Immer mehr Menschen mit geringem Einkommen nutzen Einrichtung des Kinderschutzbunds. Die sucht weitere ehrenamtliche Helfer.

Bargteheide. Eine schmale Treppe an der Außenseite des Backsteingebäudes führt hinunter in den Keller. An einem Morgen um kurz vor 10 Uhr stehen hier rund 15 Frauen Schlange. In den Händen halten sie große Einkaufstaschen aus Plastik. Hinter der Kellertür, die sich kurze Zeit später für die wartenden Kundinnen öffnen wird, verbirgt sich die Kleiderkammer des Kinderschutzbundes. Auf rund 60 Quadratmeter Fläche gibt es hier, beleuchtet von Neonröhren und ausgestellt vor unverputzten Kellerwänden, kostenlose, gebrauchte Kinderkleidung. Einmal in der Woche wird die Kammer für Stormarner Familien geöffnet, die von Hartz IV leben oder nur über ein geringes Einkommen verfügen. Und davon gibt es immer mehr.

"Inzwischen gibt es so viele Bedürftige, dass wir rund 100 Familien zu versorgen haben", sagt Edelgard Sternberg, die die Kleiderkammer seit mehr als 20 Jahren leitet. "Jeder soll deshalb nur einmal im Monat kommen. Und auch dann drängen sich hier unten oft 30 Leute und mehr." Die Bargteheider Kleiderkammer war bei ihrer Eröffnung eines der ersten Angebote des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) in Stormarn und ist in ihrer heutigen Form im Kreis einmalig.

Hinter der Kellertür beginnt ein schmaler Gang. In den Regalen an der rechten Wand gibt es Bücher, Puzzles, mehrere Rechenmaschinen und Brettspiele. Eine "World Cup Edition" des Wissensspiels Trivial Pursuit ist dabei, "Hase und Igel" liegt gleich zweimal im Regal.

An der gegenüberliegenden Wand haben Edelgard Sternberg und ihre Mitarbeiterinnen einige Kleidungsstücke aufgehängt, eine Latzhose aus Cord und eine blaue Winterjacke mit einem aufgestickten Bären genauso wie eine rote Trachtenjacke und einen kleinen, dreiteiligen Anzug aus schwarzem Samt. "Wir achten sehr darauf, dass die gespendeten Kleidungsstücke sauber und ordentlich sind", sagt Edelgard Sternberg. "Besonders gefragt sind Sachen für Babys. Aber auch Hosen, weil die schnell verschlissen sind."

In einem kleinen Nebenraum sortieren die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen die Ware. "Wir sind zu siebt, suchen aber noch Verstärkung für den Mittwochvormittag", sagt Sternberg. Belastbar und flexibel müssten potenzielle Helfer sein. Sternberg: "Vor allem aber muss einem die Arbeit wichtig sein." Denn neben aller Dankbarkeit über die Hilfsbereitschaft gebe es natürlich auch Rückschläge, sagt Sternberg, die schon erlebt hat, dass Kundinnen die Kleidung, die sie kostenlos in der Kleiderkammer erhalten hatten, auf dem Flohmarkt verkauften

Die Kundinnen, die an diesem Morgen die Kleiderkammer besuchen, drängen sich inzwischen in den beiden hinteren Kellerräumen. An einem Kleiderständer hängen neben mehreren Schneeanzügen für Kinder auch zarte, weiß-goldene Elfenflügel. Kerstin Pohl (Namen der Kundinnen geändert) ist auf der Suche nach einem Faschingskostüm für ihre acht Jahre alte Tochter. Die 37-Jährige aus Trittau kommt seit rund drei Jahren in die Bargteheider Kleiderkammer. "Hier finde ich auch mal Sachen, die es im Laden so gar nicht zu kaufen gibt", sagt die Frau, die als Putzhilfe arbeitet. Kerstin Pohl gehört zu den wenigen Kundinnen, die zu klein gewordene Teile ihrer Kinder zum Tausch in die Kammer bringen. Die meisten Familien, die auf das Angebot des Kinderschutzbundes angewiesen sind, können das nicht - entweder weil sie mehrere Kinder haben, die alte Sachen auftragen, oder weil die Stücke so lange getragen werden, bis sie verschlissen sind. Die meisten Spenden kommen inzwischen von Familien, die nicht zum Kundenkreis zählen.

Dass Kerstin Pohl ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, finden die Mitarbeiterinnen in der Kleiderkammer gut. "Die Leute sollen sich wohlfühlen. Anonymität ist unser wichtigster Grundsatz", sagt Edelgard Sternberg, die aber auch Regeln aufstellt. "Sei fair und nimm nur so viel Kleidung mit, wie du wirklich brauchst", steht auf Deutsch, Französisch, Russisch, Englisch und Türkisch auf Zetteln an den Wänden.

Das bedeutet für Tanja Rudenko eine Ikea-Tüte voll. Die füllt sie mit gebrauchten Schuhen, Pullovern und Bettwäsche für ihre Tochter. Seit rund einem Jahr kommt die 35-Jährige etwa alle zwei Monate in die Kleiderkammer. Tanja Rudenko ist Erzieherin, das Geld reicht trotz ihrer Arbeit nicht für neue Kleidung. "Für die Sachen, die ich heute hier kostenlos mitnehmen kann, würde ich sogar auf dem Flohmarkt bestimmt 50 Euro zahlen", sagt sie. Rudenkos Tochter ist drei Jahre alt. "In dem Alter wachsen die Kinder wie verrückt", sagt die Mutter. "Nur die Kleidung wächst leider nicht mit."

"Die Kleiderkammer gibt uns die Möglichkeit, bedürftigen Familien schnell und praktisch zu helfen", sagt Ingo Loeding, Geschäftsführer des DKSB in Stormarn. Viele stünden derart unter Druck, dass ein solches Angebot sie effektiv entlaste. Loeding: "Die Familien sehen durch diese Entlastung eher wieder die Möglichkeit, andere Probleme zu lösen." Die Kleiderkammer sei dabei nur einer der Bausteine der Arbeit des Kinderschutzbundes.

Auch das Eltern-Café über der Kleiderkammer hat geöffnet. "Dort können sich die Leute unterhalten und soziale Kontakte pflegen", sagt Loeding. Daneben gebe es auch die Möglichkeit, mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen, die das Eltern-Café betreuen, ins Gespräch zu kommen. Loeding: "Wenn man schon jemanden kennt, ist die Schwelle, bei Problemen in unser Kinderhaus zu kommen, nicht mehr so hoch." Gerade in einem Kreis wie Stormarn sei der soziale Druck für Familien besonders hoch. "Obwohl hier jedes sechste Kind in Armut lebt, gibt es auch viele reiche Familien. Dadurch ist das Markenbewusstsein in dieser Region enorm groß", sagt Loeding.

"Unser Ziel ist es, den Familien durch die Kleiderkammer mehr Freiraum zu geben", sagt Edelgard Sternberg. "Mit dem gesparten Geld kann mal ein Eis gekauft werden - oder auch ein Paar Markenturnschuhe." Wie wichtig diese Entlastung für die Familien ist, macht ein Brief, der an der Wand der Kleiderkammer hängt, deutlich. Kerstin Pohl und eine Freundin haben an die Mitarbeiterinnen geschrieben. "In Zeiten existenzieller Ängste helfen Sie uns, nicht nur die Kinder einzukleiden, sondern geben uns auch die Möglichkeit, das gesparte Geld für Freizeitgestaltung, Ernährung und Bildung zu verwenden."