Der Barnitzer Frank Högner bereitet Ausstellungen vor - er ist ehrenamtlicher Kurator. Aber was genau macht er eigentlich? Eine Spurensuche im Künstlerdorf Barnitz.

Barnitz. Wo sonst könnte der Kurator leben, wenn nicht im Künstlerdorf Barnitz. Schließlich ist er wohl so etwas wie ein Ausstellungs-Direktor. Der Weg zu ihm führt über kleine Straßen, auf denen Trecker zum Entschleunigen zwingen. Vorbei an reetgedeckten Häusern, Mohnblumen und an Kornfeldern, über die sich der norddeutsche Sommerhimmel wölbt. Ländliche Idylle. Natur pur. Von Kunst ist nichts zu sehen. Frank Högner öffnet die Tür. "Kommen Sie rein." So sieht also ein Kurator aus. Aber was genau macht der? "Vielleicht die Leute auf Kur schicken", kommt die Antwort. Kurator klingt irgendwie streng. Aber dieser hat Humor.

Die Frage nach der Ausbildung dürfte Klarheit bringen. "Ich bin Erzieher und arbeite als systemischer Pädagoge." Statt Klarheit noch ein Beruf, der erklärt werden muss. "Ich kümmere mich um verhaltensauffällige Kinder, die während der Woche in Wohngruppen leben", sagt Frank Högner. "Und systemisch, weil wir nicht herumdoktern, sondern systematisch rangehen, um den Familien zu helfen." Offenbar muss ein Kurator pädagogisch begabt sein.

Alle in der Familie seien beteiligt, fährt der Barnitzer fort. Nicht einer allein mache alles falsch. Stimmt. "Aber die anderen zu ändern, ist schwierig. Bei sich selbst anzusetzen, bietet größere Chancen." Stimmt auch. Vielleicht muss ein Kurator ja kapriziöse Künstler dazu bringen, sich an die eigene Nase zu fassen oder ratlosen Ausstellungsbesuchern den Weg weisen.

Bevor der Zusammenhang zwischen Pädagogik und Kunst untersucht ist, lässt Frank Högner mit einem Lächeln wissen: "Ich bin auch noch Keramiker." So leicht lässt sich der Kurator also nicht auf die Schliche kommen. "Natürlich. Den Beruf habe ich auch gelernt", kommt die Antwort. "Bei Juscha Schneider-Döring und ihrem Mann Siegfried. Das sind Keramik-Größen in Stormarn." Der Blick nach hinten bestätigt das. Der Barnitzer kann's. Auf dem Küchenbord jede Menge feine Schalen, Becher, Teller: Keramik des Kurators. "Ich habe auch in Kopenhagen, Louisiana und Osaka ausgestellt."

Aber was ist nun mit dem Kurator? Das ist unklarer als je zuvor. Und dann das. "Mit 16 habe ich eine Lehre als Dekorateur gemacht", sagt Frank Högner "Im Modehaus Anny Friede in Lübeck." Wilde Sachen habe er damals in den 68er-Jahren gemacht. "Für meine Abschlussarbeit habe ich ein Schaufenster komplett mit d-c-fix-Folien zugeklebt. Bis auf ein Loch. Durch das konnten die Passanten durchschauen. Das war Pop-Art." Das habe geschockt. "Die Prüfer fanden es okay. Ich glaube, ich habe eine Zwei bekommen."

Mittlerweile sind es also drei Berufe: Erzieher, Keramiker und Dekorateur. Und die Ausgangsfrage ist immer noch nicht geklärt. Jetzt geht es nur noch über den direkten Weg. Wie würden Sie in drei Sätzen erklären, was ein Kurator ist? "Er gibt einer Ausstellung das Gesicht. Die Idee dahinter ist wichtig. Schön allein reicht nicht", sagt Frank Högner. Drei Sätze. Und er liefert noch ein paar dazu. "Man braucht Fachkenntnisse, Kontakt zur Szene, einen Blick für Räume. Und man braucht einen eigenen Blick auf die Exponate, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren. Es geht nicht darum, dass Frank Högner zeigt, was ihm gefällt." Und noch eins: "Man braucht Autorität, um sich durchsetzen zu können."

Langsam zeichnet sich die Kontur des Kurators ab. Es ist vermutlich so: Um 60 Kunsthandwerker unter einen Hut zu bringen, wie für die aktuelle Jahresschau des Berufsverbandes Angewandte Kunst Schleswig-Holstein im Lübecker St. Annen-Museum, dürfte der Barnitzer auf pädagogischen Fähigkeiten zurückgegriffen haben. Als Keramiker kennt er außerdem viele Kollegen und weiß aus eigenem Tun, um was es geht. Und als Dekorateur hat er das Gestalten von Räumen von der Pike auf gelernt. Das passt.

Soweit die Voraussetzungen. Nun zur eigentlichen Arbeit. "Zuerst wird ein Konzept entwickelt", sagt der Barnitzer. Für die Schau in Lübeck ist das Motto "zugehörig" herausgekommen. "Darin steckt der Gedanke der Gemeinsamkeit der Kunsthandwerker. Egal, ob einer frei arbeiten oder klassisch. Eine Teeschale ist genauso viel wert wie eine abstrakte Arbeit."

So einfach ist das aber nicht. Auch hier tut sich eine zweite Ebene auf - genauso wie im St. Annen-Museum. Denn neben den neu gestalteten Ausstellungsräumen unten gibt es im ersten Stock eine Sammlung, die das bürgerliche Lübecker Leben vergangener Zeit beherbergt. Jetzt hat sich das historische Ambiente vorübergehend gewandelt. Durch die Hand des Kurators. Leicht und unaufdringlich. Aber doch mit deutlichen Akzenten, wie ein Blick in das Museum zeigt: Farbkräftige Webkissen liegen auf alten Holzstühlen. Moderne Gläser stehen auf historischen Eichentischen. Zeitgenössischer Schmuck ist vor einer Ahnengalerie ehrbarer Damen aufgebaut. "Das belebt", sagt Frank Högner, "und es zeigt, dass Modernes zu Historischem sehr wohl zugehörig sein kann."

Wo immer sich Neues zu Altem gesellt, machen Hinweistafeln in leuchtendem Pink darauf aufmerksam. Ein Farbton, der unten in den modernen Ausstellungsräumen dominiert, zusammen mit Türkis und einem Rot-Schwarz. "Auch meine Idee", sagt der Barnitzer. Und die Museumsleitung sei darauf eingegangen, wie auf alles andere. "Das war toll. Obwohl die Räume ja erst gerade frisch renoviert wurden. Alles wurde umgestrichen, und auch die Ausstellungspodeste neu lackiert."

Die berühmte Durchsetzungskraft, die ein Kurator braucht: Hier hat sie gewirkt. "Dabei war es die erste Ausstellung nach der Neugestaltung des Museumsquartiers", sagt Frank Högner. "Und das gibt immerhin Einblick in das Lübecker Weltkulturerbe. Da schauen alle hin." Hausherrin Bettina Zöller-Stock sei zunächst skeptisch gewesen. "Sie wusste ja nicht, was kommen würde. Aber sie hat sich darauf eingelassen und war schließlich begeistert."

Der Erfolg ist wunderbar, fällt aber bekanntermaßen nicht in den Schoß. "Im September vergangenen Jahres habe ich schon mit der Vorbereitung angefangen", sagt Frank Högner. Nachdem das Motto feststand, musste er telefonieren. Tagelang. Wochenlang, um all die Kunsthandwerker zusammenzubekommen, die er haben wollte. "Dann folgte die Sichtung der Exponate. Das ist heute viel einfacher als früher." Mindestens zwei Drittel aller Arbeiten konnte er sich vorher auf dem Computer anschauen. "So entstanden die Museumsräume schon im Kopf."

Aber nur mit Köpfchen kann es doch wohl doch nicht gehen. "Beim Aufbau habe ich natürlich mit angepackt", sagt der 61-Jährige. Erzieher, Keramiker, Dekorateur und auch noch Schraubendreher und Möbelrücker. Der Kurator ist ein Tausendsassa. Deswegen ist er auch so schwer zu fassen.

So, das wäre geklärt. Mission erfüllt. Der Kurator will schon Tschüs sagen. Da kommt wie bei Inspektor Columbo noch ein "Ach. Ich habe da noch etwas vergessen." Was denn? " Ich bin auch Musiker. Habe gerade die dritte CD mit Freunden aufgenommen. Ich singe und spiele Gitarre." Jetzt ist Schluss. Nachher ist der Kurator auch noch Arzt und kann heilen. Ab ins Auto und durch die idyllische Stormarner Landschaft zurück.

Heilen? Vielleicht ja doch. Die Natur heilt auch. Der Blick auf die vorbeifliegenden Felder und Bäume tut gut. So wie ein Gang durch eine klar strukturierte Ausstellung das Auge fängt, Gedanken ordnet und Kraft und neue Ideen geben kann. Ob so ein Wunderdoktor der Kunst wohl saftige Rechnungen schreibt? "Was ich koste? Nix. Das mache ich alles ehrenamtlich."