Ammersbeker wundern sich über abgefressene Pflanzen. Naturschützer raten davon ab, Tiere zu füttern

Ammersbek. Sie kamen gegen 23 Uhr, sprangen vom Bürgersteig am Volksdorfer Weg über den Zaun und dann durch eine Lücke zwischen den Tannen am Rand des Grundstücks. Spuren im Schnee zeigten im Sonnenlicht des folgenden Tages, worauf es die beiden Rehe im Garten des Ammersbeker Ehepaares Maaß abgesehen hatten: Der Efeu, der sich um den Stamm einer Eiche schlängelt, war bis auf Kopfhöhe der Tiere abgefressen. Selbst bis zur Terrasse wagten sie sich vor und labten sich dort ebenfalls an dem Rankgewächs. Auch Hortensienknospen schienen den Wildtieren sehr gut gemundet zu haben.

"Das haben wir hier noch nicht erlebt", sagt Manfred Maaß, der mit seiner Frau Gertrud seit 1989 in der Siedlung nahe der Grenze zu Hamburg lebt. Dabei geht es dem 64-Jährigen weniger um seine Gartengewächse als um die Rehe. Er vermutet, sie hätten sich so weit vorgewagt, weil sie andernorts wegen des langen Winters nicht mehr genug Nahrung gefunden hätten. Gertrud Maaß: "Wir überlegten schon, ob wir denen Futter hinstellen."

Zu dem gleichen Schluss kommt sein Nachbar Wolfgang Matysik, obwohl es der 66-Jährige gewohnt ist, dass Rehe in seinem Garten grasen. Denn anders als das Grundstück des Ehepaars Maaß grenzt seines an eine Pferdekoppel. Ihn macht stutzig, dass die Tiere auch in seinem Garten Efeu fraßen. Den hatten sie sonst stets verschont. "Rehe mögen Efeu eigentlich nicht, weil er so bitter schmeckt", sagt Fritz Heydemann vom Vorstand des Naturschutzbunds (Nabu) Schleswig-Holstein. "Die Tiere sind richtige Leckermäuler." Ganz oben auf ihrer Liste stünden Rosen und Phlox. "Sie lieben die Vielfalt, und die finden sie vornehmlich in Gärten an Dorf- und Stadträndern."

Heydemann rät allerdings davon ab, den Tieren Futter hinzulegen. In freier Wildbahn ist dies ohnehin verboten. Die kalte Witterung mache den Tieren wenig aus. "Es gab immer noch einige schneefreie Flächen auf Feldern, wo Rehe etwas zum Fressen finden konnten." Zudem gebe es zu viel Dam- und Rehwild, was den Gehölzen schade. Heydemann: "Insbesondere betrifft dies Eichen."

Nach Angaben des Umweltministeriums in Kiel gibt es allerdings keinesfalls eine flächendeckende Überpopulation an Rehen. "Die gibt es allenfalls örtlich", sagt Sprecherin Nicola Kabel. Dass Rehe sterben, sei ein natürlicher Vorgang. "Deshalb auch das Fütterungsverbot in der freien Wildbahn."

Die Jagdbehörden der Kreise können bei katastrophenbedingtem Nahrungsmangel das Fütterungsverbot aufheben. Dies ist seit der Einführung 1999 nur zweimal geschehen. "Im zurückliegenden Winter gab es weder hohe Schneelagen noch andauernde strenge Frostperioden. Deshalb hat richtigerweise keine Jagdbehörde eine entsprechende Verfügung erlassen", sagt Kabel.

"Ich hätte das Verbot am liebsten aufgehoben und den Jägern vor Ort die Entscheidung überlassen, ob sie die Rehe füttern", meint Stormarns Kreisjägermeister Klaus Klemm. Ihm hatten Rehe ebenfalls viel Efeu in seinem Garten in Pölitz abgefressen. Anders als Fritz Heydemann meint er, dass die Rehe andernorts nicht mehr genug Futter gefunden hätten.

"Es mag in einigen Gebieten zu viele Rehe geben", sagt Klemm, "aber das regulieren die Jäger vor Ort, indem sie dann mehr Tiere erlegen." Das dürfen sie laut Abschussplan allerdings erst wieder vom 1. Mai an. Ricken und Kitze dürfen gar erst wieder ab September gejagt werden. Klemm: "Jäger können also jetzt gar nicht eingreifen."

Probleme gibt es auch auf Friedhöfen. "Gerade im Winter ziehen sich Rehe auch gerne zu uns zurück, weil sie mehr Nahrung finden als im Wald und zudem geschützter sind", sagt Peter Berndt, Friedhofsleiter in Großhansdorf. Die Ricken seien tragend und besonders hungrig. Rund um die Gräber hätten die Tiere ebenfalls viel Efeu abgebissen, wie auch Kollegen von anderen Friedhöfen berichteten. Als Plage möchte Berndt die Tiere trotzdem nicht bezeichnen. Allerdings: "Rehe verspeisen auch gern Teile von Gestecken." Als probates Schutzmittel habe sich Buttermilch erwiesen. "Die Tiere mögen den Geruch nicht." Ein Anteil müsse mit fünf Teilen Wasser vermischt und dann versprüht werden, empfiehlt Berndt.

Das Ehepaar Maaß hat sich unterdessen für eine einfachere Methode entschlossen, um eine Kletterhortensie zu schützen: Es hat einen Strandkorb vor die Pflanze gestellt, die sich an einer Hauswand emporrankt.