Die Regisseurin stammt aus Ahrensburg. Überraschungserfolg von “Staub auf unseren Herzen“ bringt ihr finanzielle Unabhängigkeit.

Bargteheide. Sie ist in Ahrensburg aufgewachsen, hat an der Stormarnschule Abitur gemacht und im Kleinen Theater Bargteheide ihren Traumberuf entdeckt: die Regisseurin Hanna Doose. Gerade ist ihr erster abendfüllender Spielfilm "Staub auf unseren Herzen" bundesweit in den Kinos angelaufen. Er erzählt von einem Mutter-Tochter-Konflikt. Kritik und Publikum sind begeistert. Das Abendblatt sprach mit der 33-Jährigen über die Dreharbeiten, ihren speziellen Regie-Stil, über ihr Interesse an Menschen und Machtstrukturen und darüber, wie der Erfolg ihr Leben verändert hat.

Hamburger Abendblatt: Wenn Sie nicht drehen, sondern spielen würden: Welche Rolle wäre ihnen die liebste. Rotkäppchen, Kleopatra oder eine Klofrau?

Doose: Die Klofrau. Ganz klar. Das hat etwas mit dem jetzigen Leben zu tun. Mit dem Hier und Heute. Ich interessiere mich für Menschen und beobachte sie. So sammle ich auch Stoff für die Filme. Ich würde mit den Klofrauen sprechen, sie nach ihren Problemen fragen und danach, wie sie das Leben sehen. Um zu erfahren, wie es wirklich ist. Mit Kleopatra oder Rotkäppchen dürfte das schwierig werden (lacht).

Und wer sollte Regie führen?

Doose: Am liebsten Lars von Trier. Das ist für mich der absolute Gott. Aber ich hätte ein bisschen Schiss.

Sie führen aber auch sehr speziell Regie.

Doose: Der Kern ist: Ich schreibe keine Dialoge. Ich skizziere die Szenen. Für den neuen Film waren das 20 Seiten. Es gab also eine klare Dramaturgie. Aber wie die Szenen umgesetzt wurden, das haben wir am Set entwickelt.

Warum machen Sie das?

Doose: Ich will dem Schauspieler die Möglichkeit geben, möglichst viel von seinen persönlichen Erfahrungen einzubringen. Da darf jeder sprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und sich bewegen, wie er möchte. Das war die große Herausforderung, weil alles ohne Probe im Moment mitgenommen werden musste. Für den Kameramann Markus Zucker war es das Härteste.

Im Kleinen Theater Bargteheide fing für sie beruflich alles an.

Doose: Ja, ich habe bei Kirsten Martensen gespielt. Ein jüdisches Mädchen in dem Stück "Ghetto". Das hat mich sehr geprägt. Dann habe ich im Kleinen Theater viele Filme gesehen, auch "Jenseits der Stille" von Caroline Link. Und da habe ich gedacht: Das wär's. Regisseurin! Geschichten im Team umzusetzen und so was Berührendes zu schaffen.

Jetzt sind Sie sehr bekannt. Hat der Erfolg ihr Leben verändert?

Doose: Ja, absolut. Vorher war ich noch von meinen Eltern abhängig. Schlagartig kann ich sagen: Papa, ich hab's geschafft. Jetzt lebe ich von meinen Preisgeldern und kann ein neues Projekt entwickeln, bis ich hoffentlich, hoffentlich eine Förderung bekomme. Dann wäre die Zeit überbrückt, in der man unbezahlt arbeitet. In "Staub auf unseren Herzen" ist keine öffentliche Förderung drin. Wir durften die Räume und die Technik der Deutschen Film- und Fernsehakademie nutzen. Ansonsten hatten wir nur 23.000 Euro Barmittel, zum Teil aus eigener Tasche. Das ging für Catering und Benzin weg. Die Schauspieler haben nichts gekriegt. Sie wussten das. Aber wenn sich ein Team auf ein solches Konzept einlässt, dann steckt unglaublich viel Herzblut drin.

In dem Film geht es um einen verstörenden Tochter-Mutter-Konflikt. Die Schauspieler haben auch ihre privaten Erfahrungen eingebracht. Was bringen Sie ein? Sind ihre Filme autobiografisch?

Doose: Das ist nie eins zu eins. Aber natürlich bin ich von Familie und Freunden geprägt. Mich interessieren Strukturen in Familien, Machtverhältnisse und das Phänomen, dass man sich in der Familie ja so liebt - und gerade deswegen nicht miteinander sprechen kann.

Ihre Themen sind alle sehr heftig. Tschetschenische Jugendliche, deren Freunde und Verwandte tot sind. Ein trinkender Vater. Erbitterter Streit zwischen Freundinnen. Und in einem der ersten Filme: ein Vater, der seine Tochter missbraucht.

Doose: Das hat tatsächlich einen privaten Hintergrund. Meine Mutter ist von meinem Großvater missbraucht worden. Die Beschäftigung damit war heilsam. Für mich - und für meine Mutter. Am Anfang wollte sie das Skript nicht lesen. Aber dann hat sie mich beraten. Und nachher ist sie allein auf ein Festival gefahren, hat alles erzählt und später eine Selbsthilfegruppe gegründet.

Ihr neuester Film heißt "Staub auf unseren Herzen". Warum dieser Titel?

Doose:

Er kam zustande, als ich Stephanie Stremler bei einem Stück mit dem schönen Titel "Axel hol' den Rotkohl" gesehen habe. Eine Aufführung vom Helmi-Puppentheater. Darin kam ein Lied vor, in das ich mich sofort verliebt habe: "Nichts ist gefährlicher für unsere Herzen als der Staub". Für mich ist das ein Sinnbild für den Dreck auf der Seele. Für das, was verhindert, dass die Liebe zwischen uns in Familienbeziehungen fließen kann. Gerade beim Verhältnis Mutter und Tochter geht man ja von bedingungsloser Liebe aus. Deswegen passt der Titel. Er ist poetisch, sagt aber auch ganz klar, um was es geht.

Poetisch, aber auch deprimierend. Viele Leute wollen im Kino aufgebaut werden.

Doose: Ich bin kein Typ, der nur etwas verkaufen will. Ich möchte einen ehrlichen Titel. Und ich möchte, dass man über den Film nachdenkt.

Sie haben mit Susanne Lothar gedreht. Sie ist kurz darauf gestorben.

Doose: Sie war total professionell. Wir haben wahnsinnig viel von ihr gelernt. Und das Schöne ist, dass sie erlebt hat, dass der Film Preise gewonnen hat. Sie war wahninnig stolz und hat immer gehofft, dass wir einen Verleih finden. Und das ist dann ja auch passiert. Drei Wochen vor ihrem Tod.

Man gewinnt Preise und muss sich dann noch um einen Verleih kümmern? Der Laie stellt sich das andersherum vor.

Doose: Normalerweise ist das auch so. Die Zusage der Verleihfirma kommt nach dem Lesen des Drehbuchs. Aber ich habe ja keins geschrieben! Ich wollte schnell drehen, endlich wieder als Regisseurin arbeiten. Vorher hatte ich lange an einem Drehbuch geschrieben, das dann nicht finanziert wurde. Das war für mich eine Lebenskrise.

Können Sie eigentlich auch Komödie?

Doose: Ich würde total gern eine Komödie drehen. Zumal für mich der Witz dadurch entsteht, dass das Drama unterschwellig mitläuft. "Staub auf unseren Herzen" ist zum Teil richtig witzig. Das würde ich gern noch stärker verfolgen.

Gibt es denn schon ein neues Projekt?

Doose: Ja, aber das ist noch sehr in der Schwebe. Auf jeden Fall würde ich gern wieder schnell und einfach drehen. Keinen großen Ortswechsel oder irgendwelche Hubschrauberflüge, sondern wieder sehr fokussiert auf Menschen und Beziehungen und wenige Drehorte. Das gibt einem Freiheit. Logistischer Aufwand frisst Energie und Zeit.

Sie sind jetzt auf Tour, um ihren Film vorzustellen. Wie waren die Reaktionen?

Doose: Das Publikum ist der Wahnsinn. Die sind so berührt und ganz überrascht über die Machart. Viele sagen: So etwas Authentisches habe ich noch nie gesehen. Man fühle sich wie ein direkter Beobachter in der Familie. Natürlich gibt es bedrückende Momente. Die Menschen werden an die Baustellen in ihren eigenen Beziehungen erinnert. Aber ich glaube, es hat ihnen auch Spaß gemacht. Und wer sich eingelassen hat, hat auch viel mitgenommen.

Sie kommen auch nach Bargteheide.

Doose: Ja, am 17. Februar. Ich sage kurz Hallo. Dann sehen wir gemeinsam den Film. Danach gibt es ein Publikumsgespräch. Und ganz am Schluss stehen wir natürlich alle an der Bar.