Aufklärungsquote sinkt. Einbruchsschwerpunkte sind die Kommunen in der Nachbarschaft zu Hamburg, die Bewohner des Umlandes der Hansestadt sind besonders gefährdet.

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Glinde. Das Rentnerehepaar hatte am Tage nur kurz sein Einfamilienhaus in Glinde zum Einkaufen verlassen. Nach einer Stunde kommen beide zurück. Die Ehefrau sieht gleich, dass die Haustür aufgebrochen ist. Im Haus sind Schubladen und Schränke durchwühlt worden. Einbrecher waren am Werk: Geld, Schmuck und eine Kamera fehlen.

Taten wie diese geschehen in Stormarn immer häufiger. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche im Kreis laut der polizeilichen Kriminalstatistik, die vergangene Woche veröffentlicht wurde (wir berichteten), auf 963 an. Das ist eine Zunahme um 11,2 Prozent, im Jahr 2011 war in 866 Wohnungen eingebrochen worden. Damit steigt die Zahl der Einbrüche in Stormarn seit Jahren an: 2007 gab es 616 Taten, 2009 schon 746, im Jahr 2010 dann 857.

Umgerechnet auf 100.000 Einwohner geschahen in Stormarn vergangenes Jahr 417 Wohnungseinbrüche. 2011 lag diese sogenannte Häufigkeitszahl bei 377 Taten. Damit gehörte Stormarn 2011 bundesweit sogar zu den zehn Regionen mit den meisten Einbrüchen. Ob dies vergangenes Jahr auch der Fall war, ist noch nicht feststellbar, da die Einbruchszahlen 2012 noch nicht für alle Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands bekannt gegeben worden sind.

"Stormarn ist ein finanzstarker Kreis mit überdurchschnittlichem Einkommen", begründet Sonja Kurz, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, dass der Kreis beliebt bei Einbrechern ist. Zudem habe Stormarn eine sehr gute Infrastruktur durch die Autobahnen und den öffentlichen Nahverkehr. "Die Täter sind schnell am Tatort und können ihn auch schnell wieder verlassen", sagt Sonja Kurz. Viele Täter kämen aus Hamburg und kehrten nach begangenem Einbruch dorthin zurück.

Was die Verteilung auf Städte und Gemeinden betrifft, so wurden die meisten Einbrüche in Stormarn im Jahr 2012 mit 137 Fällen in Ahrensburg verübt, gefolgt von Barsbüttel (116), Reinbek (102) und Glinde (83). Einbruchsschwerpunkte sind damit die Kommunen in der Nachbarschaft zu Hamburg, die Bewohner des Umlandes der Hansestadt sind besonders gefährdet. Dort steigen die Einbruchszahlen seit Jahren, in Barsbüttel etwa lagen sie 2007 noch bei 33 Taten, 2010 waren es schon 52. In Reinbek wiederum gab es 2007 noch 62 Fälle, im Jahr 2010 waren es schon 89.

Dass der Hamburger Rand bei Wohnungseinbrüchen ein Problemgebiet ist, zeigen auch die Häufigkeitszahlen bezogen auf 100.000 Einwohner. Danach gab es 2012 im Hamburger Randgebiet der Polizeidirektion Ratzeburg 487 Einbrüche, im gesamten Gebiet der Polizeidirektion waren es umgerechnet 347 Taten. Für ganz Schleswig-Holstein liegt der Wert bei 270.

Aufgeklärt wurden in Stormarn im vergangenen Jahr 7,4 Prozent aller bekannt gewordenen Wohnungseinbruchdiebstähle. Das ist ein Rückgang um 0,2 Prozent gegenüber 2011, nachdem die Quote zuvor seit dem Jahr 2008 stetig gestiegen war. Innerhalb Stormarns lag die Aufklärungsquote etwa in Ahrensburg bei 10,2 Prozent, in Bad Oldesloe bei 14,1 und in Reinbek bei 6,9. In Glinde und Barsbüttel betrug sie 10,8 und 3,4 Prozent. In vielen Orten konnte kein Einbruch aufgeklärt werden. So wurden etwa in Siek (15 Einbrüche), Lütjensee (11) und Hoisdorf (12) in keinem einzigen Fall Täter ermittelt.

"Die Opfer leiden oft noch sehr lange unter der Tat", sagt Günter Santjer, Sprecher des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Weissen Rings. Der Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern betreute vergangenes Jahr im Land 185 Betroffene von Diebstählen und Einbrüchen. Auch diese Zahl ist gestiegen, 2011 waren es 161 Fälle gewesen. "Die Opfer stört, dass die Einbrecher in ihre Intimsphäre eingedrungen sind, wenn sie ihre Wohnungen durchsucht haben. Vor allem darunter leiden sie", schildert Santjer die Erfahrungen der Opferhelfer. Hinzu komme eine tief sitzende Furcht, dass erneut Einbrecher ins Haus kommen. "Die Opfer werden extrem geräuschempfindlich, schrecken hoch, wenn sie etwas in ihrem Haus hören", sagt Santjer.

Die Opferhelfer des Weissen Rings leisten daher unter anderem psychologische Betreuung. "Den Betroffenen hilft es schon, wenn sich jemand Zeit nimmt und mit ihnen spricht, ihnen bei ihren Problemen zuhört", sagt er. Wenn es nötig ist, vermittelt der Verein auch professionelle Hilfe durch Psychologen. Dafür erhalten Opfer einen Scheck für eine kostenlose Erstberatung.

Ebenso vermittelt der Weisse Ring den Einbruchsopfern bei Bedarf Rechtsanwälte, auch für diese gibt es Beratungsschecks. Die Helfer begleiten Betroffene zu Gerichtsverhandlungen und Behörden. Und im Notfall erhalten die Opfer auch finanzielle Hilfe. "Oft sind die materiellen Schäden aber abgedeckt, etwa durch Versicherungen", sagt Günter Santjer.

Wie aber verhält man sich, wenn man einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt? "Man sollte nicht den Helden spielen", rät Günter Santjer. Man könne nie wissen, wie der Täter reagiere und ob er aggressiv werde. "In der Regel wollen die Täter schnell entkommen, daher sollte man ihnen nicht den Fluchtweg versperren." Oft helfe es schon, Licht anzuschalten, damit der Täter die Flucht ergreife. Santjer: "Wichtig ist, möglichst schnell die Polizei zu rufen."