Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Der Fußballclub Voran Ohe aus Reinbek.

Der FC Voran Ohe - "das ist ein Dorfverein, der sich gemausert hat", sagt sein Vorsitzender Roland Gust. Das ist eine große Familie, sagen viele seiner Sportler - und zwar eine, in der besonders viele Mitglieder jung sind, nicht wenige von ihnen feiern bemerkenswerte Erfolge. Der Club am Rande des Sachsenwaldes profitiert davon, dass er in der Nähe mehrerer Neubaugebiete liegt - dem Gelände "Alte Wache" in Glinde zum Beispiel. Das ehemalige Bundeswehrdepot ist heute das größte Neubaugebiet Schleswig-Holsteins. Solche Gebiete bescheren dem FC Voran Ohe, der mit rund 1350 Sportlern zu den mittelgroßen Vereinen in Stormarn gehört, seit Jahren einen starken Mitgliederzuwachs.

Allein im vergangenen Jahr bekam der Verein 100 neue Sportler dazu

Wir haben allein im vergangenen Jahr 100 neue Mitglieder bekommen. Die meisten davon sind Jugendliche", sagt Cordula Gust, Leiterin der Tischtennis-Sparte. "Und das in einer Zeit, in der andere Vereine überaltern", fügt ihr Ehemann Roland Gust hinzu. Manche Betrachter sind geneigt, den Verein als Talentschmiede zu sehen. So trainiert Andreas Lange bei Voran Ohe, seines Zeichens deutscher Junioren-Meister im 800-Meter-Lauf. Oder Charlotte Bauer, die 2010 Vize-Weltmeisterin im Triathlon wurde. Doch Roland Gust betont: "Wir sind ein Verein für den Breitensport." Allerdings bemühe man sich, die jungen Talente zu behalten, wenn sie erfolgreich werden. "Bei uns kann man zum Beispiel Schwimmen lernen, aber den Sport auch auf Wettkampfniveau betreiben", sagt Gust. Andreas Bockhold, Jugendwart und Leiter der Sparte Schwimmen und Triathlon, die mit rund 360 Mitglieder die größte des Vereins ist, formuliert es so: "Ziel des Vereins ist es, dass wir unsere eigenen Mitglieder entwickeln."

Wie sein Name verrät, war der Verein einst nur ein Fußballclub - mittlerweile können die Mitglieder auch die Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Triathlon, Tennis, Tischtennis, Volleyball, Basketball, Tanzen, Turnen und Gymnastik ausüben. Dazu nutzt der Verein die Doppelturnhalle der Gertrud-Lege-Grundschule am Querweg im Reinbeker Ortsteil Neuschönningstedt. Daneben liegt der Fußballplatz des Clubs, der seit Ende 2011 über eine Flutlichtanlage verfügt. Die Schwimmsparte nutzt unter anderem das Schwimm- und Freizeitbad Reinbek und die Schwimmhalle Barsbüttel. Außerdem gibt es noch das Vereinsgelände am Amselstieg 26, hier liegen neben dem Vereinshaus noch ein Sportplatz mit Beachvolleyballanlage, sechs Tennisplätzen und einem Basketballfeld.

Anlagen gehören der Stadt Reinbek, nicht dem Verein

Was nach viel klingt, ist für den FC Voran Ohe mittlerweile fast zu wenig. "Wir kommen an die Kapazitätsgrenzen, müssen hier und da improvisieren", sagt der Dritte Vorsitzende Heinz Pich. Gerade die Sparten Fußball, Schwimmen/Triathlon und Tennis seien betroffen. Weil die Nachfrage im Bereich der Fußballmannschaften für Kinder steig, fehlen Fachkräfte. "Kindertraining stellt einen besonderen Anspruch an den zuständigen Trainer", sagt der Jugendleiter der Fußballsparte, Volker Rathje. Es sei deswegen nicht einfach, Trainer zu finden. Den Schwimmern fehle ein Lehrschwimmbecken, in dem beispielsweise Seepferdchenabzeichen gemacht werden könnten, so Spartenleiter Andreas Bockholt. Das bremse den Ansturm leider etwas aus. Und auch in der Tennisabteilung gibt es Probleme. "Nur zwei unserer sechs Plätzen sind zurzeit ausreichend beleuchtet", sagt Jugendwart Ulrich Wesolowski. "Deswegen müssen wir das Trainer stark regulieren." Zudem muss der Verein derzeit mit der Stadt über Nutzungsrechte verhandeln - denn die Sportanlagen gehören nicht ihm, sie sind im Besitz der Kommune.

Natürlich - alles kein Vergleich zu früher. Gründungsmitglied Herbert Fildebrandt erinnert sich noch daran, wie alles begann: damals, im Jahr 1949, als Ohe noch Ohe war und nicht Reinbek. Und eben noch ein richtiges Dorf. "In der Anfangszeit haben wir auf einer Kuhweide auf Gut Schönau Sport gemacht", sagt der 78-Jährige, der stolz einen Anstecker mit Vereinslogo im Knopfloch stecken hat. Das Gros der Mitglieder kam damals nicht aus Neubaugebieten, sondern aus der Ferne: "Viele waren damals Flüchtlinge aus Ostpreußen", sagt Fildebrandt. Er selbst kam mit seinen Eltern und sieben Geschwistern aus Angermünde, einem Ort in der Uckermark. Ehrensache, dass auch seine fünf Brüder damals sofort Mitglied beim FC Voran Ohe wurden.

"Weil überall noch Trümmer lagen, der Krieg aber vorbei war, sagte unser Vereinsgründer Hackmack irgendwann den Satz 'Es geht voran!'", erzählt Fildebrandt. "Und weil wir seine Aussage so motivierend fanden, nannten wir uns FC Voran Ohe". Die anderen Vereine hätten damals oft 'Vorwärts' in ihren Namen eingebaut. Zeitgeist präge selbst Vereinsnamen. Die Kameradschaft, sagt Herbert Fildebrandt, wurde von Anfang an besonders großgeschrieben. Manchmal bedeutete dies natürlich, dass die Sportler an anderer Stelle kleine Abstriche machen mussten. Fildebrandt, in den 50er-Jahren Fußballer, erinnert sich: "Einmal haben wir einen Spieler direkt von seiner Hochzeit abgeholt und sind zum Punktspiel gefahren. Den haben wir gleich nach dem Ja-Wort in der Reinbeker Kirche eingesammelt und in den Bus gesteckt!"

Die Disziplin zahlte sich allerdings aus. Legendär sind noch heute die Erfolge, zu denen Fußballtrainer Heinz Dörfer seine Kicker führte - wegen seiner markanten Kopfform wurde er "Rübe" genannt, Herbert Fildebrandt war einer seiner Spieler. Nach drei Meisterschaften (1961, 1965 und 1967) führte Dörfer die Oher für eine Saison in die damals dritthöchste Spielklasse, die Landesliga. "Vor Dörfers Jungs hatten alle Angst", sagt Fildebrandt und ist noch heute stolz.

An Höhepunkte der Vereinsgeschichte wird heute noch regelmäßig erinnert - bei den jährlichen Treffen der Vereins-Senioren. "Wir essen Eisbein, und es wird gekegelt. Das eine oder andere Bier gibt es auch. Danach sind wir immer froh, wenn wir unsere Häuser noch wiederfinden", gibt Herbert Fildebrandt zu.

Junge Sportler loben das Gemeinschaftsgefühl in dem Club

Und heute? Am Geist des Vereins, an der Kameradschaft und eben am Gefühl, "eine große Familie" zu sein, hat sich augenscheinlich nicht viel geändert. "Es ist einfach eine tolle Gemeinschaft", sagt Andreas Lange, 21. Er kam im Jahr 2009 zum Verein und lobt, dass der ihn immer unterstützt, etwa wenn es um Fahrtkosten geht. Auch die jüngsten Mitglieder des Vereins sind vom Teamgeist begeistert. "Mir gefällt die Gemeinschaft am besten", sagt die zehnjährige Gia Lassig. Dass die Mitglieder des Vereins häufig gut miteinander befreundet sind, bestätigt auch der elfjährige Luca Mattern.

Ähnlich sieht es Roland Gust. Ihn, der gar nicht im Ortsteil Ohe wohnt, lockte bei seinem Eintritt die überschaubare Größe, die familiäre Atmosphäre. 27 Jahre ist das nun schon her, Roland Gust kam damals als Tischtennis-Spieler. Vor zwei Jahren entschloss er sich, zusammen mit einem neuen Team den Vereinsvorsitz zu übernehmen.

Verein hilft Mitgliedern, Trainerlizenzen zu erwerben

Dafür, dass die Gemeinschaft unter den Sportlern gut bleibt, tut der Verein auch einiges. Der FC Voran Ohe hat besondere Programme für Jugendliche, die den Zusammenhalt stärken - so etwa das alljährliche Funcamp der Leichtathleten. Dabei wird ein Matratzenlager in einer Turnhalle aufgeschlagen. Alle Kinder können die Turngeräte nutzen, um sich ihre ganz eigenen Höhlen zu bauen. Teilnehmen können Kinder im Alter von sechs bis zwölf. Außerdem helfen viele der älteren Leichtathleten ehrenamtlich bei der Betreuung.

Jedes Jahr steht das Funcamp unter einem anderen Motto. "Die Betreuer haben meist genauso viel Spaß daran wie die Kinder", sagt Karla Wolff-Lellau, Übungsleiterin Kinderspielleichtathletik. "Aber anschließend sind beide Seiten immer ziemlich platt." Außerdem ermöglicht es der Club seinen jungen Sportlern, Trainerlizenzen zu erwerben. Nicht zuletzt auf diese Art und Weise sorgt der Verein dafür, dass die Mitglieder von heute auch morgen noch dabei sind.

Bei so viel Jugendlichkeit und jugendlichem Elan macht sich Roland Gust keine Sorgen um die Zukunft seines Vereins. Und so sagt er auch nur, befragt nach den Zielen für die kommenden Jahre: "In erster Linie wollen wir, dass die Leute weiterhin Spaß bei uns haben."