Das Abendblatt erzählt in loser Folge die Geschichte hinter den Namen von Gebäuden in Stormarn. Heute: ein Prediger, der sich um behinderte Menschen kümmerte

Bargfeld-Stegen. Auf neun Stationen werden im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen psychisch Kranke und Suchtpatienten behandelt. Auch Tageskliniken in Ahrensburg und Reinbek gehören zu der Einrichtung, die nach einem Hamburger Pastor benannt ist.

Heinrich Matthias Sengelmann war der Gründer der Alsterdorfer Anstalten. Zu den medizinischen Einrichtungen der heutigen Evangelischen Stiftung Alsterdorf gehört auch das Krankenhaus in Stormarn.

Sengelmann wurde als Sohn eines Gastwirts und Viehhändlers am 25. Mai 1821 am Hamburger Schweinemarkt - dem heutigen Hauptbahnhof - geboren. Er besuchte das Johanneum, studierte Theologie in Leipzig und Halle und trat 1846 seine erste Pfarrstelle in Moorfleet an. Ein Mensch hat Sengelmann besonders geprägt: der damals in Hamburg gut bekannte Prediger Johann Wilhelm Rautenberg. Er erinnerte seine Gemeindemitglieder im Stadtteil St. Georg, zu denen auch der junge Sengelmann und seine Mutter gehörten, immer wieder an ihre diakonische Mitverantwortung.

So entschloss sich Sengelmann dazu, in seinem Pastorat in Moorfleet sozial benachteiligten Kindern Unterricht unter anderem in Handwerk und Gartenbau zu geben. Diese sogenannte "christliche Arbeitsschule" wurde 1853, als Sengelmann seine Pastoratsstelle in der Neustadt antrat, zu dem St. Nikolai-Stift, welches einige Jahre später auf das Gelände des alten Brauhofes in Alsterdorf verlegt wurde.

Während sich die Stiftung Alsterdorf etablierte, war Sengelmanns Privatleben in dieser Zeit von tragischen Ereignissen geprägt. Seine Frau Anna Sophia Adele von Saß, eine russische Adlige, verstarb 1858 zwölf Jahre nach der Hochzeit. Und auch der gemeinsame Sohn des Paares war nur wenige Monate alt geworden.

In den 1860er-Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt der Alsterdorfer Arbeit auf die Behindertenbetreuung. Auslöser dafür war ein Junge namens Carl Koops. Sengelmann hatte zuvor eine geeignete Pflegefamilie für den geistig Behinderten aus dem Gängeviertel gesucht. Als diese Bemühungen erfolglos blieben, entschied er sich, mithilfe von Spendengeld aus Hamburger Familien ein Heim für Behinderte auf dem Alsterdorfer Stiftungsgelände einzurichten.

Spenden holte Heinrich Sengelmann auch während diverser Reisen unter anderem nach Norwegen, Russland und Südamerika ein. Um sich vollständig dem Aufbau der Anstalt widmen zu können, gab er 1867 sein Predigeramt auf. Nun hatte Sengelmann Zeit, gemeinsam mit seiner zweiten Frau Jane Elisabeth "Jenny" von Ahsen Mitarbeiter auszubilden und weitere pädagogische Programme zu entwickeln. Die geistig und körperlich Behinderten, die mittlerweile auf dem Gelände lebten, arbeiteten unter anderem in der Küche, in Werkstätten und in der Landwirtschaft. Der Heilpädagoge Paul Gerhard, der 1895 nach Alsterdorf kam, baute die Schule zu einer Musteranstalt aus. Daraus entwickelten sich die heutigen Bugenhagenschulen.

Heinrich Sengelmann zeichnete außerdem verantwortlich für die Entstehung des Bundesverbands Evangelischer Behindertenhilfe, dessen Vorläufer er 1874 gründete - unter dem Titel "Conferenz der Idioten-Heil-Pflege". Sein 1885 veröffentlichtes Werk "Systematisches Lehrbuch der Idiotenheilpflege" gibt Sengelmanns Erfahrungen aus seiner praktischen Arbeit mit Behinderten wieder.

Sengelmann starb am Morgen des 3. Februar 1899 im Alter von 78 Jahren. Sein Vermögen vererbte er der Stiftung. Zu diesem Zeitpunkt lebten in seinen Einrichtungen mehr als 600 behinderte Kinder, die von rund 140 Mitarbeitern betreut wurden. Das nach ihm benannte Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen wurde vor rund 50 Jahren gegründet und mehrfach erweitert.