Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Die Reinfelder Rudergemeinschaft

Wenn man Swanhilt Dobrindt, die Vorsitzende der Reinfelder Rudergemeinschaft (RRG) fragt, was das Besondere an ihrem Verein ist, gibt sie sofort folgende Antwort: "Wir sind eine Gemeinschaft, heißen deshalb auch nicht 'Rudergesellschaft' oder 'Ruderclub'. Wir streben gemeinsam ein gestecktes Ziel an." Nirgends sei diese Gemeinschaft so wichtig wie beim Rudern, so Dobrindt. "In einem Zweier, Vierer oder Achter läuft nichts, wenn nicht alle Insassen an einem Strang ziehen", sagt sie. Sich hervortun oder profilieren wollen sei nicht möglich, denn nur mit gemeinsamem Einsatz sei man erfolgreich.

Swanhilt Dobrindt gehört zu den Gründungsmitgliedern des einzigen Stormarner Rudervereins. "Er ist aus einer Spinnerei entstanden", sagt die 72-Jährige. "Wir waren eine Gruppe von Studenten und haben uns überlegt, was wir als junge Menschen in Reinfeld machen könnten. Und weil es nicht viel mehr als einen See gab, haben wir uns fürs Rudern entschieden." Unter den Studenten sei auch ihr Mann Hans-Joachim gewesen. "Er war der einzige von uns, der überhaupt rudern konnte", so Dobrindt. "Ich selbst war ein Blindfisch, hatte keine Ahnung vom Rudern", sagt sie und lacht.

In der ersten Zeit galt das Rudern noch als gefährlich für die Karpfen

Und auch den anderen Gründungsmitgliedern musste Hans-Joachim Dobrindt noch einiges beibringen. "Dann haben alle zusammen gelegt und ein altes Boot gekauft", sagt Swanhilt Dobrindt. Und als das Training regelmäßiger wurde, begannen die Probleme, erinnert sie sich. Dobrindt: "Der Pächter des Herrenteiches und die Stadt hatten die Befürchtung, dass das Rudern den Karpfen schaden könnte." Erst ein Gutachten des Deutschen Ruderverbandes konnte Entwarnung geben. "Dort hieß es, dass unsere Aktivitäten auf dem Wasser keinerlei Schaden bei den Tieren anrichteten", sagt Dobrindt. "Im Gegenteil, wir brächten durch die Ruderbewegung sogar nützlichen Sauerstoff unter Wasser."

Als dieses Problem also aus der Welt geschafft war, ging es mit der Suche nach einem festen Anlegeplatz am Herrenteich weiter. "Wir wurden um den ganzen See geschickt", erinnert sich Dobrindt. Um Arbeitsgeräte und Boote vor dem Verfall zu schützen, bauten die Vereinsmitglieder auf einem Seegrundstück eine Art unterirdische Höhle. "Erst 1987 hat uns die Stadt den Platz vollständig zugesichert. Sogar ein Bootshaus haben wir bekommen", sagt Dobrindt und erinnert sich an dieses besondere Ereignis. "Wir waren überglücklich", sagt sie. Eine spannende und schöne Zeit sei es gewesen. "Besonders, wenn man bedenkt, was für ein toller Verein aus einer spontanen Idee entstanden ist", so die Vorsitzende.

Besonders gut gefalle ihr am Verein die große Zahl an Kindern und Jugendlichen. "Das ist in einem Verein unserer Größe wirklich etwas Besonderes", bestätigt auch der Schriftwart, Albrecht Werner. "50 von 135 Mitgliedern sind Kinder und Jugendliche", sagt er. Leider seien die Aktivitäten der Erwachsenen und jüngeren Vereinsmitglieder in der letzten Zeit etwas auseinandergelaufen. "Das liegt zum Beispiel an daran, dass es ein Training eigens für Jugendliche gibt", sagt Werner. "Wir wollen diese beiden Gruppen in Zukunft näher zusammenbringen." Deshalb gebe es nun Mittwochabends und Sonntagmorgens ein gemeinsames Rudertraining.

Aus dem Kreis der jugendlichen Vereinsmitglieder stammt sogar eine echte Weltmeisterin: Die heute 25-Jährige Lena Möbus gewann im Jahr 2010 die Goldmedaille im Frauen-Doppelvierer bei den U-23-Weltmeisterschaften im weißrussischen Brest. "Darauf sind wir sehr stolz", sagt Werner. Im Moment seien unter den Mitgliedern der Rudergemeinschaft keine Leistungssportler. "Aber einige der Jugendlichen haben viel Potenzial", so Werner.

Die Rudergemeinschaft bietet auch Rudertraining für Senioren an

Das Besondere am Rudersport, findet der Schriftwart, sei aber, dass man ihn bis ins hohe Alter betreiben kann. "Die Intensität des Ruderns kann man selbst steuern und entscheiden, ob man lieber eine gemütliche oder eine sportlich-schnelle Tour machen möchte", sagt Werner. Und angesichts der bescheidenen Größe des Reinfelder Herrenteiches würde sich auch keines der älteren Vereinsmitglieder übernehmen. "Die Standardtour von der Claudiusmühle bis zur Brücke ist gerade einmal dreieinhalb Kilometer lang."

Lisa Timm hat schon weitaus anspruchsvollere Strecken zurückgelegt. Zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern hat sie schon an vielen Wanderfahrten der RRG teilgenommen. Mit ihren 80 Jahren ist sie eines der ältesten Mitglieder der RRG. "Noch älter ist nur mein 82-Jähriger Mann Rudolf", sagt sie und lacht. Bereits seit 40 Jahren betreibt sie den Sport mit Leidenschaft. "Momentan muss ich aus gesundheitlichen Gründen leider pausieren."

Von den vergangenen Fahrten zehre sie aber noch immer. Timm: "Besonders gern erinnere mich an meine längste Flussfahrt zurück." Damals sei sie zusammen mit einigen anderen Mitgliedern innerhalb von zwei Wochen von Tschechien nach Tangermünde und von dort nach Travemünde gerudert."Wir hatten oft mit Wind und Wellen zu kämpfen - das war nicht einfach", sagt die Reinfelderin.

In diesem Jahr feiert der Verein seinen 50. Geburtstag

Der Vorteil am Rudern sei, sagt sie, dass "man sich nicht so leicht etwas kaputt macht. Fit muss man aber trotzdem sein", sagt Timm, die sich sehr gesund ernährt, um in Form zu bleiben. "Besonders beim Ein- und Aussteigen braucht man viel Geschick." Doch auch diejenigen Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, kommen bei der RRG nicht zu kurz. "Wir bieten montags einen Ruderkursus für Behinderte an", sagt Albrecht Werner.

In diesem Jahr bereitet sich die Rudergemeinschaft auf ein ganz besonderes Ereignis vor. "Wir begehen am 3. August unser 50-jähriges Bestehen mit einer großen Feier im Gasthof Kalkgraben", sagt Werner voller Vorfreude. Und schon kurz darauf, beim Karpfenfest in Reinfeld am 30. August und 1. September, steht das nächste Highlight an. "Dort organisieren wir jedes Jahr das Reinfelder Rudervergnügen, zu dem Firmen oder andere örtliche Einrichtungen Teams zusammenstellen und bei einer Regatta teilnehmen", sagt Werner. Ein Trainer und die Boote werden von der RRG gestellt.

"30 Einer-, Zweier-, Dreier- und Viererboote gehören unserem Verein", sagt Werner nicht ohne Stolz. Denn die teuren Boote hat die RRG selbst finanziert. "Wir leben einzig von den Mitgliedsbeiträgen und von Spenden", so der Schriftwart. Allerdings sei bei der Instandhaltung die Mithilfe der Mitglieder gefragt. "Jeder hat eine gewissen Anzahl von Arbeitsstunden im Jahr zu leisten. Bezahlte Arbeiter haben wir nicht." Einige der Mitglieder haben sogar Bootsbaukurse besucht, um kleinere Reparaturen vornehmen zu können. Eben eine echte Gemeinschaft.

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