Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Der Verein Kulturzentrum Marstall am Schloss in Ahrensburg.

Ahrensburg. Immer schön die Form wahren. Leise bleiben. Nur nicht persönlich werden. Das hält der stärkste Pressesprecher auf Dauer nicht aus. Gut, dass es den Förderverein Kulturzentrum Marstall gibt. So kann Andreas Zimmermann auch mal richtig rumbrüllen. Zum Beispiel als Stephan Stepanowitsch. "Tschechow zu spielen, macht Spaß", sagt der Pressesprecher der Stadt. Zumal auf der Bühne so richtig tolle Aufstiegschancen drin sind.

"Ich bin auf Adlige abonniert", sagt Zimmermann. Bei einer Rezitation schlüpfte er kürzlich in die Prinzenrolle und gab den Hamlet. "Das ist wie Therapie. Ich kann tun, was ich im bürgerlichen Leben nicht machen kann." Und nicht nur er. Mehr als 2000 Menschen nutzen die Möglichkeiten des Kulturzentrums, sich auszuleben. "Der Marstall-Verein bietet ein tolles Forum", sagt Zimmermann. "Hier wird Leuten mit Ideen eine Bühne gegeben." Und was der Pressesprecher der Stadt Ahrensburg sagt, das stimmt.

Das merken schon die Kleinen. "Es geht um Bühnenpräsenz", sagt Regisseurin Angela Deininger-Schrader vom Jungen Theater Marstall. "Ich beginne immer mit Sprech- und Schauspieltraining." Das zeigt Wirkung. Für die elfjährige Cara ist die Sache entschieden: "Ich werde Schauspielerin."

Im Marstall wird gespielt, getanzt, gejazzt und philosophiert

Wer sich nicht als Mime berufen fühlt, kann singen, tanzen, fotografieren, jazzen oder philosophieren. Demnächst wird ein Gitarren-Ensemble gegründet. Und wer möchte, kann einfach nur die Kultur des Tafelns erleben. Auch der Vereinsvorsitzende Lutz Reuter folgt dem Ruf "à table" des Franzosen Bernard Bonnin. "Das ist Klasse. Es wird gegessen und Wein getrunken. Vergangenes Mal kamen 50 Leute. Das ist ein Bürgertreff geworden."

Beliebt ist auch das Literatur-Café, das ebenfalls mit einem Mix aus Kultur und Kulinarischem 50 bis 60 Besucher anlockt und sich literarischen Themen widmet - zum Beispiel Männern, die die Welt verändern. Dass Frauen das auch können, ist bekannt. Und dass es am besten im Team geht, dafür ist der Marstallverein das beste Beispiel.

"Wir haben 400 Mitglieder", sagt Veranstaltungsmanager Armin Diedrichsen. "40 davon sind aktiv. Das ist eine Menge." Diedrichsen selbst schritt auch gleich zur Tat: Als er 1999 von Hamburg nach Ahrensburg zog, suchte seine Frau einen Chor. Diedrichsen gründete einfach einen. Ein Mitsänger war im Beirat des Fördervereins und schlug vor, in den Marstall umzuziehen. So wurde der Schauspieler und Opernregisseur Veranstaltungsmanager.

Mit dem Umbau 2006 war die Zeit des Provisoriums endgültig vorbei

Jetzt ist er voll im Einsatz, als Honorarkraft vom Verein bezahlt. Für wie viele Stunden in der Woche? "Das möchte meine Frau auch gern wissen", sagt Diedrichsen und grinst. Er ist Regisseur des Marstall-Theaters, das sich dieses Jahr mit antiken Damen wie "Medea" und "Antigone" beschäftigt. Er ist Leiter des neuen Gesangsensembles. Und er wirkt bei vielen Abendveranstaltungen mit - neben seinem eigentlichen Job als Programmgestalter.

Der Wendepunkt für die Professionalisierung kam 2006. Das neue Foyer entstand. Und die Reithalle wurde zum modernen Veranstaltungssaal umgebaut. Die Zeit des Provisoriums war vorbei. Der damalige CDU-Fraktionschef Rudolf Beyrich und sein SPD-Kollege Harald Düwel waren sich einig: Das geht nur mit einem vernünftigen Etat. So erhielt der Verein einen Zuschuss von 26.000 Euro, obwohl der gerade auf 10.000 Euro reduziert worden war.

Harald Düwel ist dem Verein treu geblieben. "Es ist so unglaublich spannend", sagt der Ahrensburger, der sich als "Querdenker" im Marstall wohlfühlt. Mittlerweile heißt die Gruppe weniger kratzbürstig "Philosophie im Stall". Vielleicht um mehr Leute anzusprechen. Die Themen gehen jedenfalls alle an. Im Januar drehte sich das Gespräch um das Erinnern. Für Düwel als Mitglied der Zeitzeugengruppe, die jungen Leuten von der Nazi-Zeit erzählt, ist das eine existenzielle Frage.

Der Marstall-Verein ist gewachsen, mit ihm das Programm - und der Zuschuss. Aus den 26.000 Euro sind 80.000 Euro geworden. Viel Geld, aber 9000 Euro weniger als noch vor zwei Jahren. Diese Sparhürde zu überspringen, war nicht ganz leicht. Der Verein hat es geschafft. "Wir haben in der vergangenen Saison nur 500 Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Das ist grandios", sagt der Vorsitzende.

Drei Einnahmequellen bilden das finanzielle Gerüst. "Ohne den Zuschuss der Stadt ginge es nicht", sagt Diedrichsen, "wir wissen das sehr wohl zu schätzen." Zwei- bis dreimal im Monat wird der Marstall für Firmen oder für private Feiern vermietet. Und bei den Veranstaltungen kommt auch Geld rein. Reuter: "Aber viele Veranstaltungen sind frei. Kultur muss für alle zugänglich sein." Deswegen liegt der Jahresbeitrag bei 42 Euro. "Eine hohe Summe, ich weiß", sagt Lutz Reuter und lacht.

Als der Verein 1989 gegründet wurde, ging es noch nicht um das Programm. Es ging darum, den Abriss zu verhindern. Das Gebäude war in einem erbärmlichen Zustand.

Wo heute die Big Band probt oder der Filmklub des Marstalls am kommenden Dienstag "Hamlet" in Überlänge zeigt, stapelten sich früher Teppiche. Ein Verkaufslager. Verdreckt. Ohne Heizung. Mit defekten Leitungen. "Der Marstall war versaut", sagt Dietrich Albrecht. "Um die Säulen in der Stallhalle war Holztapete geklebt. Die haben wir mühselig abgezogen. Da stecken 1000 Vereinsstunden drin", erinnert sich der erste Vereinsvorsitzende. "Im Winter war es so kalt, dass unsere Finger steif froren. Und im Sommer war es feucht."

Aber es tat sich was. Trotz Schimmel wurden in der Stallhalle schon Ausstellungen organisiert. Albrecht: "Und der damalige Bauamtsleiter Thiele zimmerte in der Reithalle eine offene Bühne." Schauspieler Will Quadflieg kam und Cellist Jens Peter Maintz. Während er Bach spielte, trommelte der Regen lautstark aufs Dach. "Das war unglaublich", sagt Albrecht, "aber es hat wahnsinnigen Spaß gemacht. Es war Pionierarbeit. Wir haben etwas bewegt."

Ohne die Sparkassen-Kulturstiftung sehe es heute vielleicht noch genauso wüst im Marstall aus. Sie setzte der Stadt Ahrensburg die Pistole auf die Brust und sagte: Wir geben Geld, aber nur, wenn ihr auch so viel gebt.

Horst Schroth sorgt für Kabarett, Gottfried Böttger für Blues

Das klappte. 2000 erstrahlte die Stallhalle im neuen Glanz. Ein ähnliches Finanzkonzept sorgte 2006 für die Sanierung der Reithalle. Das Foyer bezahlte ausschließlich die Stadt. Nun ist alles schmuck. Im Mai wird die Kulturstiftung zur 50. Ausstellung laden. Die Marstall-Gruppen haben hier ihr Zuhause. Und die Künstler geben sich die Klinke in die Hand.

Der Ahrensburger Horst Schroth hat die Kabarettreihe "Marstall ungezügelt" ins Leben gerufen, bei der es mit Alfons immer so schön puschelt. Und "Literatur live", eine Kooperation mit der Buchhandlung Stojan und der Weinhandlung 20Wines, holt jede Menge Prominente auf die Bühne. Eugen Ruge war da, Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust. Und der TV-Moderator Dieter Moor klärte über die "Arschlochfreie Zone" auf.

Am Tresen haben die Damen das Sagen. Die Männer packen mit an

Jetzt geht es ab in den "Nuttenbunker". Eine schräge Sozialstudie von Krimiautor Jacques Berndorf. Er gastiert mit Bluespianist Christian Willisohn, der schon mit dem Ahrensburger Gottfried Böttger hier gespielt hat - in dessen Reihe "Gottfried und Friends".

Aber wer kümmert sich eigentlich um das leibliche Wohl der Besucher? "Wir" sagt Marlies Thomsen. Wir, das sind 20 Frauen, die sich den Tresendienst teilen. "Zwei- bis dreimal im Monat sind wir dran." Im Vorstand lauter Herren, und die Damen waschen ab? "Kein Thema. Wir sind emanzipiert", sagt Marlies Thomsen. "Wenn's drauf ankommt, packt jeder an."

Zum Beispiel, wenn das Publikum zu den Konzerten des Schleswig-Holstein Musik Festivals strömt. Am 9. Juli wird Gunârs Upatnieks aus Lettland den Kontrabass ins Rampenlicht rücken, während am Tresen Gläser leise klirren. Thomsen: "Bei 300 Gästen müssen wir springen." Und die Männer springen hoffentlich hinterher.