Das erste Date, der erste Film oder das erste Bier: Stammgäste erinnern sich an ihre Zeit in der Reinfelder Kultkneipe Milchbar.

Reinfeld. Heinz-Jürgen Lübbe hat unzählige Abende in der Reinfelder Milchbar verbracht. Als Schüler traf er sich mit Freunden dort, um Freeze zu trinken - eine Mischung aus Sirup und Soda. "Das gab es in mehreren Geschmacksrichtungen: Orange, Kirsche, Erdbeere und Heidelbeere", erinnert sich der 59-Jährige. Als Jugendlicher führte er dann seine erste große Liebe in die Milchbar aus. "Ich habe sie auf ein Freeze eingeladen", sagt Lübbe und lächelt bei der Erinnerung. "Sie hieß Susanne. Ich war damals 17 Jahre alt, sie 15 oder 16." In den vergangenen Jahren kehrte der Reinfelder nach Spaziergängen mit seinen Hunden regelmäßig zwei bis drei Mal pro Woche in der Milchbar ein. Er sagt: "Ich hätte nie gedacht, dass das mal zu Ende sein wird."

So wie Heinz-Jürgen Lübbe geht es vielen Gästen, die am Sonnabend zur Karibischen Nacht in das Traditionslokal gekommen sind. Es ist der letzte Abend, den der beliebte Treffpunkt geöffnet hat. Wie berichtet, hat sich Inhaber Michael Witt aus finanziellen Gründen dazu entschieden, die Milchbar zu schließen. Sein Großvater Claus Witt baute sie samt angrenzendem Kino vor 60 Jahren auf.

Klaus Neumann kann sich noch gut an die Anfangsjahre erinnern. "In den 50er-Jahren bin ich oft mit Freunden hierher gekommen", sagt der heute 74-Jährige. "Zuerst haben wir uns im Kino einen Western oder einen Krimi in der Spätvorstellung angesehen, hinterher ging es für einen Umtrunk in die Milchbar." Das Kino hat Michael Witt bereits 2006 aufgegeben, weil es zu einem Zusatzgeschäft wurde. Der Saal wird seitdem für Veranstaltungen genutzt - und das wird auch nach der Schließung der Milchbar vorerst so bleiben.

Vor zwei Jahren war Klaus Neumann zuletzt in dem Lokal. Damals feierte seine Schwester dort mit rund 50 Gästen ihren 70. Geburtstag. "Die Milchbar war immer ein schöner Treffpunkt", sagt Neumann. "Es war gemütlich. Man konnte sich nett unterhalten." Mit seiner Frau Carma, Schwiegertochter Beate, Sohn Heiko und dessen Bekannten Sergej Ens ist er an diesem Wochenende noch einmal in die Milchbar gekommen, um genauso wie rund 300 weitere Gäste bei der letzten Nacht in dem Lokal dabei zu sein.

Am Tresen sitzen Petra und Wolfgang Sarp und trinken Bier. Sie haben Inhaber Michael Witt ein Erinnerungsgeschenk mitgebracht: eine Außenaufnahme der Milchbar in 3D. "Die Milchbar ist in Reinfeld Kult. Es ist sehr traurig, dass sie schließt", sagt Petra Sarp. 1973 zog sie mit ihrer Mutter in die Karpfenstadt, im selben Jahr ging sie erstmals in das Kino neben der Milchbar. "Der erste Film, den ich dort gesehen habe, war 'Ferien auf dem Immenhof'", sagt die 49-Jährige. Seitdem besuchte sie immer wieder das Kino und auch die Milchbar. "Dort gab es Pommes und Cola für wenig Geld. Es war sehr gemütlich. Ich fühlte mich dort immer zu Hause."

Ihr Mann Wolfgang Sarp ist in einem Haus gegenüber der Milchbar aufgewachsen. "Als Jugendliche sind wir immer nach dem Billardspielen in das Lokal gegangen und haben Currywurst oder Schaschlik gegessen. Dafür war die Milchbar berühmt." Wolfgang Sarp blieb dem Lokal treu. In den vergangenen zehn Jahren traf er sich jeden Donnerstag dort mit Freunden zum Stammtisch. Er sagt: "Ich weiß gar nicht, wo wir in Zukunft zusammenkommen sollen. So viele Möglichkeiten gibt es in Reinfeld nicht mehr."

Auch Olaf Petereit traf sich zum Stammtisch in der Milchbar, und zwar mit Freunden aus der Handballabteilung des SV Preußen Reinfeld. "Bei unserem letzten Treffen haben wir ausgerechnet, dass wir wohl jeder Geld im Wert eines Kleinwagens in der Milchbar gelassen haben", sagt der 47-Jährige. Viele seiner Freunde könnten es nicht fassen, dass das Lokal schließt. "Einige haben hier zum ersten Mal geknutscht, andere ihr erstes Geld beim Kartenabreißen vor dem Kino verdient."

Frank Stapelfeldt erinnert sich gern an die Fotos der Filmstars aus der 50er-, 60er- und 70er-Jahren zurück, die früher in der Eingangshalle der Milchbar hingen. "Da war auch ein Foto von Romy Schneider dabei", sagt er. "Dadurch bin ich Fan von ihr geworden." Pinocchio war der erste Film, den Frank Stapelfeldt im Kino der Milchbar gesehen hat. Das war mit 5 Jahren. Es folgten viele weitere, zum Beispiel Krieg der Sterne und Mad Max. Die Milchbar sei immer ein Anziehungspunkt in Reinfeld gewesen. Stapelfeldt: "Schade, dass sie nun weg ist."

Es ist 4 Uhr am Sonntagmorgen, als die letzten Gäste die Milchbar verlassen und Inhaber Michael Witt das Lokal für immer schließt. "Es war ein schöner Abschluss", sagt der 52-Jährige. Traurig über die Schließung sei er noch nicht. Witt: "Das wird wohl erst kommen, wenn das Gebäude 2014 für das geplante Fachmarktzentrum abgerissen wird."