Das zweite Stormarn-Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Bargteheide rankte sich um mythische Texte.

Bargteheide. Der Festival-Express durch das Baltikum ist auf Tour gekommen. Nach der ersten Station in Lettland ging es weiter nach Estland. Genauer gesagt: Nach dem Stormarner Auftakt des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Ahrensburger Marstall mit lettischen Kompositionen konnte das Publikum im Kleinen Theater Bargteheide nun in die estnische Klangwelt eintauchen - und dazu noch Märchenhaftes des baltischen Landes genießen.

Dafür sorgte der Schauspieler Stefan Kurt, der auf der Bühne mit bewusst legerer Geste zuerst sein Jackett ablegte und - wie es sich für einen Geschichtenerzähler gehört - komodig im Ohrensessel Platz nahm. Dann begann er.

Kaum hatte er die 1866 überlieferte Sage über Reval beendet - wie Estlands Hauptstadt Tallin früher hieß -, erklang ein einsamer Flötenton. Dann setzte die Geige ein. Immer im Wechsel übernahmen sie gegenseitig die Melodien und spannen das musikalische Gespräch fort, in das sich schließlich die Gitarre einmischte. Es war wie das Hineintasten in einen Märchenwald, passte perfekt zu der gerade gehörten Geschichte und stimmte auf die nächste ein, die von "Baumling und Borkling" handelt und der Gier eines Reichen, dem am Schluss nur welke Blätter bleiben.

So fein der mehrfache Grimme-Preisträger Stefan Kurt rezitierte und das Publikum in den Bann der von Friedrich Kreutzwald überlieferten estnischen Märchen schlug, so fein musizierten der Flötist Jürgen Franz, der Geiger Rodrigo Reichel und der Gitarrist Heiko Ossig. Jeder war Solist. Jeder war gefordert, 100 Prozent präsent zu sein. Und das Zusammenspiel war angesichts so mancher rhythmischer Raffinessen heikel. "Wir haben natürlich geprobt. Ob es klappt und das Konzept am Ende aufgeht, weiß man nicht", sagte Heiko Ossig in der Pause. "Aber es geht. Die Stimmung ist wunderbar."

Dabei forderte das Trio den Zuhörern auch einiges ab. Die Musik der estnischen Tonkünstler René Eespere, Raimo Kangro, Peeter Vähi und Arvo Pärt war nicht nur melancholisch-melodiös. Sie war auch Geduld erfordernd minimalistisch, mit Klängen, die auf der Stelle zu stehen schienen. Und sie war auch schrill und dissonant.

"Das Festival-Publikum ist irgendwie aufgeschlossener", sagte der Geiger Rodrigo Reichel nach dem Konzert. Ahrensburg war bereits ein gutes Beispiel dafür gewesen. Die Bargteheider Zuhörer standen in nichts nach und lauschten den ungewohnten Klängen andächtig. Vielleicht, weil das Schlichte und Volksnahe der estnischen Musik an die Seele gingen, sowie die mythischen Texte mit ihren urmenschlichen Motiven, die an das Märchen vom "Fischer und seiner Frau" erinnerten, an "Hans im Glück", an den teuflischen Mephisto-Pakt und die biblische Geschichte von Joseph und seinen Brüdern.

"Texte und Musik, diese Kombination kommt bei uns an", sagte Jutta Werner vom Festival-Beirat. "Der Abend war sehr schnell ausverkauft." Bürgermeister Henning Görtz dankte den Sponsoren und allen Beteiligten für die Vorbereitung. Görtz: "Wir sind stolz, dass das Festival zum fünften Mal bei uns zu Gast ist. Es ist bei uns endgültig angekommen."