Serie: Jeden Sonnabend stellen wie einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Frauen helfen Frauen Stormarn

Bad Oldesloe. In Bad Oldesloe werden keine Frauen geschlagen, habe ein Stadtverordneter Anfang der 90er-Jahre gesagt. Das war damals Quatsch und ist es heute noch, sagen die Mitglieder des Vereins Frauen helfen Frauen Stormarn. Sie selbst nennen sich nicht Mitglieder, sondern Mitgliedsfrauen. Mitgliedsfrau Astrid Dünnes ist zudem Vorstandsfrau und Gründungsfrau. Das klingt nach viel Frau, und das ist es auch. "Es gehören an die 70 Frauen zu unserem Verein", sagt Dünnes.

Entstanden ist er 1988 aus einer Gruppe, die sich für Frauenrechte eingesetzt hat. Dünnes hatte drei Jahre in einer Hausaufgabengruppe geholfen. "Da habe ich viel Gewalt in Familien kennengelernt. Das ist gar nicht vorstellbar für den durchschnittlichen Menschen", sagt sie. "Gewalt vom Partner gegen die Frau war ein Tabuthema. Das war der Anlass, in Bad Oldesloe tätig zu werden."

Zunächst wurde ein Notruf-Telefon für Mädchen und Frauen eingerichtet. Zweimal pro Woche gab es für jeweils zwei Stunden Beratung. "Es stellte sich schnell heraus, dass oft persönliche Beratung gewünscht wurde", sagt Dünnes. Mitte 1990 konnten dann, finanziert vom Arbeitsamt, eine Sozialwirtin und eine Psychologin eingestellt werden.

Die Beratungsstelle arbeitet eng mit der Polizei zusammen

Seitdem ist viel passiert. "Es hat ewig gedauert, bis wir akzeptiert wurden", sagt Astrid Dünnes. "Aber nun sind wir da, so wie auch Kaninchenzüchtervereine da sind." Mit einem Unterschied: Die Kosten für die Beratungsstelle werden größtenteils vom Land Schleswig-Holstein, dem Kreis Stormarn, der Stadt Bad Oldesloe sowie anderen Städten und Gemeinden des Kreises übernommen. Das dürfte bei den Kaninchenzüchtern anders sein. Inzwischen ist der Verein mit seiner Frauenfachberatungsstelle in das Bella-Donna-Haus nach Bad Oldesloe (Bahnhofstraße 12) gezogen. Hier liegen Broschüren bereit, in den Regalen stehen Bücher: "Große Frauen der Weltgeschichte", "Anregungen für homosexuelle Paare" und ein Buch von Isabel Allende. Ausleihen erwünscht. Wer wissen möchte, zu welchen Themen es Beratungsangebote gibt, bekommt einen beeindruckenden Stapel Broschüren und den Jahresbericht 2011 auf lachsfarbenem Papier. Die meisten der Hilfe suchenden Frauen, 32 Prozent, waren im Alter von 36 bis 45 Jahren. Sie kamen wegen häuslicher Gewalt, Essstörungen, Schwangerschaftskonflikten, schweren Traumata. Es gibt Selbsthilfegruppen, offene Treffen und Seminare. Einen Jahresbericht 2012 gibt es noch nicht, aber einige Zahlen sind bereits ermittelt. So gab es 1222 persönliche Beratungen, 2011 waren es 731. Von den Frauen kamen 55 Prozent wegen aktueller häuslicher Gewalt. "Die meisten vereinbaren einen Termin. Manche kommen einfach vorbei, das ist schwierig, wenn wir in Gesprächen sind", sagt Gisela Bojer von der Beratungsstelle. Weggeschickt wird aber niemand." Vorausgesetzt, er ist weiblich.

Manchmal geht das Beratungsteam auch auf Frauen zu. Es arbeitet mit der Polizei zusammen. Wird ein Gewalttäter der Wohnung verwiesen, leitet die Polizei die Daten weiter. Den Frauen wird Unterstützung angeboten, und sie werden über ihre Rechte aufgeklärt. Proaktive Beratung nennt sich das. 57 Datenübermittlungen hat es im Jahr 2011 gegeben, 68 im Jahr 2012.

Das Frauenhaus zu retten, war ein großer Erfolg des Vereins

Einige Frauen suchen im Frauenhaus des Vereins Schutz. Im Jahr 2004 hat der Verein das nunmehr einzige Frauenhaus in Stormarn übernommen, 2010 drohte die Zusammenlegung mit dem Haus im Kreis Herzogtum Lauenburg. Dass dies abgewendet werden konnte, wertet der Verein als großen Erfolg. Nun gibt es 13 Plätze. Die Adresse des Hauses soll geheim bleiben. "Trotzdem ist es schon passiert, dass ein Mann seine Kinder von der Schule oder seine Frau von ihrer Arbeitsstelle zum Haus verfolgt hat", sagt Martina Wandke vom Frauenhaus. "Und im Jahr 2011 stand ein Mann auf dem Balkon und bedrohte eine Mitarbeiterin mit einem Messer", sagt sie. "Etwa fünfmal im Jahr gibt es gefährliche Fälle. Wir bitten dann die Polizei, in der Gegend vermehrt Streife zu fahren." Im Frauenhaus gibt es drei Mitarbeiterinnen in Teilzeit und eine nebenberufliche Erzieherin. Ehrenamtliche unterstützen sie. Ebenso bei der Beratungsstelle. Hier arbeiten sechs in Teilzeit und eine Minijobberin. Im Jahr 2011 wurden für den Verein 1300 Arbeitsstunden ehrenamtlich geleistet. "Schweißstunden", sagt Wandke.

Um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen, organisiert der Verein Veranstaltungen. So gab es bereits ein Frauenfreundschaftsfest im Oldesloer Bürgerhaus und ein Konzert gegen Gewalt im Bella-Donna-Haus. Übrigens: Männer reagierten unterschiedlich auf die Aktionen, manche fühlten sich angegriffen. Sie wollen aber auch Männer für ihre Sache gewinnen, sagen die Frauen. Hin und wieder gelinge das, Landrat Klaus Plöger habe schon mitgemacht, und Oldesloes Bürgermeister Tassilo von Bary habe bei der Aktion "Gewalt kommt nicht in die Tüte" Brötchentüten verteilt.

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