Kreis zählt 110 Inobhutnahmen im Jahr 2012. Kinderschützer rät: Frühzeitig Hilfe suchen

Bad Oldesloe. Statistisch gesehen, sagt Kinderschutzbund-Kreisgeschäftsführer Ingo Loeding, müsse man davon ausgehen, dass in jeder Schulklasse ein Kind von häuslicher Gewalt oder Vernachlässigung betroffen sei. Ob ein Kind in der Familie Gewalt erlebt oder vernachlässigt wird, sei nicht immer gut zu erkennen. "Aber erkennbar ist, dass die Öffentlichkeit mehr hinschaut", sagt Loeding. Ein Grund dafür seien besonders schlimme Fälle wie der des Dreijährigen, der im Juni 2012 in Bad Segeberg in einem Keller gefunden wurde.

"In Stormarn gab es im Jahr 2012 rund 110 Inobhutnahmen", sagt Wilhelm Hegermann, Leiter des Fachbereichs Jugend, Schule und Kultur beim Kreis. Inobhutnahme bedeutet: Ein Kind oder ein Jugendlicher wird aus seiner Familie herausgenommen. 540 Meldungen einer Kindeswohlgefährdung gingen ein. "Allerdings ist nicht differenziert, ob es sich um begründete oder unbegründete handelt", sagt Hegermann. Auch Mehrfachmeldungen werden nicht extra ausgewiesen.

Viele Probleme könnten vermieden werden. "Wir wollen Eltern ermutigen, sich frühzeitig Hilfe zu suchen", sagt Ingo Loeding. "In Stormarn sind wir seit Jahren bemüht, gerade den Bereich der frühzeitigen Hilfe auszubauen", sagt er. Das habe zwei Vorteile: Problemen könne entgegengewirkt werden, bevor die Situation eskaliert. Und: "Wenn Eltern rechtzeitig unterstützt werden, können teure Maßnahmen wie etwa eine Unterbringung im Heim vermieden werden." Eine Art der Unterstützung sei der Einsatz von Familienhebammen. In Stormarn gibt es vier, sie begleiten Familien in besonderen Situationen, etwa wenn der Säugling krank ist oder die Familie Schwierigkeiten hat, mit dem Baby zurechtzukommen. Auch ehrenamtliche Familienpatinnen werden vom Kinderschutzbund ausgebildet.

Ingo Loeding wünscht sich, dass Eltern den Mut haben, sich einzugestehen, dass sie Probleme haben. Denn es gebe viel Unsicherheit in Erziehungsfragen - in allen Gesellschaftsschichten. "Und es ist besser, einmal zu viel nachzufragen als einmal zu wenig", sagt er. Viele scheuten sich vor einer Kontaktaufnahme, weil sie Konsequenzen befürchteten. Es gebe das Vorurteil, dass die Jugendbehörde bei Problemen sofort die Kinder wegnehme. Das sei aber nicht so. "Die Jugendbehörden sind Anlaufstellen", sagt Loeding.

2012 wurden in Stormarn 606 Hilfen zur Erziehung geleistet, darunter ambulante wie etwa in den Kinderhäusern oder stationäre, etwa in Wohngruppen oder Pflegefamilien. "Damit liegen die Werte etwa auf dem gleichen Level wie im Jahr davor", sagt Wilhelm Hegermann vom Kreis Stormarn.

Ingo Loeding vom Kinderschutzbund: "Ich wünsche mir, dass die Eltern sich für die Hilfsangebote öffnen. Es gibt eine Vielzahl an Angeboten, etwa von Kirchengemeinden oder auch von Eltern untereinander." Zudem gebe es die Möglichkeit, anonym Hilfe zu bekommen. Zum Beispiel über das Elterntelefon. Unter der Nummer 0800/111 05 50 bekommen Eltern kostenlos Rat, und zwar immer montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr. Kinder und Jugendliche können sich montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr unter Telefon 0800/111 03 33 melden.

Dieses Angebot wird bundesweit zunehmend genutzt. Im Jahr 2011 wurden insgesamt 872.858 Anrufe beim Kinder- und Jugendtelefon registriert, davon 218.016 intensive Beratungen. 2010 waren es 831.704 Anrufe gewesen, davon 214.758 Beratungen. An derzeit 88 Standorten nehmen Helfer die Gespräche entgegen - auch in Bargteheide. Im Jahr 2011 gab es dort 11.764 Kontakte, darunter 3014 Beratungen. 2010 waren es 12.853 Kontakte gewesen, darunter 3554 Beratungsgespräche.

Die Anzahl der Anrufe beim Elterntelefon lag 2011 bei 35.485, es wurden 11.422 Beratungsgespräche geführt. Das sind weniger als 2010 (36.437 Anrufe, darunter 12.287 intensive Beratungen), jedoch deutlich mehr als im Gründungsjahr 2001, damals gab es 3550 Beratungsgespräche. Um die Eltern kümmern sich inzwischen mehr als 1000 ehrenamtliche Helfer an 47 Standorten, einer davon ist Bad Oldesloe. 1506 Gespräche, davon 394 intensive Beratungen, wurden dort im Jahr 2011 registriert. Im Jahr 2010 wurden 1228 Anrufe gezählt, darunter 259 Beratungen.

"Eltern sind sehr belastet", sagt Loeding. "Zwar geht es in Stormarn den allermeisten so gut wie nie. Aber für die, denen es schlechter geht, ist es schwer."