Lisa Seehase löst ihren Preis ein - eine Studioaufnahme bei Produzent Jens Lück. Sie singt, was sie fühlt: eine „überwältigende Zeit“.

Ammersbek/Garlstorf. Mit einem Lächeln betritt Lisa Seehase die kleine Gesangskabine, greift nach den Kopfhörern und rückt das Mikrofon zurecht. Nach einem kurzen Blick durch das Fenster in Richtung Regieraum beginnt sie zu singen. "And it's gotta be an overwhelming time". Es ist die erste Zeile aus dem Refrain ihres Songs "Overwhelming time". Für sie heißt das so viel wie: Und es muss eine überwältigende Zeit werden.

Ein Satz, der perfekt zur momentanen Situation der 18-Jährigen passt. Sie ist im Studio des Musikproduzenten Jens Lück im niedersächsischen Garlstorf, um den Preis für ihren Sieg beim MusicStorm-Wettbewerb im vergangenen Sommer einzulösen: Als beste Solokünstlerin hat sie eine CD-Aufnahme bei dem Jury-Mitglied gewonnen. 16 Stunden hat sie bereits mit Jens Lück an ihren Songs gearbeitet, nun stehen die letzten Gesangsaufnahmen auf dem Programm. "Es war bisher sehr leicht mit Lisa", sagt der Musikproduzent. "Sie hat kaum Fehler gemacht und gut durchgehalten. Es gibt Sänger, die machen nach drei Stunden schlapp. Das war bei Lisa nicht der Fall."

Tatsächlich arbeitete sie zum Teil sieben Stunden am Stück, sang immer wieder neue Textpassagen ein. Gab es da nicht irgendwann Probleme mit der Stimme? Die Schülerin schüttelt den Kopf. "Ich bin das gewohnt, weil ich manchmal am Wochenende zu Hause auch so viel singe", sagt sie.

Lisa wirkt entspannt. Sie fühlt sich sichtlich wohl in Jens Lücks Studio - und das von Beginn an. "Ich war überhaupt nicht aufgeregt, nur anfangs ein bisschen gestresst", sagt die Sängerin. "Wobei du das auf die Autobahn geschoben hast", sagt Jens Lück und schmunzelt. Lisa grinst. "Das stimmt", sagt sie. "Ich mag es nicht, auf der Autobahn zu fahren." Für den Weg nach Garlstorf musste sie jedoch mehr als 40 Kilometer auf der A 1 und der A 7 zurücklegen.

Drei Lieder wollen die beiden zusammen aufnehmen: "Blind wanderer", "Okay" und "Overwhelming time". Die Ammersbekerin hat sie alle selbst geschrieben und vor ihrem ersten Studiobesuch an Jens Lück geschickt, zusammen mit Songs ihrer eigenen musikalischen Favoriten wie zum Beispiel den britischen Pop-Sängerinnen Birdy und Ellie Goulding. "Das hat mir dabei geholfen, Ideen für Lisas Songs zu entwickeln", sagt der Garlstorfer.

Denn er möchte, dass die Stücke der MusicStorm-Siegerin voller klingen und nicht mehr so sehr an Unplugged-Versionen erinnern. Deshalb werden in den Liedern auch Schlagzeug, Streichinstrumente, Keyboard und Gitarren zu hören sein. Der Fokus liegt aber weiterhin auf dem Gesang und den Klavierklängen. Jens Lück ist begeistert von den Songs, die Lisa Seehase für die Aufnahmen ausgewählt hat. Sein Favorit ist das Lied "Okay". Daran habe er sich noch vom MusicStorm-Finale erinnern können. Die Sängerin sagt: "Es handelt davon, dass man sich nicht so viele Gedanken um alles machen muss, weil letztendlich doch alles okay sein wird."

Es geht weiter. Lisa Seehase singt ein zweites Mal den Refrain ihres Songs "Overwhelming time" in das Mikrofon. "Super, da gibt es nichts zu meckern. Mach einfach noch mal", sagt Jens Lück zu ihr. Nach der vierten Aufnahme bricht er schließlich ab und streckt den Daumen nach oben. "Das war hammermäßig. Der letzte Durchgang hatte noch mehr Emotionen", sagt er. "Meinetwegen können wir aufhören. Das waren vier tolle Takes." Auch Lisa lächelt zufrieden. "Das war richtig gut", sagt sie.

Jetzt fehlen nur noch die Backing Vocals, also der Begleitgesang. "Das sind Töne, die der Zuhörer oft gar nicht bewusst wahrnimmt, weil sie so leise sind", sagt Lück. Für Lisa ist das etwas ganz Neues. Denn ihren eigenen Gesang hat sie bisher noch nie selbst begleitet. "Ich werfe sie ein bisschen ins kalte Wasser", sagt Jens Lück und stimmt einige Töne an. Lisa versucht, die Vorschläge umzusetzen. "Das war ganz nah dran. Aber hör noch mal auf die Leadstimme", rät der Musikproduzent.

Beim vierten Versuch ist Jens Lück zufrieden, es geht zur nächsten Passage. Wieder gibt der Musikproduzent zunächst einige Anweisungen. "Stell dir vor, du läufst gerade so durch die Gegend und summst vor dich hin. Es soll ganz leicht klingen", sagt er. Dieses Mal hat die Schülerin gar keine Probleme, die Vorgabe umzusetzen. Lück ist begeistert. "Das war cool", sagt er. "Das hatte so etwas Mädchenhaftes, Leichtes an sich. So habe ich mir das vorgestellt."

Es folgen einige weitere Backing Vocals, dann sind alle Gesangsaufnahmen beendet. Weiter geht es für Lisa nun im Regieraum. Zusammen mit Jens Lück hört sie sich die Aufnahmen an, um zu entscheiden, welche Version ihnen am besten gefällt. Bis zu zehnmal hat Lisa jede einzelne Strophe eingesungen. "Viele Außenstehende denken, dass im Studio so viel aufgenommen wird, damit unter den vielen Versuchen eine tolle Version dabei ist", sagt Lück. "Aber bei guten Sängern wie Lisa ist das anders. Da nehmen wir so viel auf, um Highlights zu sammeln, und achten dann auf die Feinheiten."

Die Auswahl ist schnell getroffen. Denn der Musikexperte und die junge Sängerin sind sich fast immer einig. Zum Abschluss gönnen sich die beiden eine Tasse Milchkaffee. Lisas Arbeit ist nun getan. Jens Lück wird dagegen diese Woche noch drei Tage im Studio verbringen, um alles zu mischen. Anschließend können die CDs gepresst werden.

"Ich bin absolut zufrieden", sagt Lück. "Aber ich habe auch nichts anderes erwartet." Die Ammersbekerin habe ihn bereits mit ihrem Auftritt beim MusicStorm-Finale vor dem Ahrensburger Schloss überzeugt. Der Musikexperte sagt: "Wenn sich jemand live so gut anstellt, dann klappt das auch im Studio." Er bescheinigt der 18-Jährigen "riesiges Potenzial" und hat auch Gemeinsamkeiten mit ihrer Vorgängerin Sofie Faasch festgestellt. Als Lela Johns hatte sie 2010 den ersten MusicStorm-Wettbewerb gewonnen und anschließend ebenfalls eine CD mit Jens Lück aufgenommen. Er sagt: "Beide setzen sich auf der Bühne ans Klavier und machen selbstbewusst ihr Ding. Das ist klasse."

Für Lisa Seehase geht es nun zurück nach Ammersbek. Die Autobahn wartet, doch das ist ihr in diesem Moment egal. Sie lächelt zufrieden. "Die Studioaufnahme war eine tolle Erfahrung für mich", sagt sie. "Es hat sehr viel Spaß gemacht."