Tanja Lütje ist die neue Kulturreferentin des Kreises. Im Interview mit dem Abendblatt erläutert sie, warum das ein Riesenglück für sie bedeutet.

Bad Oldesloe. Sie hat schon Nigel Kennedy und Ann-Sophie Mutter auf die Bühne geholt. Aber mit Superstars ist es für Tanja Lütje nicht getan. Die neue Stormarner Kreiskulturreferentin will auch fördern, was es schwer hat - zum Beispiel moderne Malerei und kulturelle Angebote für Kinder. Im Gespräch mit dem Abendblatt erzählt die 41-Jährige, wie sie es geschafft hat, 300 Mitbewerber aus dem Feld zu schlagen, welche Projekte ihrer Vorgängerin sie weiterführen, was sie Neues beginnen will und wie sie als Mutter Job und Familie unter einen Hut bekommt.

Hamburger Abendblatt: Kultur ist für Sie kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

Lütje: Ja, ein Lebenselixier. Man atmet es. Man lebt es. Früher stand hinter allem das Wort Kultur. Politik-Kultur, Sprech-Kultur. Das war übertrieben. Aber es ist etwas dran. Das fängt mit der klassischen Tischkultur an. Mit den Lebensformen. Wie nehme ich Mitmenschen und Umwelt wahr? Dieses humanistische Gesamtpaket zählt für mich - mit allen Wertschätzungen und Verrücktheiten und Widersprüchen.

Sind Sie auch kulturverrückt?

Lütje: Mehr so grundsätzlich. (lacht)

Und wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zur Politik?

Lütje: Die Kulturschaffenden sitzen oft auf dem hohen Ross, belächeln die Politiker. Und umgekehrt. Dabei könnten sie miteinander mehr bewirken. Politik hat zu Recht eigene Vorstellungen und bewilligt das Geld. Und Kultur braucht ein finanzielles Spielbein, um jenes Verrückte auszuprobieren und auch scheitern zu lassen. Diesen Spagat muss man schaffen, über Konflikte hinweg.

Für wen machen Sie Kultur?

Lütje: Kultur funktioniert nicht nur in breiter Masse. Auch Elite-Förderung und Nischen-Angebote gehören dazu. Ich möchte fördern, was es schwer hat. Deswegen ist es großartig, dass der Ahrensburger Marstall auch zeitgenössische Kunst zeigt.

Angebote für Kinder und Jugendliche haben für Sie einen besonderen Stellenwert.

Lütje: Ich halte nicht viel von Konzerten für Schwangere. Das ist eher ein Marketing-Gag. Aber Kultur ist Basis-Bildung, so wie das Lernen von Sprachen und Naturwissenschaften. Deshalb wollen wir Kunstpädagogen in Kindergärten und Grundschulen schicken, als Vorbereitung für einen Marstall-Besuch.

Als Ergänzung zum Kinderatelier?

Lütje: Ja. In Nordrhein-Westfalen gibt es ein Projekt, das heißt Kulturstrolche. Da sind Kinder im Grundschulalter genötigt, sich jedes Jahr mit einer Kultursparte zu beschäftigen. Ziel ist es, dass sie auch mit ihren Eltern zu Ausstellungen oder in Konzerte gehen und als Kulturstrolche am Kulturbetrieb teilnehmen. Wir haben schon mit der Stormarner Schulrätin gesprochen. Die ersten Rückmeldungen kommen.

Aber Sie haben fast keinen Etat.

Lütje: Stimmt. Nur 10.000 Euro. Das ist so gut wie nichts. Es läuft über die Stiftungen und die Arbeitsgemeinschaft "Stormarn kulturell stärken".

Müsste der Kreis mehr Geld geben?

Lütje: Der finanziert die Stelle der Kreiskulturreferentin. Das ist nicht selbstverständlich. Über die Stiftungen besteht die Möglichkeit der Quer-Subventionierung. Und ohne Sponsoring geht es heute auch nicht.

Aber für Nigel Kennedy, den Sie nach Vieren geholt hatten, reicht das nicht.

Lütje: Dort war eine Sonderveranstaltung zum Jubiläum einer Spielstätte. Aber es geht nicht nur um Nigel Kennedy und Ann-Sophie Mutter. In allen Bereichen Name-Doping zu betreiben, finde ich schrecklich. Und es sind nicht alle kulturellen Angebote von einer Region auf eine andere zu übertragen.

Wie erleben Sie die Region Stormarn?

Lütje: Unglaublich positiv. Man wird gegrüßt. Niemand hupt einen an. Man lässt mich sogar vor. Und die Menschen sind neugierig. Erwartungsfroh, was Projekte und Kooperation betrifft.

Sie haben aber auch selbst auf Anhieb Eindruck hinterlassen. Es gab immerhin 300 Mitbewerber auf ihre Stelle. Landrat Klaus Plöger wollte Sie unbedingt haben. Obwohl Sie wegen Ihrer Kinder noch nicht voll einsteigen können.

Lütje: Ich hatte schon angefangen, ein bisschen nebenbei zu arbeiten. Denn nur zu Hause ist nicht meins. Dann erfuhr ich durch Zufall, dass in unmittelbarer Nähe eine so tolle Stelle frei wird. Ein Riesenglück.

Und welchen Eindruck hat der Landrat auf Sie gemacht?

Lütje: Er weiß genau, was für eine Person und welche Inhalte er für die Stelle will. Das hat gepasst. Ich bringe auch Erfahrung in der Verwaltung mit, trete deswegen nicht in jedes politische Fettnäpfchen, sondern vielleicht nur in jedes zweite. Ich decke eine große Bandbreite ab. Kultur, Musik, Literatur. Bei uns an der Uni wurden Kulturwissenschaftler immer als Universal-Dilletanten bezeichnet. Da ist sicher etwas dran.

Sie arbeiten jetzt 20 Stunden die Woche. Im April steigen Sie voll ein. Wie geht das mit Ihren Kindern?

Lütje: Ich darf von zu Hause arbeiten und habe flexible Arbeitszeiten. Ich arbeite, wenn meine Töchter schlafen oder auch zwischendurch. Oft habe ich abends Dienst oder gehe am Wochenende zu Ausstellungen. Und dann ist mein Mann da. Es funktioniert. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass Arbeitgeber das mitmachen.

Welche Projekte Ihrer Vorgängerin wollen Sie fortführen?

Lütje: Die Ausstellungen im Marstall, die Reihe "Stormarn liest ein Buch" und die Kirchenmusiktage. Vielleicht kommt auch mal Jazz in die Kirchen.

Spielen Sie selbst ein Instrument?

Lütje: Jein, nicht wirklich.

Und unwirklich?

Lütje: Nein! Wirklich nicht. Mein Mann spielt großartig Gitarre. Meine neunjährige Tochter ein bisschen Geige und Klavier. Und ich von jedem etwas. Aber nichts zum Vorspielen.

Gibt es ein Kulturzentrum in Stormarn?

Lütje: Der Charme des Kreises ist das Dezentrale. Natürlich gibt es zentrale Orte wie Ahrensburg, Trittau oder auch Reinbek, wo wir als Kreis mit Einrichtungen vertreten sind. Aber das heißt nicht, dass nur dort etwas stattfinden sollte. Wenn Städte wie Bargteheide Kulturhauptstadt sein wollen, ist das gut. Das sind alles Beiträge für den gesamten Kreis. Ich würde daraus nur kein Ranking machen.

Der Marstall wird gerade umgebaut. Werden Sie hier künftig residieren?

Lütje: Residieren nicht. Arbeiten auf jeden Fall, wenn auch nicht jeden Tag. Aber es entstehen in der Tat neue Büros - für die Ausstellungskuratoren, die Kulturvolontärin und mich.

Johannes Spallek war Stormarns Kulturchef, mehr als 30 Jahre. Dann kam Friederike Daugelat. Jetzt Sie. Können Frauen Kultur besser?

Lütje: Quatsch.

Und Frauen in Führungspositionen?

Lütje: In der Verwaltung hat sich etwas getan. Aber grundsätzlich ist das immer noch ein Thema. Vielleicht muss man künftig aber auch Männerförderung betreiben. (lacht). Es sind immer die Mädchen, die durchstarten.

Wenn Sie Feierabend haben, ist dann auch Kulturprogramm angesagt?

Lütje: Zuerst muss der Alltag bewältigt werden. . .

. . .die Kultur des Abwaschens.

Lütje: Zum Beispiel (lacht). Aber wir fahren auch zu den NDR-Kinderkonzerten und gehen ins Theater. Es ist gut, auch einmal die Perspektive zu wechseln und in die Rolle des Konsumenten zu schlüpfen.

In Zukunft auch in der Elbphilharmonie?

Lütje: Hier ist vieles danebengegangen. In zehn Jahren wird man aber anders darüber reden. Leuchtturmprojekte sind wichtig. Die Elbphilharmonie wird Identifikation für Hamburg stiften.

Braucht Stormarn auch ein Leuchtturmprojekt? Sie sind doch fürs Verrückte: Wie wär's, das Ahrensburger Rathaus zur Konzerthalle umzubauen?

Lütje: Großartig. Aber hier sind ja schon Schloss und Marstall.

Und MusicStorm gibt's ja auch noch - den Musik-Contest von Kreisjugendring, Sparkasse und Abendblatt.

Lütje: Auch ganz großartig. Sie nehmen die Jugendlichen mit. Und was die abliefern, ist richtig klasse.

Wenn Sie nicht Kreiskulturreferentin wären, was wären Sie dann?

Lütje: Möbeldesignerin. Aber Kultur ist eben doch mein Lebenselixier.