Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: die Bücherfreunde Reinbek. Im April zehnter Geburtstag.

Gelbe Kisten stapeln sich bis an die Decken des Magazins, hergestellt aus doppelt geklebten Bananenkartons. Die Griffe sind ordentlich ausgeschnitten. Fein säuberlich hat jemand die gelbe Pappe beschriftet: "Krimi", "Roman", "Geschichte", "Tiere", "Englisch". Denn in den Kartons liegen mittlerweile Bücher, keine Bananen. Hier lagern die Mitglieder des Vereins Bücherfreunde Reinbek ihre Spenden.

In zwei weiteren Räumen der Stadtbibliothek an der Hamburger Straße verkaufen sie die Bücher - aus dem Regal oder direkt aus den Bananenkisten. "Wir bekommen unglaublich viele Spenden von Menschen aus Reinbek und Umgebung", sagt Andrea Schultz-Gerstein. "Das sind häufig sehr gut erhaltene Bücher, die sonst vielleicht weggeworfen würden."

Schultz-Gerstein ist die Vorsitzende der Bücherfreunde Reinbek. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Stadtbibliothek zu unterstützen, sowohl finanziell als auch durch Sachspenden. Dafür veranstalten die 20 Mitglieder Flohmärkte, auf denen sie gespendete Bücher verkaufen. Kleinere Märkte organisieren die Bücherfreunde jeden ersten Sonnabend im Monat in der Stadtbibliothek. Außerdem gibt es dreimal im Jahr einen großen Bücherverkauf, ebenfalls in und vor der Bücherei. Der nächste ist für den 6. April geplant. "Daraus besteht ein Großteil unserer Arbeit: Bücher zu sortieren, die Bürger uns gespendet haben, und dann die Flohmärkte zu organisieren", sagt Renate Bublitz, die zweite Vorsitzende des Vereins.

Im April feiern die Bücherfreunde Reinbek zehnten Geburtstag

Renate Bublitz und Andrea Schultz-Gerstein sorgten im Jahr 2003 dafür, dass die Bücherfreunde sich heute überhaupt Verein nennen dürfen. "Um Spenden ordnungsgemäß annehmen zu dürfen, muss der Verein als solcher im Register eingetragen sein", sagt Bublitz.

Im April feiert der Verein sein offizielles zehnjähriges Bestehen. Aber schon bevor die beiden Vorsitzenden die Bücherfreunde Reinbek in das Vereinsregister eintragen ließen, hatte sich eine Initiative zur Unterstützung der Stadtbibliothek gegründet. "Die fünf Herren hatten schon einen riesigen Berg gespendeter Bücher angesammelt, suchten aber noch Mitstreiter, um sie zu sortieren", sagt Renate Bublitz.

Die heutige zweite Vorsitzende des Vereins war damals Mitglied der Reinbeker Stadtverordnetenversammlung. "Ich bemerkte, dass der Stadtbibliothek zu der Zeit immer mehr Geld gestrichen wurde", sagt Bublitz. Es sei wichtig, dass die örtlichen Politiker wüssten, dass jemand einen Blick auf die Lesekultur in der Stadt habe. Auch das sei eine Aufgabe der Bücherfreunde. "Europaweit zeichnet sich der Trend ab, dass sich immer häufiger Privatpersonen um solche Dinge kümmern. Das wird in der Zukunft noch wichtiger werden", sagt Renate Bublitz.

An jedem Donnerstagnachmittag treffen sich die Bücherfreunde in der Stadtbibliothek, sortieren gebrauchte und neue Bücher, beraten Kunden und verkaufen. "Wir sind auf der Suche nach Nachwuchs, auch gern junge Leute", sagt Andrea Schultz-Gerstein. "Für Berufstätige ist es allerdings oft schwierig, diesen Nachmittagstermin einzurichten." Die Vorsitzende betont aber: "Wer bei uns Mitglied werden möchte, verpflichtet sich nicht automatisch, jede Woche dabei zu sein." Gefragt sei lediglich die Freude an Büchern. "Es macht einfach Spaß, wenn wir den Kunden helfen können und ihnen dadurch eine Freude bereiten."

Verein finanziert auch Lese- und Schreibwerkstätten für Kinder

Der Erlös aus den Verkäufen kommt nicht nur der Reinbeker Stadtbibliothek zugute. Die Bücherfreunde unterstützen unter anderem auch Schulbüchereien und bezahlen Lese- und Schreibwerkstätten für Kinder. Im Magazin des Vereins finden sich neben vielen Kinder- und Jugendbüchern auch Sachbücher, moderne Romane und Krimis, aber auch einige antiquarische Werke. Andrea Schultz-Gerstein sagt: "Nach einiger Zeit bekommt man einen guten Blick dafür, welche Bücher sich verkaufen lassen und welche eher nicht so gut."

Mitglieder laden zu Lesungen und Buchvorstellungen

Die positiven Rückmeldungen vieler Kunden ermutigen die Bücherfreunde in ihrer Arbeit. Seit einiger Zeit bauen die Vereinsmitglieder ihr Angebot aus, organisieren unter anderem auch Autorenlesungen. "Wir bieten seit rund einem Jahr auch Buchvorstellungen an", sagt Schultz-Gerstein. An den Themenabenden stellen die Bücherfreunde gemeinsam mit den Angestellten der Bibliothek Neuerscheinungen vor, die sie selbst gern gelesen haben.

Aber auch unter den gespendeten älteren Werken finden sich immer wieder neue Lieblingsbücher. "Mein Lesestapel wird eigentlich nie kleiner", sagt Renate Bublitz. Der von Eberhard Meincke dagegen schon, schon mehrmals hat er in den vergangenen Wochen Taschen voller geschichtlicher Bücher bei Andrea Schultz-Gerstein abgegeben. "Wir ziehen demnächst von Bergedorf nach Reinbek um. Deshalb verkleinert meine Frau ihre Bibliothek."

Auf der Suche nach einem bestimmten Titel sind manche Kunden auch so begeistert von der Arbeit der Ehrenamtlichen, dass sie selbst zu aktiven Bücherfreunden werden. So erging es Ed Pelzers. Die Familie des Niederländers stammt von den Bockreitern ab. Als er das "allererste Mal" im Vorrat der Bücherfreunde stöberte, stieß er gleich auf ein Werk über die Räuberbande aus dem 18. Jahrhundert. "Solche Dinge passieren hier: Man findet Bücher, die es sonst nirgendwo mehr gibt. Das ist Wahnsinn", sagt Ed Pelzer.

Der 46-Jährige ist seit dem Jahr 2007 Mitglied der Bücherfreunde. "Der persönliche Kontakt zu den Kunden gefällt mir besonders. Von ganz kleinen Kindern bis hin zu Senioren ist alles dabei", sagt Pelzers. Gerade für ältere Menschen sei es schön, wenn sie unverhofft in der Bücherkammer auf einen Titel stießen, den sie aus ihrer Kindheit kennen, sagt Andrea Schultz-Gertsein. "Da kommen ganz alte Erinnerungen plötzlich wieder hoch." Häufig kämen dieselben Leute immer wieder. Schultz-Gerstein: "Wir wissen dann schon, welche Art von Büchern sie suchen, und können ihnen behilflich sein. Manchmal stoßen wir auch auf ein Buch und wissen sofort, wem es gefallen könnte. Dann heben wir es für die betreffende Person auf."

Leser probieren wegen der niedrigen Preise andere Buchgenres aus

Aber nicht nur die Kunden haben manchmal ganz spezielle Bücherwünsche. Ed Pelzers selbst durchstöberte eine Zeit lang das Magazin nach allem, was mit dem Jahr 1994 in Verbindung stand. Musik, die 1994 "in" war, Mode, die in besagtem Jahr getragen wurde, geschichtliche Ereignisse oder einfach Bücher, die 1994 gedruckt wurden. "Als meine Tochter 18 Jahre alt wurde, hat sie die Bücher bekommen. 1994 ist ihr Geburtsjahr", erläutert Pelzers. Ein ganzer Tisch sei voll gewesen mit den Büchern. Wie viele Bücher er genau für seine Tochter gesammelt hatte? - "Eine Menge."

"Einfach schön" sei die Arbeit in der Stadtbibliothek, sagt Pelzers. Er gibt aber auch zu bedenken: "Es gibt immer viel zu tun. Dafür muss man Bücher schon lieben." Ihm gefällt vor allem, dass die Bücher auf dem Flohmarkt, den der Verein anbietet, nicht teuer sind. "Die Leute bekommen eine breitere Sicht, weil sie dadurch auch einfach einmal neue Sachen ausprobieren. Das erweitert den Horizont", sagt Pelzers. Damit ist der 46-Jährige aber auch gleich schon bei einem "Problem" angelangt: "Wir sitzen hier ja direkt an der Quelle zu lauter tollen Büchern. Die muss ich dann einfach auch lesen, das ist wie ein innerer Zwang."

Trotzdem: Pelzers ist es wichtig, dass Leser auch einmal ein Buch weglegen, wenn es ihnen nicht gefällt. "Ein Werk muss dir nicht gefallen, nur weil es zufällig ein Bestseller ist", sagt er. "Das Leben ist zu kurz, um Bücher zu lesen, die keinen Spaß machen."