincy regelmäßig vorbeikommt. "Vielleicht gibt es demnächst sogar auch ein Nachmittags-Kaffeekränzchen", sagt Sabine Koch, die sich bei ihrer Freundin eingehakt hat. Beide leben schon seit den 80er-Jahren hier, haben im Viertel ihre Kinder groß gezogen und kennen jede Ecke.

Am Schanzenbarg stehen mehrgeschossige Häuserblocks, gebaut zwischen 1965 und 1975. Laut Projektbroschüre stellte das Integrierte Stadtentwicklungskonzept schon 2009 einen besonderen Entwicklungsbedarf für das Oldesloer Viertel fest. Im Nachbarschaftszentrum können die Anwohner diese Entwicklung selbst bestimmen.

"Niemand weiß so gut wie die Menschen selbst, was tatsächlich gebraucht wird", sagt Maria Herrmann.

Familie Wenzel liefert sich ein Spiel am Tischkicker. Anja und Lukas Wenzel kommen mit ihren beiden Jungs öfter vorbei. "Ich wünsche mir, dass es hier Nachhilfe gibt", sagt Anja Wenzel. Ihr nächster Vorschlag: eine Tauschbörse. "Zum Beispiel für Kinderklamotten. Oder auch Spielzeug. Manchmal muss es gar nichts Neues, sondern einfach mal etwas Anderes sein."

Als sie vom Wettbewerb "Die schönste Straße Deutschlands" hörte, dachte Maria Herrmann sofort an die "SchanZe": "Das lag schon am Slogan." Der lautet: "Das Jahr der guten Nachbarschaft. Hier hilft man sich." Weil ihre Bewerbung unter den ersten 100 war, gab es sofort einen 200-Euro-Einkaufsgutschein. Und falls das Projekt unter die ersten zehn kommt, gibt es ein Preisgeld von 5000 Euro.

Auch von anderer Seite gibt es Geld. In einem Wettbewerb des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung qualifizierte sich das Zentrum als eines von sieben Modellvorhaben in Deutschland für das Forschungsfeld "Unternehmen und Stiftungen für die soziale Quartiersentwicklung". Dafür gab es 53.000 Euro für die Weiterentwicklung.

In einer Ecke kniet Werner Haase und schabt ein Stück alter Tapete von der Wand. "Wenn ich was richtig Sinnvolles machen kann, bin ich natürlich dabei. Dafür will ich kein Geld", sagt der Rentner und stützt mit den Händen seinen Rücken beim Aufstehen. Er schwitzt, aber seine Augen leuchten.

Vor dem großen Glasfenster, in dem Zeitungsartikel und Fotos hängen, stehen Jessica und Nils, zwei Jugendliche, die nur einen Steinwurf entfernt wohnen. "Hier ist einfach immer eine gute Stimmung", sagt Jessica. Eine Frau schiebt einen Kinderwagen vorbei und winkt freundlich. "Das ist auch so eine Sache: Hier wird man immer gegrüßt", sagt die Jugendliche im knallig-orangefarbenen Shirt und winkt lächelnd zurück.