Schauspieler Peter Lohmeyer liest zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung für Glinde gegen rechts und lobt das Engagement der Bürgerinitiative.

Glinde. "Was diese Stadt im Kampf gegen den Rechtsextremismus auf die Beine stellt, muss einfach unterstützt werden!" Schauspieler Peter Lohmeyer zögerte deshalb keine Sekunde, der Einladung zur folgen - zur ersten Glinder Lesenacht auf dem Marktplatz und im Foyer des Bürgerhauses. Anlass: der 80. Jahrestag der Bücherverbrennung.

Im Mai 1933 gingen Zehntausende von Büchern in Flammen auf. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund hatte das vorangetrieben - als Teil der "Aktion wider den undeutschen Geist". Von sogenannten Feuersprüchen begleitet, wurden zuerst in Berlin und dann in mehr als 20 weiteren deutschen Städten unliebsame Werke von Philosophen, Wissenschaftlern, Lyrikern und politischen Autoren öffentlichkeitswirksam verbrannt.

"Wir wollen erinnern und lesen", stand auf den Einladungsflyern der Bürgerinitiative Glinde gegen rechts, die sich seit anderthalb Jahren intensiv mit dem Thema Rechtsradikalismus auseinandersetzt. Lohmeyer, der als prominenter Lesepate unter anderem Auszüge aus Büchern von Kurt Tucholsky und Siegfried Lenz vorlas, sprach der Arbeit der Initiative seinen vollen Respekt aus. "Ihr zeigt Haltung, das finde ich großartig!"

Schnell waren die etwa 60 Stühle im Foyer des Glinder Bürgerhauses besetzt. Aber auch an den Stehtischen auf dem Marktplatz konnte man dank guter Organisation den Rednern und Vorlesern zuhören. Hans-Jürgen Preuß, Bürgerinitiativen-Mitglied der ersten Stunde, nannte in seiner Eröffnungsrede den zweiten besonderen Anlass der Veranstaltung: die 500. Mahnwache vor dem Modeladen Tønsberg am Glinder Berg seit der Eröffnung des Geschäfts, in dem die in der rechten Szene beliebte Modemarke Thor Steinar verkauft wird.

"Diese Durchhaltekraft ist wirklich beeindruckend", so Jörn Menge. Der Hamburger ist Vorsitzender des Vereins "Laut gegen Nazis", der bundesweit Initiativen unterstützt und breite Aufklärung zum Thema Rechtsextremismus betreibt. "Wenn ich unterwegs bin, um Vorträge zu halten, führe ich Glinde immer als positives Beispiel auf. So, wie der Zusammenhalt und das Engagement hier funktionieren, müsste es überall sein."

Doch was genau machen die Menschen in Glinde richtig? "Sie zeigen Präsenz, machen auf sich und damit auf Probleme wie Alltagsrassismus und Diskriminierung aufmerksam. Für diese Themen müssen viele Leute erst einmal sensibilisiert werden." Dass die Nazis von heute nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, macht die Aufklärungsarbeit von Jörn Menge und seinen Kollegen zwar schwierig, dafür umso wichtiger. "Insbesondere bei Jugendlichen kommen wir mit dem erhobenen, moralischen Zeigefinger nicht weit. Reine Geschichtsstunden reichen nicht aus. Es ist sinnvoller, auf aktuelle Themen Bezug zu nehmen."

Peter Lohmeyer, der das Publikum mit seiner Vorlesekunst über eine Stunde lang in seinen Bann zog, hatte sich gerade deshalb noch einen ganz besonderen Titel ausgesucht: "Nennt mich nicht Ismael!" Beim ersten Hinhören hatte die Geschichte des 14-jährigen Ismael, der in seiner Klasse fürchterlich gemobbt wird und erst durch die Freundschaft zu einem außergewöhnlichen Jungen den Mut findet, zu sich selbst zu stehen, nicht sehr viel mit dem Thema des Abends zu tun. Aber: "Der Junge erkennt, dass es nichts bringt, sich aus Angst zu verstecken. Er lernt am eigenen Leib, was Zivilcourage bedeutet. Und die ist in unserer Zeit ganz besonders wichtig", begründete Lohmeyer später die Auswahl des Buches. "Außerdem finde ich die Sprache, mit der Ismael und sein Freund sich den Klassenkameraden gegenüber zur Wehr setzen, toll. Denn auch mit der Kraft der Sprache kann man Dumpfbacken zum Schweigen bringen."

Mit einem Glas Rotwein in der Hand mischte sich der 51-Jährige ganz ungezwungen unter die Gäste, sang mit dem Oststeinbeker Duo "NOY", das in den Lesepausen für musikalische Unterhaltung sorgte, spontan einen Titel mit und verabschiedete sich gegen 22 Uhr mit den Worten: "Ich habe meiner Frau versprochen, nicht so spät nach Hause zu kommen."

"Der Abend ist ein voller Erfolg", sagte Niels Brock, Sprecher der Glinder Bürgerinitiative. "Genau das haben wir uns gewünscht: Eine gute, entspannte Aktion, die die Menschen aufmerksam macht." Auch sein Stellvertreter Rolf Metschulat war von der Resonanz begeistert: "Manchmal bin ich selbst erstaunt, was wir hier in Glinde auf die Beine stellen. Diese Veranstaltung gibt uns Auftrieb für unsere weiteren Vorhaben." Eines davon lag in Modellform neben dem Lesetisch: Eine Stolperschwelle, die an das ehemalige Glinder Arbeitslager Wiesenfeld erinnern soll. Mit dem Text "Erinnert euch - vergesst niemals, Arbeitslager Wiesenfeld 1942-1945" soll die Eisenschiene am früheren Eingang zum Arbeitslager an der Straße Eichloh zum Nachdenken anregen.