Vertreter von SPD, CDU, Grünen und Linken diskutieren über die Rolle von Rechtsextremen in Vereinen und Gesellschaft.

Glinde. "Sie sind verunsichert, ziehen sich zurück und sind dadurch kaum wahrnehmbar. Die kochen in ihrem eigenen Saft. Da steckt eine Dynamik dahinter, die kaum überschaubar ist." So beschreibt NDR-Journalist Stefan Schölermann die Gefahr, die von der rechten Szene ausgeht. Er warnt vor der Annahme, dass rechtes Gedankengut mit dem Rückzug der rechts Gesinnten aus der Öffentlichkeit automatisch verschwindet. "Diese Menschen sind trotzdem immer noch da."

Der Experte für Rechtsextremismus war einer der Redner, die Glindes Bürgermeister Rainhard Zug am Dienstagabend zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion ins Forum des Schulzentrums am Oher Weg eingeladen hat. Über die Rolle von Rechtsextremen in Vereinen und Gesellschaft und die mögliche Unterwanderung in Deutschland diskutierten außerdem Luise Amtsberg vom Bündnis90/Die Grünen, CDU-Landtagsmitglied Axel Bernstein, SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner und Gerd Wiegel, der als Referent für Rechtsextremismus und Antifaschismus für die Fraktion Die Linke im Bundestag arbeitet.

Als Vertreterin der Bürgerinitiative "Glinde gegen rechts" saß Leana Pfarr auf dem Podium. "Es gibt die Glatzen, es gibt aber auch Anzugträger, von denen man auf den ersten Blick nicht vermutet, dass es Nazis sind", verdeutlichte die 19-Jährige das Problem. Axel Bernstein (CDU) rief jeden Einzelnen zur Wachsamkeit auf: "Wir alle müssen genau hinhören. Ob es im Kollegenkreis ist, am Stammtisch oder im Verein. Aber ich warne auch vor aufgeregtem Alarmismus. Nicht jeder blöde Spruch entlarvt gleich einen Neonazi."

Luise Amtsberg, die gerade auf den ersten Platz der schleswig-holsteinischen Landesliste der Grünen für die Bundestagswahl 2013 gesetzt wurde, hielt dagegen: "Auch die kleinste abwertende Bemerkung einem anderen Menschen gegenüber muss ernst genommen werden. Latent rassistische Haltungen sind schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir müssen endlich an den Punkt gelangen, dass es egal ist, woher jemand kommt." SPD-Landeschef Stegner sieht in der frühen Aufklärung einen möglichen Weg: "Schon in Kitas und Schulen sollten Kinder vermittelt bekommen, wie wichtig Toleranz und Vielfalt sind. So lernen sie von Anfang an, dass Menschen zwar unterschiedlich sein können - aber nicht unterschiedlich viel wert sind."

Dass Angst und Unwissenheit Ursache von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung sein können, unterstrich CDU-Landtagsmitglied Bernstein, der auch von staatlichen Einrichtungen den Abbau von Vorurteilen fordert. Außerdem "schafft Gettobildung Entfremdung. Wir brauchen das krasse Gegenteil". Linke-Mitglied Gerd Wiegel, der eng mit den Abläufen des NSU-Untersuchungsausschusses befasst ist, sieht noch einen langen Weg im Kampf gegen den Rechtsextremismus in Deutschland. "Der Vertrauensverlust der Bürger den Behörden gegenüber ist sehr groß. Es liegt noch viel Arbeit vor uns."

Einstimmig positiv wurden von den Politikern der Runde die Aktionen der Bürgerinitiative "Glinde gegen rechts" bewertet. Gymnasiastin Leana Pfarr ist seit der ersten Stunde dabei und stolz darauf, dass die Protestbewegungen "Anstoß für viele wichtige Gespräche in Glinde sind." Der Anlass, sich zu einer Initiative zusammenschließen, war im Herbst 2011 die Eröffnung des Modegeschäftes Tønsberg gewesen, in dem die bei Rechtsextremen beliebte Modemarke Thor Steinar vertrieben wird. Seitdem finden dort unter der Woche täglich von 17 bis 19 Uhr Mahnwachen statt, die die Schließung des Geschäftes als Ziel haben.

"Glinde beweist Mut und langen Atem", lobte Journalist Stefan Schölermann die Aktion. Auch CDU-Landtagsabgeordneter Bernstein sieht die Initiative als "positives Aushängeschild für die Stadt". Dass der Glinder Protest in Kiel wahrgenommen und geschätzt wird, bestätigte SPD-Landeschef Stegner: "Selbst diejenigen, die Glinde vorher gar nicht kannten, wissen jetzt: Hier wohnen Bürger, die sich nicht alles gefallen lassen, die sich wehren und nicht nachgeben."

Diese Hartnäckigkeit schätzt auch Günther Herder-Alpen, Fraktionsvorsitzender der Reinbeker Grünen. Mit etwa 100 anderen Interessierten verfolgte er die einstündige Diskussion im Forum des Schulzentrums. "Das breite Spektrum des Widerstands hat sich auf der Bühne widergespiegelt."