Juristischer Stillstand: Ehrenamtlicher Richter tritt zurück. Entscheidung im Fall des Ruhestandsgeistlichen Hasselmann blockiert.

Ahrensburg. Im Fall des Ahrensburger Ruhestandsgeistlichen Friedrich Hasselmann herrscht vermutlich über Monate juristischer Stillstand. Der Grund: Richter Wolf Reinhard Wrege hat den Vorsitz der Ersatz-Disziplinarkammer des Kirchengerichts niedergelegt. "Ich bin entsetzt", sagt Hasselmanns Anwalt Heinz Wagner. Für seinen Mandanten, gegen den Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal erhoben werden, drohe das Verfahren zu einer belastenden Hängepartie zu werden. Aber auch die Betroffenen, die auf eine juristische Bewertung hoffen, müssen weiter auf Aufklärung warten.

Anwalt Wager: "Das Disziplinargesetz schreibt vor, dass diese Fälle zügig verhandelt werden sollen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein." Tatsache ist, dass das Landeskirchenamt die Richter der ersten Kammer wegen "Besorgnis der Befangenheit" ablehnt. Tatsache ist auch, dass die Ersatzkammer, die über die Befangenheit entscheiden soll, mit dem Rücktritt des Vorsitzenden nun ebenfalls handlungsunfähig ist. Die Situation ist festgefahren.

Zum Hintergrund: Die evangelische Landeskirche hatte gegen Hasselmann ein Disziplinarverfahren angestrengt. Ziel war es, den Pastor i.R. wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal aus dem Dienst zu entfernen. Die Disziplinarkammer des unabhängigen Kirchengerichts unter Vorsitz des Reinbeker Amtsgerichtsdirektors Bernd Wrobel stellte das Verfahren jedoch am 20. November 2012 ein - ohne die Zeugen gehört zu haben. Es hagelte Kritik. Sechs der nicht gehörten Zeugen erhoben in einer Erklärung unter der Überschrift "Wir sind wieder sprachlos gemacht worden" schwere Vorwürfe.

Auch das Landeskirchenamt äußerte Kritik, legte Mitte Dezember Rechtsmittel ein und forderte das Kirchengericht auf, den Fall Hasselmann erneut aufzurollen. Zugleich lehnte das Landeskirchenamt Wrobel und die vier weiteren Richter der Disziplinarkammer aus "Besorgnis der Befangenheit" ab. Da sie nicht selbst über ihre Befangenheit urteilen können, sollte die Ersatzkammer darüber befinden. Das geht nun nicht mehr. Das Verfahren ruht nach dem Rücktritt des Vorsitzenden.

Wrege, der hauptberuflich als Direktor des Amtsgerichtes Norderstedt tätig ist, hatte seine Entscheidung, das Ehrenamt niederzulegen, Anfang der Woche verkündet. Das Kirchengericht hatte Hasselmanns Anwalt Wagner über diesen Schritt informiert - aber nicht über die Gründe Wreges. Eine Rücktrittserklärung von Wrege gibt Auskunft über seine Motive. "Aber die Erklärung habe ich nicht bekommen", sagt Wagner. Und das Landeskirchenamt? "Ich weiß nicht, ob wir sie haben", sagt der stellvertretende Pressesprecher Mathias Benckert auf Nachfrage des Abendblatts.

"Natürlich hat das Kirchenamt die Erklärung", sagt Richter Bernd Wrobel befremdet. Außerdem habe es am Mittwoch Gespräche der Leitung des Kirchenamtes mit den Richtern beider Disziplinarkammern und mit Bischof Gerhard Ulrich gegeben.

Aus dem Kirchenamt gibt es dazu keinen Kommentar. Auf weiteres Nachhaken des Abendblatts kam lediglich folgende Stellungnahme: "Das Landeskirchenamt hat den Rücktritt des Richters von seinem Ehrenamt als stellvertretenden Vorsitzenden der Disziplinarkammer mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Zu seinen Beweggründen kann das Landeskirchenamt öffentlich nichts sagen", heißt es wörtlich. Anwalt Wagner schon: "Es muss zu Missstimmungen zwischen dem Richter und der Landeskirche gekommen sein." Richter Wrobel bestätigt das und erklärt zugleich die Zurückhaltung gegenüber der Presse: "Die Rücktrittserklärung erhält Kritik am Kirchenamt."

Auch Wrobel selbst spart nicht mit Vorwürfen: "Das Verhalten des Landeskirchenamtes hat im Fall Hasselmann chaotische Zustände herbeigeführt. Das Verfahren ist blockiert." Außerdem erwarte er als ehrenamtlicher Richter von der Landeskirche Unterstützung. Stattdessen müsse man den Kopf hinhalten. Wrobel: "Selbst wenn die Kirche unter Druck stehe, kann man erwarten, dass sie die Entscheidung unabhängiger Richter akzeptiert."

Wie geht es jetzt weiter? Anwalt Wagner befürchtet, dass sich das Verfahren hinzieht: "Der Richterwahlausschuss muss über eine neue Besetzung der Kammer entscheiden. Aber der tagt erst wieder im Herbst." Wrobel sieht einen anderen Weg: "Es wäre denkbar, dass die Kirchenleitung vorübergehend einen Nachfolger für den zurückgetretenen Vorsitzenden beruft. Dann könnte die Ersatzkammer in einigen Wochen ihre Arbeit wieder aufnehmen und zunächst über die Befangenheit befinden." Vorausgesetzt, es gibt Kandidaten, die sich für das Ehrenamt zur Verfügung stellen. Wrobel hat Bedenken: "Ich fürchte eher, es wird weitere Rücktritte geben." Auch ihm sei schon der Gedanke gekommen. "Mein Motto als Familienrichter ist, schlichten, statt richten. Es macht wenig Spaß, in solche Konflikte hineingezogen zu werden."