Eine Glosse von Frank Knittermeier

Neulich im Hamburger Schauspielhaus: Auf der Bühne müht sich ein Schauspieler damit ab, dem Publikum das Verhältnis zwischen ihm und seinem Kontrabass auf amüsante Weise nahezubringen. Das ist nett und gefällt mir. Mein Sitznachbar hingegen langweilt sich. Das merkte ich nach etwa 30 Minuten, als neben mir ein leichtes Schnarchen hörbar wird.

Was jetzt? Aufwecken oder schlafen lassen und riskieren, dass die Aufführung gestört wird? Immerhin dritte Reihe. Da könnte auch der einsame Schauspieler irritiert werden und Höllenqualen erleiden, weil er glaubt, die Zuschauer mit seinem Spiel zum Einschlafen zu bringen. Ich entscheide mich für ein Zwischending: Abwarten. Tatsächlich richtet sich der mir unbekannte Nachbar irgendwann wieder auf und verfolgt interessiert das Geschehen auf der Bühne. Kurz vor Schluss schnarcht er wieder. Ich lasse ihn, weil ich jetzt auch nicht um seinen sicher verdienten Schlaf bringen will.

Ein Einzellfall ist das nicht. In der Staatsoper fanden meine Sitznachbarinnen "Der Tod in Venedig" zum Einschlummern schön. Der Kopf der einen sackte auf meine linke Schulter, der Kopf der anderen auf meine rechte. Das sind Situationen, die das Leben verkomplizieren.

Seit diesen Vorfällen leide ich Qualen: Bin ich eigentlich eine Schlaftablette? Neigen meine Sitznachbarn zwangsläufig zum Einschlafen? Wer ganz sicher gehen und eine Theateraufführung hellwach überstehen will, sollte sich vorsichtshalber weit weg von mir setzen. Ist vielleicht besser so. Wäre schade um das Eintrittsgeld.