Die Verbindung zwischen Hamberge und Lübeck-Reecke soll im Sommer abgerissen werden. Die Bürger sind empört über die Pläne.

Hamberge. Noch verbindet eine rund 100 Meter lange Brücke die Menschen aus zwei benachbarten Dörfern. Bald aber trennen sie zwölf Straßenkilometer. Denn die Brücke, die zwischen Hamberge im Norden Stormarns und dem Lübecker Stadtteil Reecke über die Trave führt, wird im Sommer abgerissen. Sie ist marode, für einen Neubau fehlt dem Eigentümer, der Hansestadt, das Geld.

Autos dürfen schon seit Montag nicht mehr über die Brücke fahren. Wer von Hamberge nach Reecke oder in die umgekehrte Richtung fahren möchte, muss einen zwölf Kilometer langen Umweg fahren. Die Einwohner in beiden Dörfern sind wütend.

Sie sind es vor allem deshalb, weil die Sanierungskosten 2006 auf 280.0

00 Euro geschätzt worden waren, eine Instandsetzung aber in den folgenden Jahren immer wieder verschoben wurde. Nun ist es zu spät. Das Bauwerk ist zu marode, als dass es noch saniert werden könnte, ein Neubau würde 1,8 Millionen Euro kosten.

"Nach dem jetzigen Stand der Dinge wird erst mal kein Neubau entstehen", sagt Marc Langentepe, Lübecker Stadtsprecher. Das Interesse an dem Thema ist offenbar nicht allzu groß: "So eine kleine Brücke", sagt Langentepe weiter, "ist für die gesamte Stadt Lübeck nicht so bedeutsam wie etwa eine vierspurige Straße in der Innenstadt."

Was die Stadtverwaltung als nicht so bedeutsam ansieht, ist für die Hamberger und die Reecker eine wichtige Verbindung. "Diese Brücke steht da seit fast 100 Jahren, und wir haben mittlerweile eine enge Verbindung zu den Reeckern", sagt Paul Friedrich Beeck, der Hamberger Bürgermeister. "Wir haben alle Freunde oder vielleicht sogar Verwandte, die in Reecke wohnen. Viele arbeiten auch in Hamberge und wohnen in Reecke. Oder umgekehrt." Selbst er hat nur durch Zufall vom geplanten Abriss erfahren.

In den vergangenen Tagen hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die gezielt gegen den Beschluss der Lübecker Stadtverwaltung angehen will. Sprecher der Initiative Hamberge-Reecke sind Cordula Andjelic Neumann, Hans-Joachim Kuschinske und Harald Utech. "Wird die Brücke abgerissen, sind wir völlig abgeschnitten. Wir haben keinerlei Infrastruktur hier. Nicht mal einen Bus, der die Kinder morgens zur Schule fahren kann", sagt der Reecker Kuschinske. Für Landwirte, die ihre Felder auf Reecker Seite und den Betrieb in Hamberge haben, ist die Brücke existenziell wichtig. Nicht nur, dass sie jetzt keine direkte Verbindung zu ihren Feldern haben, auch Stammkunden könnten nun aufgrund des bis zu zwölf Kilometer langen Umwegs abspringen.

Auch Landwirt Andre Fennert aus Hamberge fürchtet Nachteile. "Die Hälfte meines Landes liegt auf Reecker Seite. In der Hochsaison fahre ich mehrmals am Tag nach Reecke. Über die Brücke sind das anderthalb Kilometer. Wenn ich den Umweg fahren muss, nimmt das nicht nur mehr Zeit in Anspruch, sondern es kostet mich auch sehr viel Geld extra." Er hat einen Erdbeerhof in Hamberge und einige seiner Felder auf der anderen Seite der Trave. Auch Jörg Lahmann, der einen Obst- und Gemüsehandel betreibt, ist über die Entwicklungen bestürzt. "Viele meiner Kunden wohnen in Reecke. Die werden jetzt wahrscheinlich zu einem anderen Geschäft wechseln."

Für die Reecker wird der Weg zur Schule, zur Kirche und zu Sportvereinen abgeschnitten. Die beiden Zufahrtstraßen, die die Reecker nun benutzen sollen, sind in einem katastrophalen Zustand. Fennert: "Das ist unfassbar, was die Stadt uns zumutet. Das ist keine richtige Straße, das sind Feldwege mit Schlaglöchern." Hinzu kommt, dass beide Alternativstrecken die Bahnstrecke Hamburg-Lübeck kreuzen. Kuschinske: "Es kommt öfter vor, dass beide Bahnübergänge gesperrt werden. Ohne die Verbindungsstraße von Hamberge gibt es dann keine Möglichkeit mehr, nach Reecke zu gelangen oder das Dorf zu verlassen." Auch Kranken- und Feuerwehrwagen kämen dann nicht mehr durch. Bis jetzt kommt die Feuerwehr aus Hamberge nach Reecke.

Betroffen sind auch Reecker Kinder, die in Hamberge Kindergarten oder Grundschule besuchen. Diese müssen nun höchstwahrscheinlich wechseln, da die Eltern keine Möglichkeit mehr sehen, ihre Kinder über so eine weiten Umweg nach Hamberge zu bringen. Auch Sylvia Klafack, die Leiterin, sieht das ähnlich: "Für Mütter wird es schwierig, wenn sie jetzt immer länger brauchen, um ihre Kinder zu bringen und abzuholen. Das kollidiert dann auch mit unseren Öffnungszeiten." Sie meint: "Die Kinder werden wahrscheinlich in einen anderen Kindergarten wechseln müssen."

Vor einem ähnlichen Problem stehen Reecker Grundschüler, die den Unterricht in Hamberge besuchen. Da werden mit dem Brückenabriss auch Freundschaften abgebrochen. Hans-Joachim Kuschinske von der Bürgerinitiative: "Unsere Lebensader wird abgeschnitten."