Beweis für Mord fehlt. Anklage forderte lebenslange Haft für 63 Jahre alten Oldesloer

Kiel/Sülfeld. Aus Mangel an Beweisen hat das Kieler Landgericht den ehemaligen Schweinebauern Hans-Martin V. vom Vorwurf des heimtückischen Mordes freigesprochen. Die Richter konnten dem 63-Jährigen aus Sülfeld die Tat nicht eindeutig nachweisen und urteilten nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Auch am vierten Verhandlungstag konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob sich Hennig V. selbst getötet hatte oder ob es der Vater war.

Regungslos nahm der Sülfelder das Urteil auf. Der Mann in dem bräunlichen Pullover sagte kein Wort und verließ in Begleitung seiner Tochter und seines Bruders den Gerichtssaal. "Dieses Urteil war der einzig denkbare Ausgang", sagt der Oldesloer Anwalt Patric von Minden, der für seinen Mandanten Freispruch gefordert hatte.

Staatsanwalt Torsten Holleck plädierte in dem Indizienprozess dagegen auf eine lebenslange Haftstrafe. Der Ankläger sah es als erwiesen an, dass der Vater am 17. Juni vergangenen Jahres mit seinem betrunkenen Sohn in einen Streit geraten war. Als der 27-Jährige eingeschlafen sei, habe ihm der Vater einen angezündeten Böller in den Mund geschoben. Der Knallkörper detonierte, der Sohn erstickte. Anschließend zersägte der Vater den 90 Kilogramm schweren Körper des Toten und warf die Teile in eine Jauchegrube auf seinem Bauernhof in Sülfeld. Die Zerstückelung hatte Hans-Martin V. gestanden. Seine Begründung: Er wollte seiner Tochter den Anblick des toten Bruders ersparen. Was vorher passiert war, sei ein Unfall gewesen.

Im Prozess zeigte sich die Familie von Hass geprägt

Laut Verteidiger soll sich das Opfer den Kanonenschlag selbst in den Rachen geschoben und angezündet haben. "Er wollte den Vater damit provozieren", sagt Patric von Minden, der die Darstellung der Staatsanwaltschaft für unrealistisch hält. "Wenn der Verstorbene geschlafen hätte, hätte eine Abwehrreaktion erfolgen müssen. Und wäre er so betrunken gewesen, dass er bewusstlos war, hätte es vorher keinen Streit geben können", sagt von Minden.

Die Ehefrau von Hans-Martin V. sagte in dem Prozess aus, dass der ehemalige Schweinebauer ihr gegenüber die Tat gestanden hätte. "Ich habe ihn umgebracht. Den siehst du nie wieder", soll der 63-Jährige zwei Tage nach dem Tod von Henning V. zu ihr gesagt haben. Am selben Tag fand die Schwester den Toten in der Jauchgrube. "Mein Mandant war zu diesem Zeitpunkt in einer desolaten, psychisch angeschlagenen Verfassung", so von Minden zu dem vermeintlichen Geständnis. Die Frau, die vor dem Schwurgericht die Ehe mit Hans-Martin V. als jahrzehntelange Qual bezeichnete, saß bei der Urteilsverkündung ebenfalls im Gericht. Sie war in dem Verfahren Nebenklägerin. Sie weinte bei der Verkündung des Urteils, drückte sich ein Taschentuch vor den Mund.

Während des Prozesses zeigte sich die Familie tief gespalten und von gegenseitigem Hass geprägt. Hans-Martin V. und seine Tochter gaben der Mutter die Schuld für das, was in den frühen Morgenstunden des 17. Juni geschehen war. Vor Gericht sagte die 28 Jahre alte Tochter, dass sie von der Unschuld ihres Vaters überzeugt sei. "Meine Mutter hat meinen Bruder letztlich in den Tod getrieben: Wäre sie nicht so schlecht zu ihm gewesen, hätte er mit dem Alkohol gar nicht angefangen", sagte die Zeugin.

Das Beiseiteschaffen der Leiche gilt als Ordnungswidrigkeit

Einwohner aus dem 3300-Einwohner-Ort Sülfeld hatten nach dem Vorfall berichtet, dass es in der Familie, die eher zurückgezogen lebte, immer wieder zu Streit und Handgreiflichkeiten gekommen sei. So wie auch am Abend vor dem Tod des 27-Jährigen. Hennig und Hans-Martin V. waren an jenem Sonnabend auf dem Dorffest auf dem Gelände der Sülfelder Feuerwehr. Zeugen berichteten später, dass es heftigen Streit zwischen Vater und Sohn gegeben habe. Henning V. sei immer wieder als gewaltbereit in dem kleinen Dorf an der Grenze zu Stormarn aufgefallen. Er soll ein Sympathisant der rechtsradikalen Gruppe "Club 88" gewesen sein.

Auch bei dem Dorffest trug er eine Jacke mit dem Emblem des Clubs aus Neumünster-Gadeland. Ob die Gesinnung des jungen Mannes der Grund für die häufigen Streitereien war, ist unklar. In seinem Schlusswort am dritten Verhandlungstag sagte Hans-Martin V., dass er immer alles für seinen Sohn getan habe.

Laut Aussage seines Verteidigers leide der ehemalige Schweinebauer trotz des Freispruchs sehr. "Er wird sich jetzt wohl in psychiatrische Behandlung begeben", sagt Patric von Minden.

Mit einer weiteren Anklage wegen Störung der Totenruhe muss V. nicht rechnen. "Dafür muss eine besondere Erniedrigung vorliegen. Das reine Beiseiteschaffen einer Leiche reicht dafür nicht", sagt Gerichtssprecher Sebastian Brommann. Hans-Martin V. habe lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach dem schleswig-holsteinischen Bestattungsgesetz begangen. "Das Gericht stellt dieses Verfahren aber ein", sagt Patric von Minden. Ob die Staatsanwaltschaft jetzt in Revision geht, ist noch unklar. Erfolgt dies nicht, ist der Freispruch eine Woche nach dem Urteil des Landgerichts rechtskräftig.