Differenz von 371 Einwohner zwischen Zensus und Meldeamt. Aus Furcht vor zusätzlichen Kosten legt die Kommune Widerspruch gegen die Zahlen aus dem Jahr 2011 ein.

Ahrensburg. "Ja, wir haben auch Widerspruch eingelegt", sagt Wolfgang Böckmann (CDU), stellvertretender Bürgermeister von Barsbüttel. Die Gemeinde ist eine von mehr als 70 in Schleswig-Holstein, die jetzt Widerspruch gegen die Zahlen des Statistikamtes Nord eingelegt haben. Der Grund: Die Ergebnisse des Zensus 2011, der jüngsten Volkszählung der Bundesrepublik, haben für einige der Gemeinden im Land eine Zurückstufung der Einwohnerzahl zur Folge. Diese kann weitreichende Konsequenzen haben: Hat eine Gemeinde offiziell weniger Einwohner, werden ihr womöglich Zahlungen gekürzt, oder es muss Geld zurückgezahlt werden.

Deutschlandweit klagen nun Kommunen gegen die Zahlen, die Ende Mai dieses Jahres veröffentlicht wurden. In Barsbüttel ist die Differenz zwischen den Zahlen des Zensus 2011 und denen des Meldeamtes auffällig hoch. Geht der Zensus von 11.850 Einwohnern aus, so listet das Amt in seinen Dateien 12.221 Einwohner. Die Bevölkerungsfortschreibung des Statistikamtes hatte sogar 12.399 Einwohner errechnet. Die Differenz zu den neuen Zahlen beträgt minus 4,4 Prozent.

Bevor die Zensus-Zahlen bestandskräftig werden, nutzte Barsbüttel nun noch die bis Ende kommender Woche laufende Einspruchsfrist. "Eine fristwahrende Geschichte" nennt Wolfgang Böckmann den Vorgang deshalb auch. "Die Widersprüche sind eigentlich normaler Bestandteil des Verwaltungsablaufs", erklärt Claudia Zempel vom Städteverband Schleswig-Holstein. Für die Gemeinden ist der Widerspruch wichtig, denn sollten die Zensus-Zahlen bestandskräftig werden, sind sie die Grundlage für alle finanziellen Zuwendungen. In welchem Maße finanzielle Einbußen etwa Barsbüttel verkraften müsste, ist noch unklar.

Die Differenz zwischen den eigenen Zahlen, die nah an denen der Fortschreibung liegen, und den Zahlen des Zensus, kann man sich hier nicht erklären. "Es ist schwer vorstellbar, warum so viele Menschen nicht hier wohnen sollten", sagt Holger Strehl, zuständiger Fachbereichsleiter aus Barsbüttel. "Die Zahlen des Zensus sind für uns nicht plausibel."

Im Fachbereich Öffentliche Sicherheit, Soziales und Bürgerbüro wird auch die Meldedatei Barsbüttels gepflegt. "Wir haben zum Beispiel nur wenige Wahlbenachrichtigungskarten zurück bekommen", sagt Strehl. Anhand dieser und anderer Faktoren werden die Dateien aktualisiert.

Nun also der Widerspruch. "Er hat eine aufschiebende Wirkung", sagt Claudia Zempel. Das heißt, um die Unstimmigkeiten zwischen Zensus und Gemeinden zu klären, ist jetzt noch Zeit. "Zeit für Ursachenforschung."

Im August möchte sich das Statistikamt Nord mit den klagenden Gemeinden an einen Tisch setzen. "Wir begrüßen den Dialog sehr", sagt Holger Strehl. Dann soll geklärt werden, wie die Zahlen zustande gekommen sind. Strehl: "Die Berechnung würde ich gern vermittelt bekommen." Dazu sagt Christian Böse vom Statistikamt Nord: "Das Verfahren ist ziemlich komplex."

Die letzte Volkszählung gab es 1987. Auf den damals gesammelten Daten beruhte die sogenannte Bevölkerungsfortschreibung.

"Nach 24 Jahren tauchen da schon mal Diskrepanzen auf", sagt Christian Böse über die Abweichungen von Fortschreibung und den Zahlen des Zensus 2011. Ein Beispiel: In Ammersbek wurde die Einwohnerzahl nach oben korrigiert. Die Bevölkerungsfortschreibung ging von 9342 Einwohnern aus, der Zensus 2011 ergab 9606 Einwohner, also 2,8 Prozent mehr. In Plön dagegen ist die Differenz immens: Hatte die Fortschreibung mit 12.834 Einwohnern gerechnet, ergab der Zensus 8686 Einwohner. Also mehr als ein Drittel Verlust.

Damit nach den neuen Berechnungen die finanziellen Einbußen beziehungsweise Mehreinnahmen der Städte und Gemeinden nicht allzu heftig in die eine oder andere Richtung ausfallen, plant das Land Schleswig-Holstein nach Abendblatt-Informationen nun künftig, mit einem Mittelwert zu arbeiten. Dieser soll sich aus den Zensus- und Fortschreibungszahlen ergeben. Ein Gesetzesentwurf wird dazu momentan ausgearbeitet.

Neben den mehr als 70 Gemeinden aus Schleswig-Holstein haben auch Berlin und Hamburg Widerspruch beim Statistikamt eingelegt. In Hamburg etwa wurden 83.000 Einwohner weniger als angenommen gezählt. Im Länderfinanzausgleich muss der Stadtstaat deswegen eventuell nachzahlen.

Für Stormarn ergeben sich durch die neue Volkszählung folgende Zahlen: Die Einwohnerzahl wurde gegenüber der Bevölkerungsfortschreibung um 0,2 Prozent nach oben korrigiert. Im Vergleich zur vergangenen Volkszählung 1987 sind das 19,7 Prozent Zuwachs. Oder: 38.020 Menschen leben seitdem mehr in Stormarn. Den stärksten Zuwachs in Schleswig-Holstein verzeichnet Segeberg mit 23 Prozent.