Versöhnen statt strafen

29. Mai: "Missbrauchsskandal: Richter streitet mit der Kirche"

Folgt man der Argumentation des Kirchensprechers Mathias Benckert, so ist die vom Kirchenamt verursachte und inzwischen völlig verfahrene Situation aus kirchlicher Sicht als Normalzustand zu bewerten. Dass die fünfköpfige Disziplinarkammer des Kirchengerichts nach dem beispiellosen Affront des Befangenheitsantrags geschlossen zurückgetreten ist und auch der Vorsitzende der Ersatzkammer sein Amt aus Protest gegen die Praxis des Kirchenamtes niedergelegt hat, sieht Herr Benckert im Einklang mit dem Kirchenrecht. Dass nun zusätzlich die Kirchenleitung die Disziplinarkammer an den eigentlich dafür zuständigen Gremien vorbei mit möglicherweise "willfährige Richtern" nachbesetzt, hält Herr Benckert für "demokratisch legitimiert".

Nun, welches Rechts- und Demokratieverständnis in der Nordkirche vorzuherrschen scheint, kann man ja gegenwärtig an anderer Stelle in Ahrensburg besichtigen, wo es um die gegen die Kirchengemeinde beschlossene Abwicklung der St. Johanneskirche geht. Die Mentalität und das Amtsverständnis in den kirchenleitenden und -verwaltenden Stellen scheinen sich seit der Zäsur des Jahres 2010 kaum gewandelt zu haben. Was wir derzeit erleben, ist dieselbe institutionalisierte Arroganz und Gleichgültigkeit, dieselbe Willkür und rechtsfeindliche Gesinnung, durch die die ehemalige Nordelbische Kirche nach ihren jahrzehntelangen Versäumnissen im Kontext der Missbrauchsfälle in ihre jetzige Krise geraten ist und aus der sie auch als Nordkirche nicht wieder herausfindet. Tatsache ist, dass die innerkirchliche Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Kirchengerichtsbarkeit durch das Vorgehen des Kirchenamtes nachhaltig beschädigt sind. Ob sich unter diesen Umständen überhaupt noch professionelle und unbefangene Richter für die ehrenamtliche Neubesetzung der Disziplinarkammer finden lassen, die ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren gewährleisten können, muss bezweifelt werden.

Letztlich werden aber auch ehrenamtliche Richter nicht den verheerenden Mangel an kirchenleitender Verantwortung, mit dem wir es eigentlich zu tun haben, ersetzen können. Zu diesem Mangel gehört, dass bisher in der Kirchenleitung, vor allem aber bei den Bischöfen Ulrich und Fehrs, noch keine hinreichende Reflexion darüber stattgefunden hat, welche Schlussfolgerungen aus dem "Fall Ahrensburg" in rein theologischer Hinsicht zu ziehen sind. Ich möchte fragen: Was ist das für eine Kirche, die selbst da, wo weltliche Gerichte nicht mehr urteilen würden, umso schärfer richten, strafen und auch Rache üben will, anstatt zu versöhnen? Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es nicht mehr darum geht, irgendjemandem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie will vielmehr, so scheint es, um jeden Preis an einem ihrer Brüder ein Exempel statuieren, um ihre Hände in Unschuld waschen zu können. Schlimmer kann eine Kirche mit der Botschaft Jesu Christi kaum brechen.

Dr. Werner Treß, Berlin (ehemals Ahrensburg)

"Flitzepiepen" auf Wahlzettel

Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl

Mit einigem Missvergnügen lese ich im Abendblatt ein Zitat von Ministerpräsident Torsten Albig zur Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl: "Wie glaubt ihr soll Politik funktionieren, wenn ihr nicht zur Wahl geht?" Hiermit hat er nur zum Teil Recht. Wenn man mal auf den einen oder anderen Wahlzettel schaut, wird man entsetzt sein, was für "Flitzepiepen" sich da aufstellen lassen und sich anmaßen, Kommunalpolitik machen zu können.

Wenn man auf dem Stimmzettel niemanden findet, dem man vertraut oder auch nur ansatzweise zutraut, die eigenen Interessen zu vertreten, dann ist Wahlverweigerung sehr wohl eine Wahlentscheidung wie jede andere auch. In den Statistiken sollten diese Wähler von den Nichtwählern aus Desinteresse gesondert ausgewiesen werden. Ich schätze, dann würde die Wahlbeteiligung dicht bei 70 Prozent liegen.

Rudolf Gajewski, Barsbüttel

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