Lesung gab Einblick in das schwierige Verhältnis von Heinrich und Thomas Mann

Reinbek. Sie waren beide große deutsche Schriftsteller: Heinrich und Thomas Mann. Es verband sie vieles - aber keine unverbrüchliche Bruderliebe. Warum? Missgönnten sie sich gegenseitig den Erfolg? War die künstlerische Empfindsamkeit so groß, dass jede Kritik des anderen vernichtend wirkte? Oder war es die Sehnsucht nach grenzenloser Zuneigung, die in regelrechten Hass umschlug? Einen eindrucksvollen Einblick in das Verhältnis der beiden Manns lieferten am Wochenende gleich drei Männer im Reinbeker Schloss.

Autor und Journalist Hanjo Kesting hatte aus Briefen und Werkauszügen eine aufschlussreiche Collage zum Thema "Ein deutscher Bruderzwist" zusammengestellt - faszinierend vorgetragen von den Schauspielern Siegfried W. Kernen und Jochen Nix. Sie schauten sich an, gestikulierten und feuerten in den Rollen von Thomas und Heinrich Wortsalven aufeinander ab. Im Saal herrschte Stille. Die Zuhörer verfolgten die schonungslose Abrechnung der Brüder, die so geistreich zu formulieren, wie scharf zu verletzten wussten.

Thomas zeigt sich angewidert von den Sexszenen in Heinrichs Roman "Jagd nach Liebe" und monierte zu viel schlaffe Brunft in Permanenz. Zu viel Fleisch, zu wenig Erotik. Heinrich kontert. Toni Buddenbrook sei keine Frau. Jede Sexualität sei aus dem Roman sauber herausgeschnitten - ein germanisches Weltbildes. Das Sinnliche stehe dagegen für Demokratie und Freiheit. "Was ist Freiheit?" entgegnet Thomas und versteigt sich dazu, sie als mittelalterlichen Begriff abzutun. Heinrich sei ein "Humanitätsprinzipienreiter", das "Freiheitsparfait" ungenießbar.

Familiärer Zwist, gepaart mit der Bitterkeit politischer Gegner machten diesen Bruderzwist historisch und den Abend in Reinbek so spannend: Der eine Demokrat, der andere Verteidiger des Kaiserreichs. Das änderte sich.

So spricht das Alterswerk "Joseph und seine Brüder" von Thomas Mann eine andere Sprache: Biblisch eingebettet, wenden sich politische und brüderliche Verhältnisse. Mit der Ausstellung "Joseph", die am 17. März, 17 Uhr, eröffnet wird und Bilder von Gisela Röhn zeigt, geht die Reihe "Thomas Mann im Schloss Reinbek" weiter.