In Ahrensburg wird die deutsch-französische Freundschaft gepflegt. Was 50 Jahre offiziell gut ging, klappt auch privat - selbst an der Kochfront

Ahrensburg. Mon dieu! Die einen futtern Froschbeine. Die anderen pflegen Bratkartoffelverhältnisse. Wie soll das gehen? "Wir arbeiten dran", sagt Monsieur Bonnin, der in Ahrensburg regelmäßig deutsch-französische Begegnungen organisiert. Na gut. Angie und Sarzkozy waren ein Herz und eine Seele. Und mit Hollande bahnt sich auch schon etwas an. Küsschen hier. Küsschen da. Allerdings muss Merkel mit den Amtskollegen auch nicht kochen. Dann wäre wahrscheinlich Feierabend. 50 Jahre deutsch-französische Freundschaft - okay. Oder besser d'accord. Aber private Élysée-Verträge? Liebe geht doch durch den Magen.

"Froschschenkel? Nein Danke. Und Schnecken, Austern und Hirn brauche ich auch überhaupt nicht", sagt Andreas. Das ist für den Ammersbeker, der sich an diesem Abend mal wieder bei Monsieur Bonnin eingefunden hat, so ist das so klar wie Kloßbrühe. "Und ihr Deutschen tut Brühwürfel ans Gemüse. Ich möchte, dass Bohnen nach Bohnen schmecken", kontert Ariane. Na bitte. Wie sollten Experten von belle cuisine auch mit pflichtbewussten Sauerkraut-Fetischisten klarkommen. Komisch ist dabei nur: Andreas und Ariane sind 30 Jahre verheiratet - und sehen ganz entspannt aus.

Sylvia und Tilman aus Hamburg-Volksdorf haben es auch schon so lange geschafft. Und Marie-Laure und ihr Werner aus Ahrensfelde sind nach neun Jahren Gemeinsamkeit auf dem Weg zur Rosenhochzeit. Und was sagt Monsieur Bernard Bonnin, der seit 35 Jahren in Deutschland ist und in Ahrensburg eine Kochschule betreibt? "Bratkartoffeln finde ich lecker. Schön mit Sauerfleisch." Da wird der Hund in der Pfanne verrückt. Ein feiner Pariser mit Hang zum deftig Deutschen.

Es geht also tatsächlich was zwischen La France und L'Allemagne. Monsieur Bonnin strahlt, nimmt ein Schlückchen Kir Royal und eines der belegten Schnittchen, für die er Roquefort mit Butter und Cognac gemischt hat. Dass es mit seiner Ehe nicht so lange geklappt hat, habe nichts mit der Küche zu tun. "Sie hat nie Französisch gelernt. Daran ist es letztlich gescheitert." In der kleinen Gesellschaft, die heute mal wieder bei ihm tagt, geht es dagegen munter durcheinander. Eine Melange aus Deutsch und Französisch. Und jeder versteht jeden. Einige haben sich beim Bestellen an der Fleischtheke im Supermarkt "erkannt". Wer Entrecote bestellt, kann nur aus Frankreich kommen. Andere sind sich am langen Tisch im Ahrensburger Marstall begegnet. "À table" heißt die Veranstaltungsreihe. Wer, wenn nicht Monsieur Bonnin, könnte der Begründer der Tafelrunde des guten Geschmacks sein. Nun trifft man sich auch privat bei ihm.

Auch Marylène aus Großhansdorf ist dabei. Als bekennende Fisch-Liebhaberin kam sie vor 30 Jahren aus dem Périgord nach Norddeutschland. Sie war entsetzt, als sie voller Erwartung einen Hamburger Fischladen betrat und nur drei Sorten Fisch, dafür Unmengen von Salaten im Verkaufstresen sah. "Alle mit fetter Mayonnaise", sagt sie und schüttelt sich. "Und überall Zucker. Sogar im grünen Salat. Ich dachte: Das fängt ja gut an."

Christine aus Ahrensburg kam 1975 nach Deutschland - aus dem hohen Norden Frankreichs. "Ich bin ein Sch'ti", sagt sie und schiebt gleich noch zwei weitere Bekenntnisse hinterher. Froschschenkel? "Mais oui. J'adore." Was so viel heißt wie: Davon kann ich nicht genug kriegen. Das überrascht nicht. Ein anderes Eingeständnis lässt eher aufhorchen. "Ich kultiviere das Französische, um es zu bewahren. Gerade weil ich schon so deutsch bin." Tilman nickt. Der Deutsche kennt das. Andersherum. Und nennt das: kontaminiert sein. Es klingt nach Quarantäne-Station. Aber im Endeffekt heißt es wohl: Man gleicht sich an.

So viel Harmonie. Kann das sein? Jetzt mal Butter bei die Fische. Wie ist es wirklich? "Franzosen und Deutsche sind wie Hund und Katze", verkündet Monsieur Bonnin daraufhin frank und frei. Wer wer ist, sagt er nicht.

Also nachgefragt. Wo sind die unüberwindbaren kulinarischen Hindernisse? Fangen wir mal mit dem Abendbrot an. Allein das Wort schon sorgt für Unruhe. Bei Marie-Laure kommt jedenfalls keine Stulle auf den Tisch. Und dann auch noch mit Teller und Besteck! "Wir kochen abends immer warm", sagt die Französin, die auch nach 25 Jahren in deutschen Landen nicht anders kann. "Wir zelebrieren das Abendessen. Mit Salat und Hauptspeise und allem Drum und Dran. Es wird mit Liebe zubereitet. Das ist kein Akt, den wir hinter uns bringen wollen." Bon. Das wäre geklärt. Da meldet sich prompt Ariane zu Wort. "Ich finde das deutsche Abendbrot toll. Das ist so entlastend. Da muss ich nicht zweimal am Tag kochen."

Die Trennlinie verschwimmt schon wieder. Versuchen wir es mal mit dem Mittagessen. "Die Deutschen werfen alles zusammen. Gemüse, egal was. Eintopf ist das Grauen", sagt Monsieur Bonnin und kann auch die Tristesse des Leipziger Allerlei nicht fassen. Und überhaupt, was da alles auf den Tisch kommt. Eisbein. "Habe ich noch nie probiert", sagt Christine. Klöße. "So was kannte ich nur als Fehler. Wenn meiner Mutter eine Mehlschwitze gemacht hat. Das haben wir weggeschmissen", sagt Ariane. Aber Achtung. Sie ist noch nicht fertig. Ihr Nachsatz hat es in sich: "Jetzt habe ich sie lieb gewonnen. Ich kann sogar schon selbst Klöße machen." Eine Französin liebt Klöße. Unfassbar. Und dann die Krönung. "Ich liebe Birnen, Bohnen und Speck" haut Marie-Laure mit bezauberndem Akzent raus. Annäherung auf ganzer Linie.

Gehen wir den Tagesablauf weiter rückwärts bis zum Frühstück. "Das ist auch sehr deutsch. Wir würden uns nie zum Frühstück einladen", sagt Marie-Laure, "aber Käse und Brötchen morgens. Da freue ich mich drauf." Bei den anderen ein Murmeln, das sich nach Zustimmung anhört. Von Baguette und Eintunken ist zwar die Rede. Ein flammendes Plädoyer hält aber niemand für dieses morgendliche Ritual nach französischer Art. Im Gegenteil. "Ich mag das deutsche Brot", wirft Marylène ein. Auch hier keine klare Küchenfront.

Wie steht es denn um die richtige Würze? "Kräuter müssen sein. Thymian, Oregano und unbedingt Knoblauch", sagt Marie-Laure. "Und das muss richtig komponiert werden. Die Deutschen werfen Thymian und Curry zusammen, oder was weiß ich. Das passt nicht", sagt Marylène. "Noch weniger geht, die Gewürze alphabetisch im Regal zu ordnen", sagt Monsieur Bonnin. Er habe das an einem deutschen Herd schon gesehen. "Sehr preußisch", sagt der Koch und rümpft die Nase. "Aber die Deutschen probieren auch nicht. Sie schmecken nicht ab und stellen das Essen einfach so auf den Tisch."

Je länger der Abend währt, desto klarer die Erkenntnis: Der entscheidende kleine Unterschied liegt nicht im Was, sondern im Wie. Auf das richtige Tempo komme es zum Beispiel an. "Der erste Kulturschock kam, als ich zum Abendessen eingeladen war", erinnert sich Tilman. "Es wurde gegessen, gegessen und gegessen." Auch mittags werde mindestens zwei Stunden getafelt. Immer die Ruhe. Auch beim Kochen. "Das ist Meditation. Das geht doch nicht zack, zack", sagt Monsieur Bonnin.

Bei der Art des Trinkens scheiden sich die Geister ebenfalls. Marylène: "Wir trinken Wein nur zum Essen. Die Deutschen machen nach dem Essen eine Flasche auf, um es sich gemütlich zu machen." Das Wort gemütlich richtig gedehnt, lässt ahnen, wie öde der Franzose das wohl finden muss. Schlimmer sei nur noch der Pfefferminztee zum Abendbrot. Wenn schon Kräuterinfusion, dann später am Abend. Und einen Calvados könne man nicht runterstürzen. "Das ist doch kein Korn", sagt Monsieur Bonnin, der in seiner Kochschule selbst noch so einiges lernt: Nicht lang schnacken, Kopf in' Nacken - so heißt das. Manche sagen auch Tschüs. Und schon ist der Schnaps die Kehle runter.

Ist es also wirklich nur ein kleiner Froschschenkel, der als kulinarischer Casus knaxus Deutsche von den Franzosen trennt? Wenn das so ist, dann gibt es sicher auch eine unüberwindliche Abneigung in der binationalen Liaison, die den Franzosen in Deutschland geschmacklich in die Knie zwingt. Tilman: "Vor zehn Jahren hat meine Frau zum ersten Mal Matjes probiert. Das ging. Aber wenn ich Currywurst esse, bin ich mutterseelenallein." Gegen Currywurst, womöglich noch mit Pommes und Schranke rot-weiß, helfen weder Schengener Abkommen noch private Élysée-Verträge. C'est la vie.