Der streitbare Jersbeker Georg Engst weist mit verschiedenen Aktionen auf die Gefahren von Mobilfunk-Strahlung hin

Jersbek. Er ist ein streitbarer Geist. Auch mit 82 Jahren. Gerade. Er muss auf niemanden mehr Rücksicht nehmen, er hat internationales Ansehen: Georg Engst. Weiße Haare. Markante Gesichtszüge. Jersbeker. Zurzeit stellt er im Hamburger Rathaus seine Fotoreihe "Menschen im Museum" aus. Und das, obwohl er erstens Bildhauer und zweitens im Rentenalter ist. Aber er ist wach. Er fühlt Verantwortung. "Ein Künstler muss sich einsetzen", sagt Engst. Seit Jahren streitet er für einen Mindestlohn von Künstlern. Jetzt verlässt er einmal mehr den internen Zirkel und setzt sich für den Strahlenschutz von Kindern ein.

Wer von Engst in diesen Tagen Post bekommt, findet auf der Rückseite einen Aufkleber. "Handys weg von Kinderköpfen! Eine Initiative des Bundesgesundheitsministeriums" ist da zu lesen. "Wie heißt das so schön: Ich bring' mich ein." Der Jersbeker hat sich einer Aktionsgruppe in Hamburg angeschlossen, um auf die Gefahren der Funkstrahlen hinzuweisen. "Natürlich sind die überall. Aber die Auswirkungen auf die kleinen Köpfe sollten besonders bedacht werden."

Dass Engst Briefe verschickt, sagt etwas über sein persönliches Verhältnis zur modernen Technik aus. Mails bekommt man von ihm nicht. Und auch ein Handy ist bei ihm nicht zu entdecken. Es ist eine Frage des Lebensstils. Ansonsten weiß dieser Mann genau, was läuft. "Die Handys kriegen wir nicht weg. Das ist ganz klar. Und die Masten auch nicht", sagt Engst. "Aber wir können wenigstens auf das Problem hinweisen. Wer, wenn nicht wir." Er tut es mit seinen Mitteln: der Kunst. Aus einem Kinderkopf mit starren Augen und überdimensionierten Ohren dringen Kabel heraus. Es ist ein Symbol. Die Fotomontage soll provozieren, zum Nachdenken anregen. Er ist kein Mediziner oder Techniker. Er liefert seinen Debattenbeitrag als Künstler.

Schon seit Jahren mischt sich Engst gesellschaftspolitisch ein. Als Mitglied des harten Kerns einer Bürgerinitiative hat er gegen die Bebauung des Ohlsdorfer Friedhofs gekämpft. Er will Kunst am Bau vor den Abrissbirnen retten. Und er will vor allem, dass die Kollegen endlich wach werden und sich engagieren - zumindest für ihre eigenen Interessen. Der Mindestlohn für Künstler ist für ihn aktueller denn je. Kunst dürfe es nicht zum Nulltarif geben. "Wir müssen ja oft sogar noch Geld mitbringen. Das geht so nicht." Seine aktuelle Ausstellung in Hamburg ist ein Beispiel.

Engst guckt sich um. "Das Rathaus-Foyer ist eine feine Adresse", sagt der Jersbeker. Aber bevor der Eindruck entsteht, er sonne sich als hehrer Künstler im Glanz des edlen Ortes, kommt der gewohnt kritische Nachsatz: "Der Aufbau war eine Katastrophe. Und natürlich musste ich das zahlen. Die Stadt gibt nur den Raum. Ich habe eine Firma beauftragt. 1500 Euro hat mich der Spaß gekostet. Wir Künstler sind einfach zu blöd."

Er entzaubert sich und holt auch den beflissenen Kunstbetrachter auf den Boden der Tatsachen. Seine Fotoserie passt perfekt dazu. Sie liefert Einblicke in das unbeobachtete Beobachten von Kunst und macht damit den Ausstellungsbetrieb selbst zum Thema. Wie ernst wird Kunst genommen? Was löst sie aus? Was gibt sie den Menschen? Was wissen sie darüber, wie ein Maler oder Bildhauer lebt? Ganz sicher nicht abgeschieden im Elfenbeinturm, wenn sie Georg Engst heißen.

Das dörfliche Jersbek ist für ihn kein Rückzugsort, kein vermeintliches Idyll. Hier hat er Platz. Und den braucht er. Das Markenzeichen des Bildhauers sind Einräder. Nicht die zusammenklappbaren aus Stahl, sondern die meterhohen aus Bronze. Eine dieser monumentalen Arbeiten steht in seinem Vorgarten. Keine Primeln. Keine Pflanzschalen. Nur Gras vor einem weißen Bungalow. Und mittendrin ein Einradfahrer, ein kunstvoller Balanceakt. Er ist Sinnbild für das Aufrechtbleiben unter schwierigen Bedingungen. Georg Engst hat es geschafft, aber er will es immer wieder wissen und bleibt dran, für sich und andere. Gerade hat er an einem Wettbewerb teilgenommen, Tag und Nacht dafür gearbeitet - und doch verloren. Er ist krank geworden darüber. Hört das denn nie auf? "Nein", sagt Engst, "das wird schlimmer."