Schleichende Gefahr für die Vogelwelt. 39 Tiere in 2012 erlegt. Streit zwischen Tierschützern und Jägerschaft. 15 Millionen Tiere fallen in Schleswig-Holstein offenbar streunenden Katzen pro Jahr zum Opfer.

Ahrensburg/Kiel. Das internationale Fachmagazin "Nature Communications" ist auf Katzen nicht gut zu sprechen. Jedes einzelne frei laufende Tier erbeute durchschnittlich 200 Kleinsäuger und Vögel pro Jahr, lauten die Schätzungen der Forscher. Nach Angaben des Kieler Jagdverbandes stellen die verwilderten Hauskatzen gerade in der Brutsaison tatsächlich eine erhebliche Gefahr für heimische Vogelarten und Kleinsäuger dar.

15 Millionen Tiere in Schleswig-Holstein, behaupten die Landesjäger, fallen den streunenden Katzen pro Jahr zum Opfer. Auch im Kreis Stormarn fressen die verwilderten Vierbeiner gerade im Frühsommer Hunderte von kleinen Lebewesen. Hans-Joachim Herrmann, Erster Vorsitzender der Kreisjägerschaft Stormarn (KJS), betont: "Verluste in der heimischen Vogelwelt gehen zum Teil auf das Konto der frei laufenden und verwilderten Katzen." Nicht nur Boden- und Heckenbrüter seien gefährdet, sondern auch junge Kaninchen, Hasen und Eichhörnchen.

Kaum hatte der schleswig-holsteinische Jagdverband aktuelle Zahlen über den Jagdtrieb der sogenannten "Freigänger" vorlegt, werden erneut heftige Kontroversen zwischen Jägern und Tierschützern deutlich. "Der Streit", kontert Heike Reher, Erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Oldesloe, "wird auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen, den frei lebenden Hauskatzen." Die Katzen, ärgert sie sich, seien nicht verantwortlich für den Rückgang heimischer Vogelarten und Kleinsäuger, sondern der Mensch. "Immer mehr Monokulturen werden angebaut. Mir sträuben sich die Nackenhaare, ausgerechnet die Katzen dafür verantwortlich zu machen!"

Die Tierschützerin schätzt die Zahl der verwilderten Hauskatzen im Kreis Stormarn auf 10.000 bis 15.000 Tiere. Dabei sei die Population der schlecht sozialisierten Katzen im ländlichen Raum deutlich höher als in besiedelten Gebieten, fügt der Ahrensburger Tierarzt Bernd Grundmann hinzu. Eine Steigerung sei freilich nicht festzustellen, meint er - im Unterschied zu den Jägern. KJS-Chef Herrmann sagt nämlich: "Die genaue Zahl der verwilderten Katzen liegt uns nicht vor. Aber die wachsende Zahl von Katzen, die in den Tierheimen landen, deutet darauf hin, dass sich die Population der allein gelassenen und zu Urlaubszeiten ausgesetzten Katzen ebenfalls erhöht hat."

Thomas Carstensen, Mitglied im Präsidium des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein, geht von 75.000 verwilderten Katzen im nördlichen Bundesland aus. Vogelschutz-Organisationen weisen zudem darauf hin, dass unter den in Deutschland gehaltenen sieben Millionen Hauskatzen sechs Millionen Freigänger sind. Jagdverbands-Experte Carstensen: "Angesichts all dieser Zahlen muss man sich fragen, was Winterfütterung und Nistkästen in Städten und Dörfern da überhaupt noch nützen."

Um die Ausbreitung der Population zu stoppen, setzen Tierschützer und Jäger jetzt auf Kastration und Sterilisation. Darüber hinaus greifen die Jäger offenbar gelegentlich zur Waffe. "Im vergangenen Jahr wurden 39 Katzen im Kreis Stormarn erlegt", berichtet KJS-Vorsitzender Herrmann. Diese Zahl, fügt er sofort hinzu, spreche für das umsichtige Handeln der Jäger im Kreis. Sie bemühten sich verstärkt um Aufklärung der Halter und die Zusammenarbeit mit Tierheimen, Veterinären und Tierschutzorganisationen. "Erst wenn diese Mittel nicht fruchten, erfolgt als Ultima Ratio der Abschuss von wildernden Katzen zum Schutz des Wildes und gerade der Elterntiere in der Brut- und Setzzeit", so Herrmann.

Laut schleswig-holsteinischem Artenschutzbericht wurden im Jahr 2012 im ganzen Küstenland 6183 Katzen erlegt - das ist fast die Hälfte weniger als im Vorjahr. Tierschützer führen den Rückgang möglicherweise auf nicht ganz korrekte Datenmeldung zurück. "Ja", sagt Heike Reher, "Jäger schießen Katzen ab. Aber das Gros von ihnen hegt und pflegt."

Für Reher und die Jäger gehören Sterilisation und Kastration zu den besseren Methoden, die Ausbreitung der Population zu begrenzen. Allein im Tierheim Bad Oldesloe wurden im vergangenen Jahr 421 ausgesetzte Katzen dieser Prozedur unterzogen. "Wir kastrieren hier alles, außer Vögel und Schildkröten", meint Reher. Der Ahrensburger Tierarzt Grundmann berichtet, er habe jährlich zwischen 150 und 230 Katzen für das Tierheim kastriert. "Und das über 30 Jahre lang." Zum Glück sei durch das Verbot der "Grundlosen Tötung" im Tierschutzgesetz das Ertränken der Jungkatzen und das Erschießen der Hauskatzen durch Jäger zurückgegangen. Der schleswig-holsteinische Landesjagdverband hofft nun, dass sich die verstärkten Kastrationen nachhaltig als Geburtenkontrolle auswirken. Thomas Carstensen: "So wird unsere Vogelwelt nicht nur besser geschützt. Es verringert sich auch die finanzielle Belastung von Tierheimen und Kommunen."