Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Pryvit aus Ahrensburg

Ahrensburg. Viele Vereine betonen, dass sie soziale, gemeinnützige Ziele haben. Doch bei Pryvit ist dieser Aspekt so zentral wie bei kaum einem anderen Verein in Stormarn. Kindern aus der Region von Tschernobyl zu helfen - das ist das einzige Ziel und der Daseinszweck der Organisation, die ihren Sitz in Ahrensburg hat. Einmal im Jahr organisiert Pryvit einen Sommeraufenthalt für eine Gruppe von Kindern aus der Ukraine in Großhansdorf. Sie verbringen einige Wochen im dortigen Landschulheim Erlenried und werden ärztlich untersucht. Außerdem sollen die Kinder einfach eine schöne Zeit haben - damit es eine wird, organisieren die Vereinsmitglieder Ausflüge und vieles mehr. "Wenn Organisationen wie unsere den Kindern dort nicht helfen, dann hilft ihnen keiner mehr", sagt der Vorsitzende Wulf Garde.

Die Geschichte des Vereins beginnt im September 2010. Garde, er ist pensionierter Lehrer, liest einen Zeitungsartikel, der sein Leben verändern wird. Er handelt von dem Freundeskreis Tschernobylkinder Hamburg-Volksdorf. 18 Jahre lang hat der Verein Kindern aus der Ukraine geholfen - nun wird er sich auflösen. Zwei Mitglieder, Leonhard Hollmann und Alexander Fuchs, rufen dazu auf, die Arbeit des Freundeskreises fortzusetzen.

Das Wort Pryvit bedeutet "Hallo" auf Ukrainisch

Wulf Garde hebt den Artikel einige Zeit auf, im Dezember 2011 ist es schließlich so weit. Gemeinsam mit sechs weiteren Mitstreitern hebt der Ahrensburger den Verein Pryvit aus der Taufe - das Wort bedeutet "Hallo" auf Ukrainisch. Mit von der Partie sind Gardes Tochter Anna Lena und sein Sohn Philipp, außerdem Leonhard Hollmann und Alexander Fuchs. Die beiden jungen Männer, heute 24 und 31 Jahre alt, haben durch ihre Arbeit beim Freundeskreis Tschernobylkinder schon einige Erfahrung, die sie nun in den neuen Verein einbringen können.

So haben beide - Hollmann ist Filmstudent - im Jahr 2008 den Film "Im Schatten des Sarkophags" gedreht, der das Leben in der Region von Tschernobyl zeigt - jener Stadt, in der es im Jahr 1986 zu einer Nuklearkatastrophe im Kernkraftwerk kam. Er vermittelt vielen, die im Verein Pryvit helfen wollen, einen ersten Eindruck von der Situation in den betroffenen Gebieten, die bitterarm sind und in denen noch heute viele Menschen an Krankheiten leiden.

Wulf Garde wird die Region auf einer Reise im Jahr 2012 kennenlernen. Es sind prägende Eindrücke: "Die Dörfer in dieser Gegend sind wie aus der Zeit gefallen. Die Menschen leben oft in Holzhäusern, manche Dörfer sind auch fast verlassen." Die Armut in dieser Gegend, so Garde, sei "total". Denn in der einst touristischen Region gebe es fast keine Arbeit mehr. Die Menschen kommen sehr selten aus ihren Dörfern heraus, zumal sie sich kaum eine Busfahrkarte nach Kiew leisten können. Umso wichtiger ist es Garde, Kindern aus dieser Region wieder Reisen nach Deutschland zu ermöglichen.

Verein hat mehr als 30.000 Euro Spenden gesammelt

Dafür braucht er Geld - Wulf Garde und seine Mitstreiter setzten alle Hebel in Bewegung, um Sponsoren für ihr Vorhaben zu gewinnen. Mit Erfolg: Organisationen wie der Großhansdorfer Lions Club und der Ahrensburger Round-Table-Club spenden, Unternehmen und Privatleute aus der Region tun es ihnen gleich. Mehr als 30.000 Euro kommen zusammen.

Mit einem Großteil dieses Geldes holt Pryvit im Juli 2012 erstmals junge Gäste aus der Ukraine nach Deutschland. Es sind 16 Kinder, die zusammen mit erwachsenen Begleitern die 1600 Kilometer lange Reise mit einem Bus antreten. Sie stammen aus Dörfern in der Umgebung von Tschernobyl. Wegen der radioaktiven Strahlung, die dort noch immer herrscht, haben sie ein geschwächtes Immunsystem.

Nach ihrer Ankunft in Großhansdorf werden die Kinder, sie sind sieben bis 13 Jahre alt, erst einmal in der Park-Klinik Manhagen untersucht.

Im Landschulheim bekommen sie täglich Vitamine, für manche Kinder steht auch der Gang zu einem Optiker oder zu einem Zahnarzt an. Doch auch der Spaß kommt nicht zu kurz - mit ihren Betreuern toben sie über den Ostseestrand, fahren mit dem Boot auf der Elbe, lernen die Tiere bei Hagenbeck, einen Hoisbütteler Jäger und den Großhansdorfer Bürgermeister kennen.

Wulf Garde und andere Vereinsmitglieder sind in jenen Tagen fast rund um die Uhr mit diesen Kindern beschäftigt. Und sie sind schwer beeindruckt von ihnen. "Mir imponiert die Lebensfreude ihre Dankbarkeit und Bescheidenheit", sagt Kurt Nack von Pryvit. Anna Lena Garde ist besonders ein Fest in Erinnerung geblieben, bei dem sich die Kinder mit Liedern aus der Ukraine bei ihren Spendern bedanken. Alexander Fuchs hingegen konnte als Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr seine Kontakte nutzen und einen Besuch bei den Brandschützern ermöglichen. Am Ende des Tages, der nicht nur für die Jungen spannend war, wurden die Kinder mit Sirene und Blaulicht zurück ins Landschulheim gefahren. Ein besonderes Erlebnis, das in diesem Jahr wiederholt werden soll.

Die Vorbereitungen für die diesjährige Sommer-Reise ukrainischer Kinder laufen auf Hochtouren. Vom 3. bis zum 24. August sollen erneut 16 Kinder nach Großhansdorf kommen. Um das Programm zu finanzieren, braucht der Verein noch Spenden. Außerdem werden noch Betreuer gesucht, die mindestens eine Woche am Stück Zeit haben und idealerweise Russisch oder Ukrainisch können. Für junge Leute, so Garde, kann es eine tolle Erfahrung sein.