Mehr als 100 Kommunen unterschreiben landesweite Erklärung. Bündnis will Land und Bund über Lage informieren. Betreiber streiten um Übergabe.

Bargteheide. Zum 1. Januar vergangenen Jahres ist in Bargfeld-Stegen der Wegenutzungsvertrag für die Stromnetze mit der Vereinigte Stadtwerke Netz GmbH (VSG) in Kraft getreten. Doch noch immer ist das Dorf an die Bedingungen des früheren Vertragspartners, der Schleswig-Holstein Netz AG, ehemals E.on Hanse, gebunden. Genauso geht es mehr als 100 weiteren Gemeinden in Schleswig-Holstein.

Um ihr Recht auf Umsetzung des neuen Vertrags einzufordern, haben die Gemeindevertreter von Bargfeld-Stegen, Jersbek, Tremsbüttel und Delingsdorf nun beschlossen, sich einem landesweiten Bündnis anzuschließen. Hammoor, Todendorf und Elmenhorst werden es ihnen in den kommenden Tagen gleichtun. Unter den Unterzeichnern sind auch Ammersbek und die Gemeinden des Amtes Nordstormarn. Auch Orte in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Ostholstein, Pinneberg und Herzogtum-Lauenburg sind betroffen.

Mit der Erklärung will das Bündnis Land und Bund über seine Lage informieren. Alle Gemeinden haben sich in den vergangenen Jahren dazu entschlossen, den Netzbetreiber zu wechseln. Doch obwohl dies in einem "fairen und offenen Wettbewerb" geschehen sei, können die neuen Verträge, die überwiegend mit den Stadtwerken geschlossen wurden - bis heute nicht in Kraft treten. "Die Schleswig-Holstein Netz AG zögert die Übergabe der Netze hinaus", sagt Bernd Gundlach, Leiter des Amtes Bargteheide-Land.

Die Konzessionsverträge mit der Schleswig-Holstein Netz AG sind teilweise vor fünf Jahren ausgelaufen. Die Entscheidung zugunsten der Stadtwerke ist laut Gundlach aufgrund der für die Gemeinden besseren Vertragsbedingungen gefallen. Jetzt jedoch stelle sich der frühere Anbieter quer, sodass keine Einigung zustande komme.

"Die neuen Verträge können nicht umgesetzt werden, was finanzielle Nachteile hat", sagt Gundlach. Die Nutzungsentgelte, die die Schleswig-Holstein Netz AG im Amtsgebiet Bargteheide-Land erhebe, fielen pro Jahr um rund 456.000 Euro höher aus, als dies bei der VSG der Fall wäre. Das sei auch zum Nachteil der Verbraucher. Denn würden die neuen Verträge umgesetzt, könnten Stromlieferanten die niedrigeren Entgelte der VSG weitergeben und so den Strompreis senken.

In ihrer gemeinsamen Erklärung fordern die Gemeinden deshalb, die "Wettbewerbsergebnisse anzuerkennen" und "Investitionshemmnisse zu beseitigen". Das Bündnis wirft der Schleswig-Holstein Netz AG unter anderem vor, die Bereitstellung von Daten zunächst lange hinausgezögert zu haben und nun überzogene Kaufpreisforderungen zu stellen sowie Verhandlungen auszusetzen oder abzubrechen. Jedes weitere Hinauszögern der Übergabe gefährde die Energiewende.

Dem widerspricht das Unternehmen. In einer schriftlichen Erklärung, die dem Abendblatt vorliegt, heißt es: "Die mit der Rekommunalisierung drohende Netzzersplitterung wirkt sich negativ auf den Netzbetrieb aus. Um den Herausforderungen der Energiewende zu entsprechen, wird ein zusammenhängendes Netz mit vielen Querverbindungen, einheitlicher Betriebsführung sowie einem hohen technischen Standard - etwa durch fernüberwachte Ortsnetzstationen - immer wichtiger."

Des Weiteren erklärt das Unternehmen, der Schleswig-Holstein Netz AG Verzögerungstaktik vorzuwerfen sei sachwidrig. "Der übernehmende Netzbetreiber will, dass wir mehr Netzanlagen herausgeben, als überhaupt Gegenstand der Vergabe waren."

Man akzeptiere die Konzessionsentscheidungen "schweren Herzens", wolle jedoch die Gründe dafür "verstehen und nachvollziehen können". Prüfungen seien auch deshalb nötig, weil eine "Reihe von Fällen", wie etwa die Stadt Heiligenhafen, gezeigt hätten, dass die Neuvergabe von Konzessionen teilweise nicht den rechtlichen Rahmenbedingungen des Energiewirtschaftsgesetz entsprochen habe.

Die Mitglieder des Bündnisses stellen sich gegen diese Argumente. Mit der gemeinsamen Erklärung wollen sie nun auf ihr Problem aufmerksam machen. Amtsleiter Gundlach sagt: "Wir wollen Druck ausüben, damit die demokratisch in den Gemeindevertretungen getroffenen Entscheidungen endlich anerkannt werden." Die Gemeinden stellen sich derweil auf einen Rechtsstreit ein. So plant zum Beispiel Ammersbek dafür zwischen 1000 und 2000 Euro im Haushalt ein - das sind rund zehn bis 20 Cent pro Einwohner.