Ein 45-Jähriger, der seine Freundin im Sachsenwald bei einem Gewaltexzess tötete, ist schuldunfähig und kommt in eine Psychiatrie.

Lübeck/Reinbek. Sie lag im Unterholz des Sachsenwaldes, die Leiche der 68 Jahre alten Anke M. Ein Radfahrer entdeckte die tote Frau mittags am 20. Mai dieses Jahres, einem Sonntag, im Fichtenwald zwischen Reinbek und Aumühle. Ihr Leichnam wies derart schwere Verletzungen auf, dass sofort klar war: Anke M. war einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.

Wegen dieses Verbrechens hat die I. Große Strafkammer des Landgerichts Lübeck am Dienstag den Freund von Anke M., den 45 Jahre alten Rüdiger G., in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass G. seine Freundin im Sachsenwald bei einem Gewaltexzess mit mindestens 21 Messerstichen getötet hat. Von der Anklage wegen Totschlags sprach die Kammer ihn dennoch frei, da sie den Angeklagten als nicht schuldfähig betrachtet. Rüdiger G. selbst hatte während des Prozesses beharrlich geschwiegen. Die Urteilsverkündung am Dienstag verfolgte er regungslos.

Der Angeklagte und Anke M. hatten sich in der sozialtherapeutischen Einrichtung Fördern und Wohnen Sachsenwaldau in Reinbek-Ohe kennengelernt. Anke M. wohnte dort schon seit Jahren. Sie hatte jahrzehntelang zu viel Alkohol getrunken und konnte nicht mehr allein leben. Auch G. ist alkoholkrank. Er wohnte zeitweise in der Einrichtung, zuletzt von März bis April dieses Jahres. Weil er einen Mitbewohner bedroht hatte, musste er ausziehen. Der Kontakt zu Anke M. blieb jedoch bestehen, mittwochs und sonnabends durfte G. sie besuchen. Der Vorsitzende Richter Christian Singelmann sprach von einem "innigen Verhältnis" der beiden.

Nach Überzeugung des Gerichts haben sich G. und Anke M. am Sonnabend, 19. Mai, in der Betreuungseinrichtung getroffen und einen Spaziergang in den nahen Sachsenwald gemacht. Eine Zeugin hatte G. gesehen. Im Wald hat G. laut dem Gericht "aus einem Konflikt heraus" auf seine Freundin mit einem Küchenmesser eingestochen. Die Frau wurde so schwer verletzt, dass sie am Blutverlust starb. Die nahe gelegene Einrichtung meldete Anke M. am nächsten Tag morgens als vermisst. Nach dem Fund ihrer Leiche nahm die Polizei Rüdiger G. in dessen Wohnung in Reinbek fest.

Dabei sagte G. einem Polizisten, bevor dieser Näheres erwähnt hatte: "Ich habe nichts getan und sie nicht umgebracht." Später sagte er, er habe schon auf die Beamten gewartet. Diese Aussagen sah das Gericht als Indizien dafür, dass G. die Tat begangen hat. Weitere Indizien waren für die Richter das nahe der Leiche gefundene Messer mit Blutspuren von Anke M. und Spuren von G. sowie Kleidung von G. mit Blut des Opfers. "Die Beweislage ist eindeutig", so Richter Singelmann.

Bei der Frage nach dem Motiv für die Bluttat wollte sich das Gericht nicht festlegen. "Vielleicht war der Angeklagte wütend, weil das Opfer nicht mit ihm zusammenziehen wollte, vielleicht auch, weil sie keine Lust auf Sex hatte", sagte der Vorsitzende Richter. Zeugen hatten berichtet, dass Rüdiger G. schon wegen Kleinigkeiten sehr wütend werden konnte.

Trotz der aus ihrer Sicht eindeutigen Beweislage sprach die Strafkammer den Angeklagten frei. "Eine Verurteilung kommt nicht infrage, wenn nicht auszuschließen ist, dass bei ihm Schuldunfähigkeit vorliegt", sagte Richter Singelmann. Die Kammer schloss sich dem psychiatrischen Gutachter an, der Rüdiger G. untersucht hatte. Dieser bescheinigte G. eine mittelschwere Intelligenz- und eine Verhaltensstörung. "Der Angeklagte leidet an Schwachsinn", so Singelmann, ihm fehle die Steuerungsfähigkeit, und er könne Konflikte nicht angemessen lösen. Das Gericht befürchtete zudem, dass G. auch zukünftig ausrasten könne. Weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit sei, ordneten die Richter an, ihn in der Psychiatrie unterzubringen. Dort könne er wirkungsvoll therapiert werden. "Tun Sie sich selbst einen Gefallen, und nehmen Sie die Therapie an", sagte Richter Singelmann zum Angeklagten gewandt.

Mit seinem Urteil entsprach das Gericht den drei gleichlautenden Anträgen von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und der Anwältin des Nebenklägers Michael M., Sohn des Opfers. Alle hatten dafür plädiert, den Angeklagten freizusprechen und in der Psychiatrie unterzubringen.