Syrer handelte mit Marihuana im Oldesloer Asylbewerberheim. Zum Prozessauftakt legt der 28 Jahre alte Mann ein Teilgeständnis ab.

Lübeck/Bad Oldesloe . Es liegt abgeschieden am Ende der Kampstraße in Bad Oldesloe: das Asylbewerberheim des Kreises Stormarn. Rund 70 Menschen haben in dem Haus eine Bleibe gefunden. Es sind Ausländer, die nach Deutschland geflohen sind, weil sie in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden oder weil sie auf ein besseres Leben hoffen. Die weitaus meisten von ihnen halten sich an Recht und Gesetz. Doch es gibt auch Ausnahmen. Wie die des 28 Jahre alten Asylbewerbers aus Syrien. Der frühere Bewohner der Unterkunft an der Kampstraße muss sich seit Montag vor der III. Großen Strafkammer des Lübecker Landgerichts wegen Drogenhandels verantworten.

Die Staatsanwaltschaft hat den Syrer angeklagt, von Januar bis Oktober vergangenen Jahres in 260 Fällen in Bad Oldesloe Marihuana verkauft zu haben. In 129 Fällen sollen dabei Kinder und Jugendliche seine Abnehmer gewesen sein. Verkauft hat er die Drogen laut der Anklage in seinem Zimmer in dem Asylbewerberheim und am Oldesloer Bahnhof.

Der 28-Jährige war am 8. Oktober 2012 in der Nähe seiner Wohnung an der Reimer-Hansen-Straße in Bad Oldesloe festgenommen worden. Er war erst wenige Tage vorher aus dem Asylbewerberheim ausgezogen. Seiner Festnahme waren umfangreiche Ermittlungen der Oldesloer Polizei vorausgegangen. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei rund 600 Gramm Marihuana, Verpackungsutensilien für das Rauschmittel, eine Schreckschusspistole vom Typ Walther PPK mit Munition sowie ein Elektroschockgerät. Derzeit sitzt der Angeklagte in der Justizvollzugsanstalt Lübeck in Untersuchungshaft.

Zu Prozessbeginn am Montag wollte der Angeklagte zunächst keine Angaben zu den Vorwürfen gegen ihn machen. Noch bevor der erste der insgesamt zehn geladenen Zeugen vernommen werden konnte, baten seine beiden Verteidiger jedoch plötzlich um ein Gespräch mit dem Staatsanwalt und der Strafkammer, in der zwei Berufsrichter und zwei Schöffen sitzen. Der Vorsitzende Richter Kai Schröder ließ sich darauf ein und unterbrach die Verhandlung für das Gespräch.

Nach einer halben Stunde wurde der Prozess fortgesetzt. "Wir haben das Gespräch geführt, um eine Verständigung vorzubereiten", sagte Richter Schröder. Eine Verständigung der Prozessbeteiligten über das Urteil sei möglich, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt und gegen ihn eine Freiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und sechs Monaten verhängt wird. "Das Gericht ist an das Geständnis nicht gebunden, wenn die Verhandlung andere Erkenntnisse ergibt", belehrte Schröder den Angeklagten.

Dieser äußerte sich auf Anraten seiner Anwälte über einen Dolmetscher dann doch zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft: "Das was in der Anklage steht, ist richtig." Allerdings schränkte er sein Geständnis sogleich wieder ein. So habe er von Januar bis April 2012 anders als in der Anklageschrift behauptet keine Drogen verkauft, sondern nur als Kurier für einen anderen Drogendealer gearbeitet. Ab Ende April habe er dann selbst gedealt, weil er von dem anderen Händler kein Geld mehr bekam. Der Syrer gestand auch, für rund 3000 Euro Drogen gekauft und in seiner Oldesloer Wohnung aufbewahrt zu haben.

Der von ihm genannte andere Drogenhändler ist ebenfalls ein Asylbewerber, der in dem Oldesloer Heim untergebracht war. Der 34-Jährige war von der Polizei kurz vor dem Angeklagten im September 2012 festgenommen worden, weil er verdächtigt wurde, von Januar bis Juli 2012 Marihuana an mehrere Minderjährige verkauft zu haben. Deshalb ist er bereits zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Trotz der möglichen Absprache wurden am Montag noch mehrere Zeugen vernommen, darunter Kunden des Angeklagten. Und schon bei der ersten Vernehmung taten sich Widersprüche auf: Ein 29-Jähriger gab an, dass er in den Jahren 2011 und 2012 alle zwei Tage Marihuana bei dem Angeklagten gekauft habe. Demgegenüber sagte dieser, er habe höchstens fünf- bis sechsmal an den Zeugen verkauft.

Vernommen wurden auch fünf Jugendliche aus Bad Oldesloe im Alter von 16 bis 18 Jahren. Sie alle sagten aus, im Jahr 2012 Marihuana bei dem Angeklagten gekauft zu haben, der eine nur einmal, andere drei- bis viermal, einer zehnmal. Erworben hätten sie Portionen von ein bis 1,2 Gramm, meistens für zehn Euro. Dazu gingen sie zu dem Angeklagten in das Asylbewerberheim. Das sie dort Drogen kaufen konnten, hatten sie jeweils von Freunden erfahren. Der Angeklagte bestätigte jeweils die Aussagen der Jugendlichen.

Nicht erschienen waren zwei minderjährige Zeugen. Darunter ist auch ein Mädchen, das vergangenes Jahr 13 Jahre alt war und an das der Angeklagte ebenfalls Drogen verkauft haben soll. So hat sie es bei der Polizei ausgesagt. Angeblich wusste der Angeklagte, wie alt sie war. Dieser erkannte sie am Montag auf Fotos wieder. "Zu mir hat sie gesagt, sie sei 15", sagte der 28-Jährige, "ich habe ihr nie etwas gegeben."

Das Mädchen soll nun am Mittwoch zum nächsten Verhandlungstag erneut vorgeladen werden, um die Widersprüche aufzuklären. "Das Geständnis war enttäuschend. Das Gericht hätte keine Angst, von der Verständigung zurückzutreten", sagte Richter Schröder am Ende der Verhandlung zum Angeklagten gewandt.