68-Jähriger soll im November 2012 in Bargteheide seine Ehefrau mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt haben

Lübeck. Ein 68 Jahre alter Bargteheider muss sich wegen versuchten Mordes an seiner Ehefrau vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Am 13. November vergangenen Jahres soll er sie im Badezimmer der gemeinsamen Wohnung in einem Neubaugebiet im Norden Bargteheides niedergestochen haben (wir berichteten). Offenbar überlebte die 62-Jährige nur, weil sie sich tot stellte, sodass ihr Mann von ihr abließ.

Nun sitzt Hans T. (Name geändert), ein Mann mit vollen, grauen Haaren, auf der Anklagebank und hört sich an, was ihm vorgeworfen wird. Er wirkt gefasst. Einmal aber huscht ein Grinsen über sein trotz mehrmonatiger Untersuchungshaft wie sonnengebräuntes Gesicht: Als die Staatsanwältin vorliest, Ehefrau Anja (Name geändert) habe sich von ihm scheiden lassen wollen. So habe T. während der Messerattacke gesagt: "Du hast mein Leben versaut."

Scheidung: das Tatmotiv? T. schweigt vorerst. Äußern wolle er sich erst, wenn das psychiatrische Gutachten vorliege, sagt der Rechtsanwalt Christian Schuhmacher, einer seiner beiden Verteidiger.

Zunächst sagt Anja T., das Opfer, aus. Sie ist eine schlanke Frau, die ihre braunen Haare bis über die Ohren trägt. Den Gerichtssaal hat sie in Begleitung eines Anwaltes betreten - aufrecht und scheinbar selbstsicher. Doch ihre Stimme zittert immer wieder, während sie spricht. Und während sie schildert, was sich in ihrer Erinnerung am Morgen des 13. November in der Wohnung abgespielt hat, vergeht ihrem Mann das Grinsen. Immer wieder muss er weinen.

Anja T. sagt, sie habe unter der Dusche gestanden. "Ich war schon fast fertig mit dem Duschen, als ich meinen Mann mit dem Messer ins Bad kommen sah." Sie habe versucht, die Tür der Duschkabine von innen zuzuhalten, das sei ihr jedoch nicht gelungen. Und dann habe er zugestochen.

Und zwar fünfmal, so steht es im ärztlichen Gutachten. Resultat unter anderem: eine 31 Zentimeter lange Schnittwunde über den gesamten Bauch, zugefügt mit einem Messer mit 14 Zentimeter langer Klinge. Anja T. erinnert sich weiter, dass ihr Mann ihren Kopf mehrmals gegen die Badezimmerfließen geschlagen und sie anschließend auch noch gewürgt habe. "Ich habe mich tot gestellt. Erst dann hat er von mir abgelassen."

Auf allen Vieren sei sie dann zur Wohnungstür gekrochen, habe sie geöffnet und laut um Hilfe gerufen. "Mein Mann zog mich aber wieder zurück in die Wohnung", sagt Anja T. Doch eine Nachbarin alarmierte die Polizei. Vier Streifenwagenbesatzungen eilten ins Neubaugebiet.

"Als wir um 8.30 Uhr am Wohnort der Eheleute eintrafen, kam uns Herr T. gerade im Treppenhaus entgegen", sagt einer der beiden Polizisten, die als Erste am Tatort eintrafen. "Wir forderten Herrn T. sofort auf, die Wohnungstür wieder zu öffnen, was er auch sofort tat." Aufgefallen sei ihnen zunächst, dass T. ein geöffnetes Hemd und Hausschuhe trug. Er sei ruhig, ja geradezu apathisch gewesen. "Dann haben wir die verletzte Frau im Flur gesehen. Die weißen Bodenfliesen waren voller Blut." Sie hätten sich dann um die Schwerverletzte gekümmert. Hans T. habe derweil einen Kaffee getrunken und eine Zigarette geraucht. Und versucht, mit einem Lappen ein Messer von Blut zu befreien.

Hans T. wurde nach der Tat von der Polizei auf die Krankenstation der Justizvollzugsanstalt in Lübeck verlegt. Zwei Mitarbeiter der Mordkommission vernahmen ihn noch am selben Tag. Auch sie erinnern sich im Gerichtssaal, dass er so gefasst und ruhig gewesen sei. "Herr T. sagte aus, sich an den Tathergang nicht erinnern zu können. Er habe auch keine Erinnerung daran, seine Frau verletzt zu haben", berichtet eine Kriminalkommissarin.

Erst nach rund zweistündiger Vernehmung, erinnert sie sich, habe er den Anschein erweckt, den schweren Vorwurf des versuchten Mordes realisiert zu haben. "Dann erst forderte er einen Anwalt. Auch die Tatsache, dass seine Frau schwer verletzt im Krankenhaus liegt, hat Herrn T. nicht geschockt", sagt die Beamtin.

Anja T. wurde unterdessen in der Asklepios Klinik Nord in Hamburg-Langenhorn notoperiert. Sechs Tage lag sie im künstlichen Koma. Drei Monate dauerte die Behandlung. Doch die Attacke wirkt nach. "Noch heute habe ich schreckliche Angst. Ich traue mich nicht mehr im Dunkeln auf die Straßen", berichtet sie. Noch immer könne sie keinen Sport machen, da sie oft Schmerzen im Bauchraum habe.

Zunächst sind sechs Verhandlungstage geplant. 15 Zeugen und zwei Sachverständige werden gehört. Der nächste Verhandlungstag ist für Montag, 13. Mai, anberaumt.